Interviews
02.07.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Interview Andy Strauß

Establishmenschen in Fußgängerzonen

Am Donnerstag, den 02. Juli 2015, ist Andy Strauß mal wieder in Trier zu Gast. Bei der Klangwerk - Dichter und Denker Edition gibt es in der ersten Hälfte eine Lesung, in der zweiten kommt Musik von "Kommando Zurueck". hunderttausend.de hat sich mit dem Autor/Schauspieler/Poetry Slammer im Vorfeld unterhalten.

 
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hunderttausend.de: Hey Andy, Du bist schon öfter in Trier gewesen. Du hast unter anderem mal die Porta Nigra beschimpft. Hat sie eigentlich zurückgeschimpft?

Andy Strauß: Ne, das hat sie sich nicht getraut. Ich hatte auch ziemlich viel Support von Leuten, die drum herum gestanden haben und aufgepasst haben. Da konnte sie sich gar nicht rächen.

Was genau ist eigentlich ein Establishmensch, so heißt ja deine Homepage und dein erstes Buch?

Das ist eine Kunstfigur. Was angepasstes, was man nicht genau versteht. Grundsätzlich ist man eher gegen den Establishmensch.

Begegnest du vielen Establishmenschen?

Ja, meistens in Fußgängerzonen.

Übernimmst du als Poetry Slammer eigentlich eine bestimmte Rolle? Oder ist das da Andy Strauß, wie er leibt und lebt?

Teils teils. Ich spiele natürlich oft die Protagonisten der Geschichten, aber manchmal bin ich auch selbst Protagonist und dann muss ich nicht viel spielen.

Liegt das daran, dass in deinen Geschichten sehr viel von dir steckt und du selbst viel von dir preisgibst?

Ja, das kann schon sein (lacht). Ich weiß es nicht genau. Ich bin halt auch relativ durcheinander und schreibe deshalb vielleicht auch verworrenere Sachen. Wenn man so will, dann ja.

Du bist viel auf Tour und unterwegs. Wie ist es für dich, dass du jeden Tag irgendwie funktionieren musst?

Das ist schon eine krasse Herausforderung. Aber es ist gleichzeitig auch genau das, was ich machen will. Jeder Job ist für sich irgendwie anstrengend. Mein Arbeit ist da schon besonders. Ich war zum Beispiel heute auf der Hälfte der Strecke nach Trier irgendwo schwimmen. Und das zu Zeiten, in denen andere im Büro sitzen. Ich habe ein Bild davon dann auch direkt per Whats-App an meine engsten Freunde geschickt. Und die schicken mir dann Bilder wie sie Büro sitzen oder anderen Leuten die Haare schneiden.

In deinem Buch "Funktion, kaputt" geht es um Depression. Schreibst du dort deine eigenen Erfahrungen auf?

Genau. Das beschreibt nur eigene Erfahrungen.

Ist schreiben bzw. kreativ sein mehr Symptom oder die Therapie?

Ich glaube, dass es weder das eine noch das andere ist. Das hängt kaum miteinander zusammen. Das eine ist meine Gemütslage, für die ich gar nichts kann, das andere meine geistige Arbeit, die ich einfach mache. Ich therapiere mich auf keinen Fall durch Schreiben. Und Kreativität ist definitiv auch kein Symptom von Depressionen, auch wenn man oft sagt, dass depressive Menschen mega kreativ sind. Es gibt auch glückliche Menschen, die einen ähnlich großen Output haben. Deshalb kann man das nicht miteinander in Verbindung bringen.

Du bist auch am Theater aktiv, schreibst Bücher. Was bist du denn jetzt eigentlich? Poetry Slammer, Kabarettist, Autor, Schauspieler?

Och, ich bin ein kreativer Lebemann (lacht).

Mittlerweile veranstaltet ja jedes Dorf irgendwie mal einen Poetry Slam. Und es gehört zur studentischen Boheme da auch hinzugehen. Wie schwierig ist es für dich den schmalen Pfad zwischen Underground und Mainstream zu beschreiten. Lieber im kleinen Literatur-Café oder in der großen O2-World?

Schau mal, ich bin ja grade zum Beispiel mit der Band "Kommando zurück" unterwegs. Die sind halt total Underground. Viele andere Slammer lassen sich lieber von großen Musikern ins Gepäck nehmen. Ich gehe lieber mit dem Schmutz auf Tour, als der Schmutz auf der Tour zu sein (lacht). Ey Jan (Mitglied der Band Anm. d. Red.), ich habe dich grade Schmutz genannt und das sogar positiv gemeint (lacht). Und wo ich spiele, ist mir eigentlich egal. Ich trete einfach gerne da auf, wo ich selbst privat auch hingehen würde. Und wenn das ein Festival mit vielen Leuten ist, ist das okay. Die O2 World ist es der Definition nach dann eher nicht.

Deine Geschichten sind oft dramatisch, egozentrisch, ein kleines bisschen verrückt. Nicht selten holt die Pointe die Zuschauer mit einer verrückten Wendung wieder ab. Als Paradebeispiel dient einfach mal die Nummer mit Karla in der Geisterbahn oder die, wo das lyrische Ich von seiner Freundin Frieda erzählt. Ist das etwas, was dich charakterisiert? Das Überraschende und Egozentrische?

Es fängt oft real an und irgendwann kommt dann die Abstraktion. Manchmal kommt das, was man mit der Geschichte verdeutlichen will, besser raus und manchmal eben nicht. Beim Schreiben selbst hab ich da einfach kein Dogma. Ich bin relativ frei. Und deshalb passieren Dinge da einfach. Manchmal bin ich sogar selbst am Ende überrascht, was dabei raus gekommen ist.

Könnte man sagen, dass du für Veranstalter eine kleine Wundertüte bist, weil man bei dir nicht immer sicher sein kann, was du genau auf die Bühne bringst? Wann entscheidest du, was du liest und passt du dein Programm an den Ort, an dem du spielst, an?

Ich überlege fünf Minuten vor dem Auftritt, was ich lesen will. Meistens ist es dann das, was ich letztes geschrieben habe mit dem persönlichsten Bezug. Da ist man dann einfach am nächsten noch dran. Deshalb lese ich das am Liebsten als Erstes vor. Der Rest ergibt sich dann. Ich erfülle Wünsche, indem ich die Zuschauer frage, was sie hören möchten. Weit vorher weiß ichs also nicht. Aber grundsätzlich tue ich schon das, wofür der Veranstalter mich gebucht hat. Wenn ich eine Lesung mache, lese ich, wenn ich ein Theaterstück mache, spiele ich Theater und so weiter. Ein bisschen kann man sich also schon auf die Form einstellen. Vielleicht auf den genauen Inhalt nicht so wirklich (lacht).

Abschließend, was war der schlechteste Ostfriesenwitz, den du zuletzt gehört hast?

Ich verdränge so was (lacht). Ich finde aber alle Witze schlecht, bei denen man den Ostfriesen durch jede andere Randgruppe ersetzen könnte. Das finde ich dann nicht witzig. Wenn es aber explizit z.B. um das flache Land geht oder das Wattenmeer, also wenn es mit Ostfriesland zu tun hat, dann finde ich die meistens gut.

Vielen Dank für das Gespräch.


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