Interviews
16.06.2015 Nemesheimer/Sarnelli Vincenzo Sarnelli
Interview Jared Hart/The Scandals

"Ich verirre mich immer"

​Kurz vor dem Auftritt als Support von The Gaslight Anthem am vergangenen Freitag, den 12. Juni 2015, hatte hunderttausend.de die Gelegenheit, sich mit dem Sänger der Punk-Rock-Band aus New Jersey zu unterhalten.​

 
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​Hey Jared, wir haben erstmal ein paar Kurzfragen für dich: Was machst du als Erstes am Morgen?

Wieder schlafen legen (lacht). Früh am Morgen ist echt nicht cool. Vielleicht noch aufs Handy gucken, aber dann definitiv wieder hinlegen. 

Digital oder Analog?

Mehr Analog. Digitales wird aber heutzutage auf jeden Fall gebraucht. Aber ich liebe schwarz-weiß Bilder von einer analogen Kamera. Deutlich cooler als Digital. 

Fahrrad oder Zug?

Ich hasse den Zug. Definitiv Fahrrad.

Du bleibst in einem Aufzug stecken. Lieber mit Johnny Cash oder John Lennon?

Johnny Cash. Vor allem an seinen guten Tagen, wenn er Party gemacht hat. Das wäre bestimmt spaßig. 

Für was gibst du zuviel Geld aus?

Schallplatten. Also Vinyl. 

Und für was kann man nie genug Geld ausgeben? 

Musik von anderen Musikern. Ich geh gerne zu Konzerten von Freunden und anderen Künstlern, kaufe mir Merchandise und so, wenn die auf Tour sind. Andere Bands kann man gar nicht genug unterstützen.

Werden wir dramatisch: Morgen ist das Ende der Welt. Was machst du heute Abend?

Wenn ich hier wäre? Ich denke mal, man kann eher nicht heim fliegen, wenn morgen das Ende der Welt ist, oder? Na dann: Einfach los lassen. Essen und trinken, was um einen herum ist. Vielleicht mich selbst ein bisschen beruhigen. (lacht)

Und was gäbe es dazu zu trinken?

Einen netten Hendrix und nen Club Soda.

(Im Hintergrund lacht Brian Fallon, Sänger von The Gaslight Anthem)

Hey, magst du keinen Hendrix, oder warum lachst du mich aus?

Brian Fallon: Ne. Ein Hendrix ist super. Aber Club Soda?

Club Soda hat wenig Kalorien, ich muss auf meine Linie achten

Fallon: Stell dich nicht so an. Du bist 24.

Ja, aber nicht mehr lange. Also lach mich nicht aus.

Fallon: Konzentrier dich auf dein Interview! (alle lachen)

Es ist doch nicht das Ende der Welt, sondern eine Zombie Apokalypse. Welche Rolle übernimmst du in der Gruppe der Überlebenden?

Am ehesten bin ich wohl der Witzbold in der Runde. Ich bin nicht gut in Geographie und so. Ich verirre mich immer. Also fällt das schon mal weg. Ich hab jetzt auch nicht so viele Überlebenstipps parat. Also bleib ich bei Witzbold.

Kommen wir zu etwas ernsteren Fragen. Du hast bei einigen Songs mit Brian Fallon zusammen gearbeitet. Wie hat sich diese Arbeit ausgewirkt und warum grade er? 

Es ist seine positive Ausstrahlung (lacht). Nee, im Ernst. Das Beste war, dass ich die Songs, an denen wir gearbeitet haben, schon innerlich fertig hatte. Ich hatte dann von ihm die Meinung eines Außenstehenden, der meine Sicht auf die Dinge noch mal etwas verändert, ja gar gebrochen hat. Das war eine große Hilfe. Die Songs haben sich auf Grund dieses Inputs auch nochmal zum Besseren verändert.

Du hast die Band vor elf Jahren gegründet, seit drei Jahren besteht sie in dieser Konstellation. Wie läuft das Band-intern eigentlich ab, wenn ihr mal musikalisch unterschiedlicher Meinung seid? 

Es kommt sicher auf das Problem an. Sean (Carney, Bass; a.d.R.) und ich können aber grundsätzlich echt dickköpfig sein, was das Musikalische angeht. Wir beide haben den meisten Einfluss auf das Songwriting bei uns. Ich habe ihn kennen gelernt, als er der Haupt-Songwriter einer anderen Band war. So kommen bei uns zwei Persönlichkeiten zusammen, die manchmal kollidieren. Aber wir sind auch sehr gut darin, Kompromisse zu finden. Selbst wenn wir uns im Prozess manchmal gegenseitig anschreien und wir uns gegenseitig viele Demos hin und her schicken, kommt meistens das Beste dabei rum. 

Du warst 14 Jahre alt, als du die Band gegründet hast. War damals schon klar, dass es dein Wunsch ist, von deiner Musik leben zu können? Also, dass du von Beruf Musiker wirst? 

Noch kann ich leider nicht vollständig davon leben. Aber grundsätzlich wollte ich das schon immer. Ich habe vielleicht erst später angefangen zu verstehen, dass es auch wirklich klappen könnte, mit einer Musiker-Karriere. Ich wäre deshalb fast nicht aufs College gegangen. Im Nachhinein muss ich meinen Eltern danken, dass sie mich in den Arsch getreten haben und ich doch gegangen bin. Das wäre echt dumm gewesen. Grundsätzlich war das Musik-Ding aber das Einzige was ich wirklich machen wollte. Es gab niemals einen anderen Job, wo ich dachte, dass ist es, was ich den Rest meines Lebens machen will. Und deshalb habe ich irgendwann meine Energien und Entscheidungen in diese Richtung gelenkt. Ich habe zwar mal Kunst an einer Schule unterrichtet, wäre vielleicht auch noch ne Alternative gewesen, aber das war es dann auch. 

Es gibt im Fernsehen eine Menge Casting-Shows. Wie stehst du dazu? Findest du, dass das ein legitimer Weg ist, um berühmt zu werden?

American Idol oder sowas? Diese Shows sind echt zwiespältig. Ich dachte immer, dass wäre totaler Bullshit. Aber viele Leute gucken sich das an und die Künstler, die da mitmachen, sind oft richtig, richtig gut. Und ich denke, dass die Leute eh Pop-Musik konsumieren werden, egal ob es so eine Show gibt oder nicht. Ich würde auf jeden Fall nicht mitmachen, weil ich keine Lust hätte immer Songs von anderen Leuten zu singen. Coversongs und dann die Sachen, die dir von den Produzenten geschrieben werden. Ich wäre damit nicht zufrieden. Aber es gibt ein paar Songs von Carrie Underwood, die ich cool finde (lacht). 

Du spielst manchmal auch kleine Akustik-Konzert. Wenn du wählen müsstest: Lieber Akustik-Show oder Punk-Rock-Show?

Oh, da kann ich, glaub ich, nicht wählen. Das sind komplett unterschiedliche Sachen. Es kommt immer auf den Tag an. Die Punk-Shows zum Beispiel sind intensiv, heiß und schwitzig. Bei Akustik-Shows kriegst du auf der Bühne nicht diese Energie ab. Oder vielleicht eine ganz andere Art von Energie. Wenn da 100 Leute stehen und jeder hängt an deinen Lippen und achtet auf die Show, dann ist das auch intensiv. Die Leute rennen vielleicht nicht im Kreis oder hüpfen herum, aber irgendwie teilt man etwas miteinander. Einen speziellen Moment. Ich könnte also echt nicht zwischen den beiden Alternativen wählen.

Im März 2014 habt ihr auch eine Show in Trier im Exhaus gespielt. Du hast uns eben verraten, dass du davon aber nicht mehr soviel weißt. Was ist passiert? 

Die Location und die Show waren richtig cool. Aber es ist ja eigentlich so, dass ich auf Tour nicht so viel trinke und feiere, vor allem wenn es ein früher Termin ist, wie in Trier. Da muss ich meine Stimme schonen. Aber irgendwie ist sowas passiert, dass wir mit den Leuten viel über Musik geredet haben und einfach ein cooler Abend draus wurde. Und irgendwie ging dann alles doch den Bach runter (lacht). Wir haben tolle neue Leute getroffen, das weiß ich noch. Es war ein richtig guter Abend. Wenn ich mich recht erinnere, sind wir noch zum Burger King gelatscht, damit wir W-Lan kriegen und so. Alle unsere Freundinnen waren angepisst, weil wir uns sechs Tage nicht gemeldet hatten, weil wir kein W-Lan hatten (lacht).

In einem anderen Interview haben wir gelesen, dass ihr mal ausgeraubt worden seid. Und das auch noch 3000 Meilen von Zuhause weg. Erzähl mal… 

​Au Mann. Das war 2011. Das war unsere erste Tour, die ich selbst organisiert hab. Unser Traum war es, irgendwann in Kalifornien zu spielen. Wir waren da als Kinder immer im Urlaub. Und deshalb wollten wir da unbedingt spielen, in dem Staat wo viele Punk-Rock-Bands, die ich selbst liebe, ihre Karrieren begonnen haben. Wir hatten vorher sechs Shows in Las Vegas gespielt. Wir waren alle noch keine 21 (lacht). Wie gesagt, hatte ich ja alles selbst organisiert. Danach sind wir dann nach Kalifornien gefahren, genauer gesagt nach San Diego. Für uns, die wir aus New Jersey kommen, ist das fast in Mexico. Wir waren also richtig weit von Zuhause weg. Wir haben in einem Hotel übernachtet, das eigentlich ziemlich okay aussah. Unser, extra für die Tour gemieteter, Van war vollgepackt und alle Türen verschlossen. Wir haben dann im Hotel ein paar Bier getrunken und sind darüber im Zimmer eingepennt. Eigentlich hat immer einer im Van geschlafen, um unsere Sachen zu bewachen, aber ausgerechnet an diesem Abend natürlich nicht. Als wir dann am nächsten Morgen aufgewacht sind, war alles weg. Auch der Van. Das war auf jeden Fall ein Tag, der in die Top 5 meiner schlimmsten Tage in meinem Leben eingegangen ist. Wir haben uns dann einen anderen Van besorgt und sind nach New Jersey gefahren. Wir mussten einige Shows absagen. Viele unsere Freunde haben uns dann Gitarren und Amps und so geliehen, damit wir die restlichen Konzerte doch noch spielen konnten. Am Ende waren wir dann alle froh, als wir endgültig zuhause waren. Leider machen viele Bands solche Erlebnisse mit. Uns hat es sicher mehr zusammengeschweißt. Wir haben uns davon nicht ins Bockshorn ​jagen lassen. Wir stehen noch immer auf der Bühne. Aber ein Spaß war es eher nicht. 

Danke für das Interview und viel Erfolg beim Auftritt!

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