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19.05.2018 Andreas Weist Simon Engelbert/PHOTOGROOVE
Die Toten Hosen

Auswärtsspiel in Esch

​Am Freitag, den 18. Mai 2018, ließen die Toten Hosen die ausverkaufte Rockhal beben. Das Konzert bildet den Auftakt der diesjährigen Tour und wird im September am Bostalsee im Saarland enden. Für die 6000 Fans war Luxemburg ein Fest. hunderttausend.de war mit dabei.

 
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​Ist das noch ein Auswärtsspiel oder schon ein Heimspiel? Diese Frage konnte man sich in Luxemburg durchaus stellen. Zumindest kam die Band gerade aus China zurück und am 20. Mai startet die große Deutschland-Tour, die sie am 14. und 15. September 2018 erneut in die Region führen wird, nämlich an den Bostalsee. Laut T-Shirt fand in Esch/Alzette jedenfalls die Eröffnung der Tour statt. Und es war ein Publikum, das aus einem Mischmasch aus luxemburgischen und deutschen Fans bestand. Die 6.000 Angereisten hatte zuvor schon das stundenlangen Anstehen im Stau geeint. Es war ein verteufelter Abend auf der Autobahn mit zwei Unfällen und etlichen Baustellen auf der Strecke.

Die Rockhal war schließlich ebenso bis auf den letzten Platz in bedrückender Enge gefüllt wie zuvor die Straßen. Und mit etwas Verspätung ging es dann los. Die Veranstalter hatten natürlich von der schwierigen Anreise erfahren und zur Freude vieler Fans den Start der Show kurzerhand 30 Minuten nach hinten verlegt, damit alle mit an Bord waren.

Den Anfang machte um 20.15 Uhr die argentinische Band Argies mit schnellem Punkrock und einer energiegeladenen Show. Trotz der relativ bescheidenen Möglichkeiten vor dem Bühnenaufbau der Hosen legten sie schnell und selbstbewusst los und trafen dabei auf ein tanzwütiges Publikum im ersten Hallendrittel. Es gab Titel in argentinischer und englischer Sprache. Und selbst ein Schmachtfetzen wie die italienische Anarcho-Hymne „Bella Ciao“ wurde hier zum Massen-Event.

Die Toten Hosen starteten dann mit besagter Verspätung um 21.30 Uhr per visueller Bandvorstellung auf großen LCD-Leinwänden. Diesmal nicht als Desperados, sondern als Dschungelforscher. Die „Laune der Natur“ ist jetzt auch schon wieder ein Jahr alt, nachdem die erste große Konzertreise zum Album bereits 2017 statt fand. Die neue Setlist begann mit dem Titelsong des Albums, doch schon der zweite Song „Liebeslied“ zeigte dem stimmgewaltigen Publikum, dass die Klassiker nicht zu kurz kommen sollten.

Campino war bester Laune, stets agil auf der Bühne und in Kontakt zu den Menschen. Doch man tat alles dafür, seine Performance nicht zur One-Man-Show werden zu lassen. So war auf den drei riesigen LCD-Wänden stets die komplette Band im Blick. Mittels Einzelaufnahmen, die durch zum Song passende Animationen in Szene gesetzt und miteinander verbunden wurden. Eine Stärke der Hosen-Shows ist es schon oft gewesen, dass man nicht zu viel Schnickschnack im Bühnenaufbau mit sich trägt – man will ja schließlich Punkband bleiben – und trotzdem dafür sorgt, dass die Fans jedes Detail der gewaltigen Show auch aus siebzig Metern Entfernung mitverfolgen können.

Die Titel des aktuellen Albums und des Vorgängers „Ballast der Republik“ wurden ebenso abgefeiert wie „Bonnie & Clyde“. Das zeigte, dass die Hosen (auch in Luxemburg) ein Publikum haben, das immer auf dem neusten Stand ist. Allerdings war es sehr unruhig im Saal, denn es fand ein ständiges Rein und Raus statt, um die durstigen Kehlen mit Getränken zu versorgen. Und wenn man sich dabei durch Menschenmassen quetschen musste, störte das vor allem im hinteren Hallenbereich das Konzertfeeling.

Besonders penetrant war das zu bemerken, als es künstlerisch etwas schwieriger wurde. Zu ihrem Projekt „Entartete Musik“ hatte die Band schon mit einem Orchester zusammen gearbeitet. Und einige Streicher plus Piano waren in der Rockhal vertreten, um die Stücke „Teil von mir“ und „Du lebst nur einmal (vorher)“ mit Klezmer und weltmusikalischen Klängen zu bereichern. Wem das zu anspruchsvoll war, der ging eben Bier holen. Schade drum, denn es war ein gefühlvolles Erlebnis, das die Aspekte des Punk und Rock’n’Roll keineswegs außer Acht ließ.

Danach ging es wieder in die Vollen. „Pushed Again“ konnte ebenso begeistern wie kurz darauf „Alles aus Liebe“. Und auch der noch recht frische Radiohit „Wannsee“ wurde aus 6.000 Kehlen mitgesungen. Natürlich konnte Campino sich fußballerische Seitenhiebe Richtung Köln nicht verkneifen: „Wir kommen aus einer Stadt, die Erstliga-Fußball spielt.“ Und für den FC Kaiserslautern gab es ein wohlwollendes „Steh auf, wenn du am Boden bist“. Mit „Wünsch Dir was“ und „Hier kommt Alex“ folgten zwei weitere Highlights. Schließlich war nach gut 75 Minuten Schluss mit dem Hauptset.

Aber man kennt die Hosen schlecht, wenn man meint, das sei schon alles gewesen. Der große Zugabenblock dehnte das Konzert locker auf über zwei Stunden Länge aus. Zunächst waren die Sinfoniker wieder auf der Bühne und es gab nicht nur den Hosen-Song „Alles passiert“, sondern auch zwei ausgedehnte Coverversionen: „Hey Jude“ zum Mitsingen für jedermann und AC/DCs „TNT“ zum kollektiven Abrocken. Begeistert wurde „Eisgekühlter Bommerlunder“ aufgenommen. Und bei den schwitzigen Temperaturen in der Halle hätte mancher lieber einen solchen genossen als darüber zu singen. Aber sei’s drum: nicht jammern – mitmachen!

Den von vielen erwarteten Hit „Tage wie diese“ gab es erst ziemlich zum Schluss. Vorher wollte ohnehin keiner gehen. So wurde der endgültige Abschluss „You’ll Never Walk Alone“ auch zum Motto für die abreisenden Fanmassen. Die Parksituation im Escher Belval ist wirklich ein Traum. Da muss keiner Sorge haben, nicht mit dem Auto unterzukommen. Doch die An- und Abreise im Nadelöhr kann schon zum Albtraum werden. Aber nach einem solchen feierwütigen Konzert war das Nebensache. Man hatte ein glänzendes und spielfreudiges Eröffnungskonzert gesehen. China hat der Stadt Trier eine Karl-Marx-Statue geschenkt und die Toten Hosen nach Deutschland zurück geschickt. Was will man mehr?

Das Open Air am 14.9.2018 (Bostalsee) ist bereits ausverkauft, doch für das Zusatzkonzert am 15.9.2018 – gleicher Ort – gibt es noch Restkarten. Wer die Show in diesem feinen Ambiente am See genießen möchte, sollte sich beeilen. Immerhin kann man damit Tourbeginn und -abschluss in der Region Trier feiern. Dank der Veranstalter von Popp Concerts, die einen guten Draht zu Campino und Co. zu haben scheinen.


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