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28.07.2016 Julia Nemesheimer Julia Nemesheimer
Amphi-Festival 2016

Sommer, Sonne, Festival

​Was will man mehr: Am vergangenen Wochenende konnte man in Köln am Tanzbrunnen, direkt auf der gegenüberliegenden Rheinseite zum Dom gelegen, beim zwölften Amphi-Festival feiern. Das Wetter war weitestgehend sonnig, sehr warm und die Musik wusste auf drei Bühnen zu überzeugen. hunderttausend.de war mit dabei. 

 
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Das vorletzte Juli-Wochenende steht seit einigen Jahren ganz im Zeichen der schwarzen Szene in Köln. Um die 12.000 Besucher zählte das Festival 2016 und 39 Bands (nach dem kurzfristigen Ausfall von One I Cinema) plus DJs sorgten tags wie nachts für beste Unterhaltung. Zwar beginnt der Samstag mit dem gerade erwähnten Entfall, grauem Himmel, hoher Luftfeuchtigkeit und leichtem Regen, doch davon lässt sich kaum einer die Laune verderben – insbesondere bei der folgenden sonnigen und vor allen Dingen trockenen Festivalzeit ab dem späten Nachmittag bis zum Ende.

Doch weg vom Wetter hin zur Location. Wie bereits im Vorbericht angesprochen, ging es in diesem Jahr „zurück nach Hause". Nach dem kurzen Ausflug in die Lanxess Arena also 2016 wieder im bewährten Tanzbrunnen. Drei Bühnen bieten ein abwechslungsreiches Programm, aber auch viel Hin und Her. Die MS Rheinenergie hat mit der Orbit Stage eine besondere Konzertatmosphäre geschaffen, das Schiff war erstaunlicherweise im Verlauf des Wochenendes nie absolut überfüllt, dank des ständigen Transits gab es hier keinen Einlassstop. Durch die gut funktionierende Klimaanlage fand man hier, gerade sonntags, eine willkommene Abkühlung und erstaunlich frische Luft. Einziges Manko: Der Weg gestaltete sich, je später der Abend und je mehr man getanzt hatte, doch als recht weit und die unterschiedlichen Gastronomie-Betriebe führten zu einigem Hick-Hack mit den unterschiedlichen Flaschen oder Bechern. Ausgesprochen lobenswert war das wirklich leckere und verhältnismäßig günstige Essen an Bord inklusive Sitzplätzen und Tischen, das sicherlich den ein oder anderen dazu verleitete, sich hier zu stärken.

Ganz anders sah es bei der Theater Stage aus. Hier bildete sich oft eine sehr lange Schlange und vielfach kam es vor, dass bei den beliebteren Bands einige Fans vor der Tür bleiben mussten und der Eingang zum Gebäude vor dem Tor des eigentlichen Geländes lag. Bevor man also in der Schlange stehen konnte, musste man erst raus auf die Rheinauen, um einige Meter entfernt das Theater zu betreten und später wieder im Tanzbrunnen rauszukommen. Auf dem Weg dorthin (auch zum Schiff) durfte man sich zum x-ten Mal einer leidigen, aber in der heutigen Zeit notwendigen, Taschenkontrolle zu unterziehen. Während die Kontrollen also durchaus nachvollziehbar sind, stellt sich doch die Frage, weshalb man sich nicht wenigstens eine ersparen konnte.

Die Main Stage bot soweit das zu beurteilen ist, immer einen angenehmen Blick auf die Bühne, die pilzartigen Sonnen- und Regenschirme gewährten auch dem Publikum einige geschützte Plätzchen. Auch Händler-, Essens- und Getränkestände fanden natürlich ihre Plattform und konnten sich an diesem Wochenende, gerade die Händler, über neue Bekanntschaften und entsprechende Umsätze freuen.  

Um nun also zum eigentlichen Punkt, der Musik, zu kommen, sei vor weg gesagt, dass es teilweise wirklich schwierig war, sich zu entscheiden, was man denn hören wollte. Die Problematik stellt sich natürlich bei vielen Festivals, weswegen unsere persönliche Auswahl für uns eigentlich durchweg überzeugt hat. Mono Inc. als Größen der Szene fand zumindest für kurze Zeit und den Einstieg unser Gehör, wobei aber zeitgleich Lebanon Hanover zur Orbit Stage lockten und der Bühnenwechsel hatte sich gelohnt. Reduzierte Sounds mit unterkühlt vorgetragenen Texten, die zwischen deutsch und englisch wechseln und zwischen Melancholie und sarkastischer Unterhaltung pendeln.  Es folgte einer der wenigen Zutritte ins Theater und die letzten EBM-Klänge des schwedischen Duos Spetsnaz läuteten gerade die Umbaupause für Aesthetic Perfection ein. Die halbe Stunde erschien bei den überschaubaren Elementen etwas lang, macht aber durchaus Sinn, wenn man den Transitverkehr und den allgemeinen Timetable mit bedenkt. Das Warten lohnte sich in jedem Fall, wie bereits in Hamburg lieferte Daniel Graves, diesmal nicht nur in Begleitung von Elliott Berlin (Keyboard), sondern auch von Tim van Horn (Drums), eine energiegeladene Show ab, die visuell sehr neblig war, aber musikalisch voll überzeugte. Besonderes Schmankerl war die neue Single LAX, die an diesem Wochenende veröffentlicht worden war und direkt auf ihre Live-Qualitäten getestet wurde. Daneben „überraschte" auch Sven Friedrich von Solar Fake, der bei Never Enough mal eben die Bühne enterte und gemeinsam mit Daniel performte.

Nach dem Gig raus aus der Halle, rein ins Sonnenlicht. Peter Heppner, den viele durch Wolfsheim auch aus dem Radio kennen dürften, legte einen musikalisch ausgesprochen hervorragenden Gig hin und sorgte eine Stunde lang für verzückte Gesichter vor der gut gefüllten Main Stage.

Den Abschluss bildete an diesem Samstag zwar Blutengel auf der Hauptbühne, doch Nosferatu erschienen auf der Orbit Stage dann doch attraktiver. Die Veteranen zeigten erwartungsgemäß vor dem abendlichen Party-Programm was in ihnen steckt.

Der Sonntag begann früh morgens bereits mit xotox. Das Musikprojekt von Andreas Davids sollte dann auch der letzte Gig sein, der an diesem Tag von der hunderttausend.de – Redaktion im Theater gesehen wurde. Um 11:00 Uhr konnten die elektronischen Beats die letzte Müdigkeit hervorragend vertreiben. Nach kurzem Frühstück direkt am Rhein war der Wechsel zur Orbit-Stage goldrichtig. XMH spielte als Opener und brachte das Schiff zum Wackeln. Um 13:20 Uhr war der Raum vor der Bühne gut gefüllt und die Holländer überzeugen mit einer Mischung aus Techno und Industrial. Ihre Performance dürfte bei den Anwesenden eine bleibende Erinnerung geschaffen haben.

Wechsel zur Hauptbühne, Solar Fake entern jetzt diese Stage und gewinnen mit ihrer herzlichen Art, voran natürlich Sänger Sven Friedrich, die Herzen des Publikums trotz kurzfristig streikender Technik. Es folgt Suicide Commando, die Combo feiert in diesem Jahr ihr 30jähriges Bandjubiläum und weiß dies mit einer entsprechenden Best-Of-Show zu würdigen. Gleichaltrig und mit ähnlichem Konzept plus neuem Album präsentieren sich auch die Schweden von Covenant, die zu einigen Entscheidungsproblemen führten, weswegen der Besuch dieses Auftritts von hunderttausend.de in der Mitte unterbrochen wurde, um sich Faderhead auf der MS Rheinenergie zu Gemüte zu führen. Und damn, was ein Abriss. Zum Glück gehen beide Acts im Herbst gemeinsam auf Tour, sodass man das jeweils verpasste in einem Package nochmal nachholen kann.

Statt Project Pitchfork verblieben wir auf dem Boot und entspannten ein wenig zu Escape with Romeo. Das Trio, ebenfalls mit Veteranenfaktor, bezeichnet seinen Musikstil selbst als „Post Punk meets modern Electronica".

Doch jedes Festival geht mal zu Ende und den krönenden Abschluss mit den Editors konnte man sich kaum entgehen lassen. Softere, rockigere Indie-Klänge mit einigen Elementen aus New Wave und Post Punk versehen gepaart mit der tiefen Bariton-Stimme von Tom Smith und melancholischen Texten lockten etliche Zuschauer vor die Mainstage. Besonders bekannt in der Szene ist der Song „Papillon", der kurz vor Schluss angestimmt wurde und zu entsprechenden Reaktionen führte.

Die Party ging danach offiziell noch bis 4:00 Uhr weiter, doch für viele war gegen 22 Uhr Schicht im Schacht, die normale Arbeitswelt lässt sich schließlich nicht ewig aussperren.

Wie immer war es ein Erlebnis – so viel zu sehen, faszinierende Kostüme, durchweg gute Musik und die ein oder andere neue Bekanntschaft und vieles mehr warten auf eine Fortsetzung beim XIII. Amphi-Festival.

Erste Infos dazu gibt es ab Mitte August. In diesem Sinne: Bis nächstes Jahr. 

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