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28.05.2019 Jana Ernst  
Trier English Drama

Nine? Nein!

​​Die englischsprachige Theatergruppe Trier English Drama führt aktuell Greg Allens Stück Too Much Light Makes The Baby Go Blind​ auf. hunderttausend.de war zu Gast bei einem rasanten Abend zwischen Komödie, Gesellschaftkritik und Drama.

 
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​Wie passen Gesellschaftskritik, eine Blaupause für das Horror-Genre, Macbeth und das German 101 ​in ein Theaterstück? Richtig. Überhaupt nicht. Umso besser passen diese und mehr Themen aber in einen Abend mit 30 kurzen Stücken. Ganz grob zusammengefasst ist das nämlich der Plot von Greg Allens Too Much Light Makes The Baby Go Blind. Im Original werden 30 Theaterstücke in nur 60 Minuten aufgeführt - für die genaue Zeiteinhaltung sorgt eine unbarmherzig tickende Uhr im Bühnenbild. Die junge Theatergruppe Trier English Drama​ hat sich etwas mehr künstlerische Freiheit herausgenommen und unterhält das Publikum in 90 bis 120 ​​kurzweiligen Minuten. Im Hinblick auf die Spielregeln richtet man sich aber ganz nach dem amerikanischen Vorbild. Damit jeder Bescheid weiß, werden diese zu Beginn des Abends von Schauspielerin Cora Riechert erklärt: Jedes Stück beginnt mit dem Wort „Go“ und endet auf „Curtain“. Sobald der metaphorische curtain gefallen ist, sind die Zuschauer dazu aufgefordert eine Nummer für das nächste Stück zu rufen. Als Hilfestellung dient hier das Programmheft, das in einem Menu einen Überblick über alle 30 Stücke gibt.​​​

Wie aber funktioniert das in der Praxis? „First number?“, fragt Cora Riechert. “Six“ lautet die Antwort, wie aus der Pistole geschossen. Die Zuschauerbeteiligung funktioniert schon mal. Also startet der Abend mit number six, The Voices of Walter Schumann. Curtain. Eight! Two! Twenty-Seven! Nine! – Nine? Nein. Nein? Verwirrtes Schweigen, dann ein vorsichtiger neuer Versuch. One! Twenty-two! Munter spielen sich Zuschauer und Schauspieler in zufälliger Reihenfolge durch das Menu und den Abend. Was genau sich hinter den Zahlen und Titeln verbirgt, das soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Ist es doch genau diese Ungewissheit von Inhalt und Reihenfolge, die den Charme der Vorstellung ausmacht. Und, verrät Schauspieler und Ko-Regisseur Christian Lühr im Anschluss, sie ist auch die größte Anforderung an die Darsteller. Die Reihenfolge ändere sich bei jeder Aufführung und sei allein von den Zuschauern abhängig, erklärt er weiter. Schnelles Umschalten ist die Grundvoraussetzung, die die jungen Darsteller durchweg mit Bravour erfüllen.

Auch ohne große Rechenbegabung ist von Anfang an klar: Besonders lang können die einzelnen Stücke nicht sein. Es schlichen sich vorab Bedenken ein, der Abend könnte reich an Hektik, dafür aber arm an Sinn sein. Doch schon nach kurzer Zeit wird klar, diese Ängste sind völlig unbegründet. Obwohl die Dauer der einzelnen Stücke nur zwischen wenigen Sekunden und Minuten rangiert, so nehmen sich die Darsteller genug Zeit alle Geschichten auszuerzählen. Den gesamten Abend über ist es faszinierend zu sehen wie viel Bedeutung in so kurzer Zeit und gelegentlich sogar völlig nonverbal transportiert werden kann. Thematisch deckt der Abend das gesamte Repertoire des Geschichtenerzählens ab: von Slapstick über Gesellschaftskritik bis hin zur Essenz des Lebens. Manche Stücke gehen ihr Thema sehr direkt an, andere bieten dagegen viel Raum für Interpretation und lassen den Zuschauer erst einmal verwirrt zurück. Stoff für die Unterhaltung auf dem Heimweg oder beim abschließenden Gläschen Wein ist in jedem Fall reichlich gegeben. 


Weitere Termine:

  • Donnerstag, 06. Juni, 20 Uhr
  • Freitag, 07. Juni, 20 Uhr​​

Vorverkauf: ​10,00 Euro (7,00 ermäßigt)


Foto: Tom Klein

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