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18.03.2019 Christian Jöricke Christian Jöricke
Roland Kaiser in der Arena Trier

Schlager mit Stil

​Während einige Kollegen von damals nur noch im „Dschungelcamp“ oder bei „Promi Big Brother“ in Erscheinung treten, füllt er auch über 40 Jahre nach seinem ersten Hit noch die größten Hallen. So wie am vergangenen Freitag: Am Tag, als sein neues Album „Alles oder Dich“ erschien, trat Roland Kaiser vor 4000 Besuchern in der Arena auf.

 
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Reality-Shows sind auch für einstige Schlagergrößen der letzte Versuch, die Karriere noch einmal anzukurbeln. Costa Cordalis, Bata Illic, Gunter Gabriel, Tina York, Peter Orloff, Nino de Angelo – sie alle waren Stars in den 80ern, die danach nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen konnten und in den vergangenen Jahren den unwürdigen Weg ins Erniedrigungsfernsehen beschritten. 

Roland Kaiser als Teilnehmer bei „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ist undenkbar. Als Kapitän im „Traumschiff“ oder als Chefarzt in einer Krankenhausserie vielleicht, aber nicht im Trash-TV. Kaiser hat Stil und ist kultiviert. Das spiegelt sich nicht nur in seiner Garderobe wider – seit Anfang der 80er Jahre trägt er auf der Bühne und im Fernsehen fast ausnahmslos Dreilteiler –, sondern auch in seiner Aussprache. Kaiser artikuliert klar wie ein „Tagesschau“-Sprecher. Zudem zeigt er öffentlich Haltung und engagiert sich in vielen sozialen Bereichen.

Kaiser ist aber auch auf solche Formate wie „IBES“ nicht angewiesen. Er hatte mehr Hits, als all die genannten Musiker zusammen. So kann er es sich sogar leisten, nach einer Stunde als letzte Nummer vor der Pause sein erfolgreichstes Stück zu singen. Zu diesem Zeitpunkt herrscht längst Après-Ski-Stimmung in der Halle. Bevor er „Umdada, umdada, umdada, uah“ zu „Santa Maria“ intoniert, bekam das Publikum bereits die Ohrwürmer „Ich glaub’, es geht schon wieder los“, „Flieg mit mir zu den Sternen“ und „Manchmal möchte ich schon mit dir“ geboten.

Als einer der wenigen deutschsprachigen Stars der 70er und 80er hat er die Schlagerverdrossenheit zu Beginn und Mitte der 90er Jahre gut überstanden und sich mit neuen Alben immer wieder neue Zuhörer erschließen können. Das Stück „Warum hast du nicht nein gesagt“ aus dem Jahr 2014 wurde inzwischen 100 Millionen Mal bei Youtube aufgerufen. Daran kommt selbst Helene Fischer nicht heran. Wie beim Duett mit Maite Kelly fällt jedoch auch bei einigen anderen jüngeren Titeln wie „Sag bloß nicht Hello“ auf, dass sie auch für Andrea Berg oder Beatrice Egli geschrieben sein könnten. Textlich und musikalisch hat seit „Egoist“ (2013) kein Hit mehr die Klasse von „Lieb mich ein letztes Mal“ oder „Dich zu lieben“ erreicht.

Auf 27 Studio-Alben kommt Kaiser inzwischen. Sein neustes Werk, auf dem sich mit dem Titelsong „Alles oder Dich“ sogar ein Stück im Stil eines James-Bond-Songs befindet, erschien am Tag des Trierer Konzerts. Zu hören bekommen die Zuschauer in der Arena davon allerdings nur eine Nummer („Stark“), denn die Tour zum neuen Album startet erst in einem Jahr. Bis dahin stehen unter anderem noch 20 Open-Air-Konzerte mit jeweils bis zu über Zehntausend Zuschauern an.
 
Eine vergleichbare Karriere wie Kaiser konnte allenfalls Udo Jürgens vorweisen – der zweite Grandseigneur in diesem Genre. Es passt deshalb auch gut, dass er im zweiten Teil, zu dem er einen anderen Anzug trägt, Jürgens’ Gute-Laune-Nummer „Mit 66 Jahren“ singt.

Eine halbe Stunde vor Schluss stürmen Dutzende Besucher vor die Bühne. Die meisten haben eh schon bei fast jedem Stück gestanden. Kurz vor dem Finale folgt ein zweiter Cover-Song, der jedoch aus dem Rahmen fällt. „Roland, der Kaiser“ (Dieter Thomas Heck) und seine 14-köpfige Band spielen „Rockin’ all over the world“ von Status Quo. Warum? Nur, um die drei (!) Gitarristen auf der Bühne zu rechtfertigen? Oder wäre der 66-Jährige wie Roy Black lieber Rock ’n’ Roller geworden? Zwischen „Stark“ und „Im 5. Element“ wirkt die Nummer zwar stimmungsfördernd, aber wie ein Fremdkörper – ein fliederfarbenes Einstecktuch und gitarrenlastiger Rock ist wie Cola in einem Rotweinglas. Die Auswahl des Songs verwundert umso mehr, als er auf manche eigene bekannte Stücke verzichtet.

Es bleibt bei dieser Ausnahme. Mit den mitreißenden „Joana“ und „Dich zu lieben“ geht es in der Zugabe noch einmal in die 80er, ehe sich der geradlinige Gentleman mit „Bis zum nächsten Mal“ verabschiedet.

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