Interviews
13.01.2017 Julia Nemesheimer  
Michael Gubenko zu Herz[stück]

Die Freiheit der Begegnung

​Bühne1 e.V. meldet sich wieder zurück, dieses Mal mit einem großen, interdisziplinären Projekt über das Thema „Begegnung". Herz[stück] heißt die Veranstaltung, die zuerst im Exhaus, später in der Europäischen Kunstakademie zu sehen sein wird. hunderttausend.de hat sich mit Michael Gubenko, dem künstlerischen Leiter, darüber unterhalten. 

 
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hunderttausend.de: Eure neue Produktion ist wirklich allumfassend, kannst du kurz beschreiben, was da auf das Publikum zukommt?

Michael Gubenko: Die Produktion, die viel mehr ist, als nur ein Stück. Es gibt mit „Finnisch" auch das klassische Stück im Bühne1-Format, dabei handelt es sich um eine neuzeitliche Inszenierung von Martin Heckmanns. Wir hatten mit „Wörter und Körper" bereits ein Stück von diesem Autor inszeniert und wagen uns nun hieran. Der Impulstext für das gesamten Projekt kommt dabei von Heiner Müller. Das ist gerade einmal eine viertel Seite Text, ein Dialog zwischen Eins und Zwei, die nicht weiter festgelegt sind. Darin geht es um ein Herz, das in Wahrheit ein Ziegelstein ist, aber trotzdem füreinander schlägt. Nun beinhaltet dieser Text zwei große Themenkomplexe: Einerseits die Begegnung und wie schwierig die zwischenmenschliche Beziehung ist und andererseits die Frage, wie man sich miteinander verständigt, wie Kommunikation im Spannungsverhältnis zwischen Nähe und Fremdheit funktioniert. Unter diesem Banner finden alle Projekte statt, die an diesem Abend zu sehen sein werden. Hierzu kooperieren wir erneut mit der Hochschule Trier und haben aus allen möglichen Fachrichtungen verschiedene Arbeiten vorliegen, die hier in all ihrer Vielfalt gezeigt werden. Alle haben für sich selbst ihre Sicht und ihren Zugang für das Thema Begegnung gefunden.

Das klingt tatsächlich nach einem riesigen Mammutprojekt, mit all den unterschiedlichen Künstlern, die hier zusammenkommen und sich ja selbst erstmal begegnen müssen. Wie kam all das zustande?

Nach der Loslösung vom Stadttheater mit dem Intendantenwechsel vor zwei Jahren und unserer Selbstständigkeit, stellte sich die Frage, wie wir uns nun neu aufstellen wollen in der freien Szene und jenseits der Studio-Bühne, die wir ja bis dahin immer bespielt hatten. Wir beschlossen also, dass wir neue Formate benötigen, denn die Studioproduktionen sind nach acht Jahren unweigerlich mit dem Theater verbunden und davon wollten wir uns loslösen. Mit dem Format der Ausstellung haben wir etwas sehr Offenes gefunden, eine Art Andockstation für viele unterschiedliche Künstler*innen, die auch die Vernetzung untereinander weitertreibt. Wir haben Leute gesucht, die das gerne machen würden und so haben wir unter anderem eine Kuratorin in Isabel Arnold gefunden und eine Raumdesignerin, Dinah Müller, die ihre Arbeit mit uns für ihre Bachelor-Arbeit verwendet.

Und so fördert ihr auch weiterhin junge Künstler*innen, was ja mit ein Ziel eures Vereins ist...

Genau. Wir haben ja immer versucht, das kreative Potential, das wir in Trier eben durch den Fachbereich Gestaltung haben, zu nutzen. Früher war das nur begrenzt möglich und jetzt können wir Leute einladen, im Rahmen einer Bühne1-Produktion ein eigenes Projekt zu verwirklichen.

Wie kam der Ortswechsel zustande?  War das rein geografisch ein Wunsch von euch, in West und Nord zu spielen und so die Distanz für verschiedene Zielgruppen zu verringern oder steckt da was Anderes dahinter?

Als wir damals nach Locations gesucht haben, waren wir noch recht blauäugig. Wir haben uns viel angeschaut, darunter auch die Viehmarktthermen, wofür wir uns auch wegen Denkmalschutz dann aber nicht entschieden haben. So haben wir nach Orten gesucht, die im Stadtgeschehen präsent sind und eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Das Exhaus schien uns damals perfekt. Dort lauern zwar auch einige Tücken und Probleme, aber nichtsdestotrotz ist es sehr offen und passt einfach dazu. Die Kunstakademie ist, nicht nur geographisch, das Gegenkonzept dazu. Es ist vielmehr im Kunst- und Atelierkontext verankert, die Räumlichkeiten sind dort ganz anders. Aber das war auch etwas, was wir dann wollten: Verschiedene Orte der Begegnung. Wäre es logistisch möglich, würde ich am liebsten fünf Locations bespielen!

Ist die Neuanordnung der jeweiligen Projekte in den unterschiedlichen Räumen denn nicht auch ein schwieriges Unterfangen?

Ja, natürlich. Wir passen die Konzepte jeweils an die Locations an. Als Beispiel wird etwa „Finnisch" im Exhaus in drei Akten in jeweils anderen Räumen gespielt. Es wird einen Zeitplan geben und man kann das Stück chronologisch anschauen, es gibt aber auch die Möglichkeit etwa bei Akt zwei einzusteigen, ohne dass man den Anschluss verpasst, da es recht selbsterklärend ist. Die endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber in der Kunstakademie wird es wahrscheinlich am Stück gespielt und auf jeden Fall auf einer Bühne. In West ist alles eben enger zusammen und dadurch wird das Raumkonzept gebündelter und auch klassischer sein.

Würdest du dann sagen, dass es Sinn macht, sich Herz[stück] an beiden Orten anzuschauen?

Es ist schon sinnvoll, auch da das Programm sehr dicht ist. Es würde also viel Mühe und eine gewisse Zeitplanung vorab erfordern, um wirklich alles zu sehen. Die Veranstaltung dauert ja vier Stunden. Manche Dinge wiederholen sich, andere Dinge sind einmalig. Jede*r Besucher*in bekommt zwar eine Art Leitfaden mit an die Hand, aber man hat eben die Freiheit, sich das anzuschauen, was man mag, und andere Dinge auszulassen. Außerdem ist es ja jedes Mal leicht anders und vielleicht hat man später auch einen ganz anderen Blick auf die jeweiligen Projekte.

Gleichzeitig findet ja auch in dem Kunstraum „eigenart" der Trier Galerie noch eine kleine Ausstellung statt?

Richtig, die findet währenddessen statt. Bis auf die Tage, an denen die Veranstaltungen im Exhaus und der Kunstakademie sind, ist in der Trier Galerie eine Werkauswahl zu sehen, die für eine Einkaufspassage sinnvoll ist, darunter Bilder und eine Videoinstallation. Am 09. Februar wird auch diese Location dann bespielt, unter anderem sieht man da Auszüge aus „Finnisch" und Performances. Außerdem gibt es da dann einen „Künstlertreff".

Kannst du noch etwas zum Ablauf des Abends sagen, damit man sich als Besucher*in ein bisschen besser darauf vorbereiten kann?

Man kann zu Herz[stück] wie zu einem klassischen Theaterabend kommen. Ab 17:30 Uhr ist Einlass, man kann aber auch später kommen. Ist man von Anfang an da, kann man das Angebot der Performance-Gruppe so[nah] annehmen. Die Mädels geleiten das Publikum durch die Räume und spinnen eine Art roten Faden, sodass immer dort, wo man gerade hinkommt, etwas Interaktives passiert, sei es Musik, eine Performance, ein Stück oder etwas Anderes. Man kann sich aus dieser Gruppe aber auch jederzeit lösen und später wieder einsteigen oder das Angebot überhaupt nicht nutzen. Es wird einen Zeitplan geben, den man frei verwenden kann. Es wird Essen und Getränke geben und man muss sich sicherlich nicht vier Stunden lang allem aussetzen. Jede*r hat die Freiheit, das mitzunehmen, was er oder sie möchte.

Wie finanziert sich das ganze Projekt?

Seit mittlerweile neun Monaten sitzen wir an den Vorbereitungen und in dieser Zeit konnten wir einige Sponsoren und Förderer finden, darunter beispielsweise – und das adelt uns besonders – die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, die uns als eines von drei Projekten in Trier in diesem Jahr unterstützt und eben viele weitere, die uns auf ganz unterschiedliche Art und Weise unter die Arme greifen.

Herz[stück] ist vom 19. bis 22. Januar 2017 im Exhaus zu sehen, am 04. und 05. Februar in der Europäischen Kunstakademie, jeweils von 18 Uhr bis 22 Uhr, Einlass ist ab 17:30 Uhr. Der Eintritt kostet 10 Euro regulär und 5 Euro ermäßigt. Dabei wird es keinen Vorverkauf geben. Stattdessen gibt es eine, während der Öffnungszeiten permanent besetzte, Abendkasse. 

Foto: Sarah Riefer

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