Interviews
08.02.2017 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Die Broilers in der Arena Trier

"Alles war genau so gemeint"

​Seit dem 03. Februar steht mit [sic!] das siebte Studio-Album der Broilers in den Regalen der örtlichen Plattendealer. Wir sprachen in Vorbereitung auf das Album und das Konzert der Band am 04. März 2017 in der Arena Trier mit Keyboarder Chris Kubczak (Bild: Mitte) über das Video "Keine Hymnen", den speziellen Sound von "Gangster, Gangster" und den Umgang mit Kultur in Deutschland. 

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Video
hunderttausend.de: Chris, wie fühlt es sich an, kurz vor Release einer Platte?

Christian Kubczak: So langsam wird es ein bisschen hibbelig. Die ganze Zeit war es noch relativ weit weg, aber jetzt merkt man auch in den sozialen Netzwerken, dass die Leute heiß drauf sind. Es kommt auch ein bisschen die Angst, ob man die Erwartungen erfüllen kann, aber ich freue mich drauf und ich glaube der Rest der Band auch. Wir wollen es endlich auf die Menschheit loslassen. 

Eigentlich soll man ja keine Fragen zu Album-Namen stellen, aber bei [sic!] kann ich nicht anders. Denn man benutzt es ja, um etwas zu betonen, dass man vorher geschrieben oder gesagt hat. Hattet ihr den Eindruck, dass es nötig ist, nochmal klar zu stellen, dass alles was vorher war, auch genau so gemeint war, wie ihr es gesungen und gesagt habt?

Ja genau. So soll es rüberkommen. Ich kenn dieses Kennzeichen eigentlich aus akademischen Texten aus meinem Studium. Sammy kannte es als Grafikdesigner aus dem Schriftsatz. Für die Band bedeutet es genau das, was du sagst. Alles was vorher war, war genauso gemeint und soll auch gar nicht anders sein. Wir würden es wieder so machen. Auch wenn wir teilweise Kritik ernten mussten, für unser letztes Album „Noir" zum Beispiel. Die hat schon sehr polarisiert. Aber für uns fühlte sich zu dem Zeitpunkt wo es passiert ist, richtig an. Und genau das soll dieses [sic!] auch aussagen. 

Das Album ist auf dem eigenen Label „Skalm & Palms Recordings" erschienen. Was hat sich dadurch verändert, dass ihr das eigene Label gegründet habt?

Wir hatten Angebote von diversen Labels und haben natürlich auch selbst mal geschaut, was man machen kann, nachdem unser Vertrag bei Poeple Like You Records, beziehungsweise Century Media ausgelaufen ist. Der ausschlaggebende Punkt war, dass wenn wir es selber machen, wir frei sind in unseren Entscheidungen, auch wenn wir das finanzielle Risiko komplett selbst tragen. Wir können Dinge machen, die wir vorher vielleicht nicht so machen konnten. Wir entscheiden selbst über Budgets und können so gestalten wie wir wollen. Wir müssen keinen mehr fragen. Man trifft Entscheidungen hinter denen man steht und selbst wenn das eine Fehlentscheidung war, dann ist man halt einfach nur selber schuld.
 
Der Beginn des Albums geht richtig nach vorne. „Nur ein Land" und „Bitteres Manifest" sind ziemliche Kracher, haben aber gleichzeitig einen wirklich wichtigen inhaltlichen Kern. Warum die Entscheidung grade diese Songs an den Anfang zu stellen?

Wir haben schon überlegt, was wir an den Anfang stellen, ob wir da eher inhaltlich oder eher musikalisch rangehen. Und wir haben uns mit „Nur ein Land" letzten Endes für das Statement entschieden. Die Leute wissen also gleich, worum es uns geht. Das finden wir gut und wichtig. 

Für euch ist „Still am Rande stehen keine Option" heißt es im Pressetext. Für euch ist Haltung ja auch nichts Neues. Ihr habt schon auf „Noir" und vorher immer wieder Meinungen in Songs abgegeben. Der Musiker Bosse forderte jüngst in einem Interview grade Künstler auf lauter zu werden und stärker politisch Stellung zu beziehen. Würdet ihr euch dieser Aufforderung anschließen?

Ist total wichtig. Man muss seine Öffentlichkeit dazu nutzen, um diese Meinung zu vertreten. Jeder Mensch ist irgendwie politisch. Unpolitisch gibt es für mich nicht, das würde bedeuten, dass man still am Rand steht und alles erduldet. Eigentlich ist niemand so, jeder hat eine Meinung. Wenn man für sich das Gefühl hat, dass etwas falsch läuft, und das tut es meiner Meinung auch und auch nach Meinung aller anderen in der Band, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt, dann, finde ich, hat man die Verantwortung sich zu positionieren und zu versuchen das den Leuten in seinen Worten begreiflich zu machen. Vor einem Monat habe ich einen Bericht gelesen, in dem es um die Pegida-Demonstrationen in Dresden ging und Roland Kaiser hatte ein Statement abgegeben, dass er es ganz widerlich und schlimm findet. Und die Leute haben dann gesagt: „Herr Kaiser, wir gehen alle auf Ihre Konzerte und bezahlen dafür Geld, deshalb erwarten wir, dass Sie den Mund halten." Das ist doch totaler Unsinn. Ich erkaufe mir ja nicht durch den Kauf einer Konzertkarte die Gleichgültigkeit der Künstler. Deshalb fand ich seine Aussage total respektabel. Grade in der Schlagerbranche ist es ja eher selten, dass jemand sich so positioniert und halt im Zweifel auf diese Leute verzichtet. Denn so sehen wir es eigentlich auch. 

Das Lied „Keine Hymnen heute" ist ein eindrucksvolles Werk, vor allem in Verbindung mit dem Video, bei dem ihr mit Joern Heitmann zusammengearbeitet habt, der schon mit Rammstein Videos gedreht hat. Warum grade er und wie kam es dann zur Zusammenarbeit?

Wir hatten zum Video schon eine grobe Idee. Und dann gab es letzten Endes eine Ausschreibung, mit der wir Angebote von Produktionsfirmen und Regisseuren eingeholt haben. Und Joern war einer davon. Und sein Konzept hat sich mit vielen Dingen, die wir überlegt hatten, gedeckt. Da gab es viele Übereinstimmungen. Wir haben dann gemeinsam noch ein bisschen daran gefeilt und ausgearbeitet, bis dann das Video dabei rauskam. 

Die Szenerie ist beklemmend. Eine Art SS überwacht die Verbrennung und Verbannung aller Kultur und Kunst, bis hin zur Verfolgung und Ermordung von Künstlern. Wie war der Dreh für euch?

Die ganze Geschichte ist natürlich etwas überspitzt dargestellt. Es beginnt vielleicht nicht so, wie wir das im Video dargestellt haben, aber so endet es, wenn man nicht darauf achtet. Und es war uns wichtig, dass wir das nicht so in irgendeiner Vergangenheit ansiedeln, sondern dass sowas in naher Zukunft oder in der Gegenwart passieren kann. Die Stimmung am Set war dementsprechend krass. Wir sind morgens dort angekommen und die waren schon fleißig am drehen. Da wurde grade die Szene gedreht, wie dieser kleine SS-Trupp eine Treppe rauf stürmt und eine Tür auftritt. Und das ist schon beklemmend. Man weiß natürlich, dass das Schauspieler sind, sogar sehr nette, aber das so live mitzukriegen, eine solche Szenerie ist nicht schön. Es war auch krass sich vorzustellen, dass es mal eine solche Zeit gab, in der Leute mit einem solchen Auftreten tatsächlich bei dir im Wohnzimmer standen und dich mitgenommen haben. Das war ein Erlebnis. 

Die Debatte rund um Kultur und den Inhalt von Kultur flammt in unterschiedlichsten Kontexten immer wieder auf. In letzter Zeit haben wir Debatten von „was ist rechter Deutschrock" nach der Nominierung von Frei.Wild bei der Echoverleihung oder „Was darf Satire" aufgrund der Satire um Jan Böhmermann erlebt. Mit dem Hintergrund eures Songs auch: Wie wichtig ist die Auseinandersetzung mit Kultur? Findet überhaupt eine tiefergehende kulturelle Debatte statt?

Ich glaube, was man grundsätzlich merkt, ist, dass Kultur immer so unter ferner liefen läuft. Wenn man sich zum Beispiel Budgets in den Städten und Ländern anguckt, dann kommt die Kultur da oft ganz am Ende. Das ist schade, weil Kultur ist wichtig. Künstler sind in ihrem Schaffen in der Regel frei. Und sie decken damit gewisse Meinungen und Strömungen in der Gesellschaft ab. Kunst muss auch irgendwie immer polarisieren und zu Diskussionen anregen. Man sieht derzeit drastisch in der Türkei, was passiert, wenn man Kultur und auch Journalismus einschränkt, weil deren Ansicht vielleicht nicht der Regierungsmeinung entspricht. Wenn man sich vorstellt, dass sowas passieren kann, dann ist das schon beängstigend.

Wichtige Themen und gut, dass wir drüber sprechen, aber lass uns nochmal zurück zum Album kommen. Ich habe die Platte durchgehört und musste bei einem Song kurz stutzen. „Gangster, Gangster" fängt an mit so einem typischen 80er-Jahre-Drum-Computer-Beat. Hinten raus wird der Song aber dann ein richtiges Brett. Kannst du uns was zur Entstehung dieses Songs erzählen?

Der Refrain des Songs stand recht früh. Sammy kam mit der Idee und dann haben wir das so ein bisschen ausprobiert und hatten dann den schnellen Ska-Refrain, der uns alle gekriegt hat. Wir wollten daraus einen Song machen. Es gab also dieses Thema „Gangster, Gangster" was uns etwas selbstironisch als die dicken Gangster positioniert. Und irgendwie kam dann dieser Film „Straight outta Compton" und wir hören auch mal zwischendurch alte Hip-Hop Platten und wir hatten dann das Bedürfnis das als Zitat mit diesem alten Roland 808 Drum-Computer einzubauen. Es sind auch noch weitere Zitate von alten Ska-Melodien mit drin. Der Song ist also voll von Zitaten und Dingen, die uns geprägt haben und gut gefallen. So ist dann das Gesamtwerk entstanden.

Im Countdown-Video zu [Sic!] sieht man die Donots kurz ihren Part eines Songs einsingen. Erstmal: Was für einen Song singen die denn überhaupt? Denn eigentlich kenn ich doch die Stimmen der Donots und ich konnte kein Feature raus hören. Und als zweite Frage: Was verbindet euch?

Wir sind einfach gut befreundet. Vor Jahren sind wir uns über den Weg gelaufen und fanden uns sofort sympathisch. Die ticken genauso wie wir. So ist dann eine Freundschaft entstanden. Zwischendurch waren sie auch bei JKP im Management, sodass man auch da die Überschneidung hatte. Jetzt hatten wir letztens das Glück bei deren Konzert in der Halle Münsterland dabei zu sein. Wir sind als Gäste hingefahren und Sammy hat ein Lied gespielt mit denen. Wir machen also immer wieder Dinge mit denen zusammen. Und da die ja aus der Ecke kommen, wo wir aufnehmen, also Münster Ibbenbüren, waren die dann dabei. Wir brauchten bei der Platte noch Background-Gesang. Wir machen das zwar auch selbst, aber wenn wir das alleine machen, klingt das immer so nach Kinderchor. Wir brauchten also ein paar ordentliche Stimmen. Und dann haben wir da einfach gefragt, ob die nicht Bock hätten, uns beim Background-Gesang zu unterstützen. Und dann sind Ingo und Guido vorbeigekommen und haben das gemacht. Die singen also nicht nur ein Lied. Sondern singen tatsächlich alle Backing-Vocals mit. Und auf der Platte ist es tatsächlich vermerkt. Es war ein schöner sonniger Nachmittag im August im Münsterland. (lacht).

Was ist denn dein persönliche Lieblingslied?

„Gangster, Gangster", weil es unglaublich Spaß macht das Lied zu spielen. Ich hab auch bei dem Lied echt viel zu tun am Keyboard. „Keine Hymnen" ist auch ein Favorit. Aber es gibt auf der Platte auch kein Lied, was ich wirklich schlimm finde. Das geht uns allen so. Das war die erste Platte, bei der wir über die Lieder diskutieren mussten. Deshalb ist es jetzt schwer zu sagen, was mein Lieblingslied ist, aber so von der Live-Performance her bringt „Gangster, Gangster" am meisten Freude. 

Wir freuen uns auf euer Konzert in Trier in der Arena und danken für das offene Gespräch!
Wir freuen uns auf Trier! 

Foto: STUDIOEIKELPOTH

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