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09.11.2015 Ralf Hoff  
Affinity Kit

The Twisted Notion

​​​​​​​Ganze drei Jahre war es in der Mache aber nun legen Affinity Kit mit "The Twisted Notion" ihr Langspieldebüt vor. Affinity Kit, das sind Jan Kretzer (siehe Foto), kein Unbekannter für Musikliebhaber aus der Region, und Alexander Stolz. hunderttausend.de hat reingehört. 

 
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​Folkige, gediegene Akustikgitarrenklänge, fernab der nach wie vor allseits begehrten "Ich spiele eigentlich in einer Punk-Band, trage einen Bart, kann bloß vier Akkorde und brülle mehr, als dass ich singe"-Fraktion, waren schon einige Jahre zuvor Jan Kretzers Ding: 2010 war er neben Nicholas Müller, damals noch Frontmensch der damals noch Punkrock-Band Jupiter Jones, Teil der Formation Heisterkamp und hat mit "Schweren Herzens Popmusik" bereits die Grundsteine für das gelegt, was nun mit Affinity Kit seine logische Fortsetzung findet. Dezentes Fingerpicking und harmonischer Gesang, beide getränkt in allgegenwärtige, aber nicht allzu schwere Melancholie, geben den Ton auf "The Twisted Notion" an. ​Zeitweise werden diese untermalt von unaufdringlicher Schlagzeugbegleitung, dezentem Background-Gesang, dem ein oder anderen Zusatzinstrument und subtil eingesetzten Synthies, wie z.B. im eingängigen und ein entspanntes Gefühl hinauf beschwörenden Opener "The North". Es folgt die knackig-kurze Interlude "Miles", im Anschluss wird von "Plans" und dem "New Face" gesungen - den Songtitel nach befinden sich Affinity Kit auf der Reise, haben viel vor und wagen den Neuanfang, scheinbar auch trotz der lange Produktions-Vorgeschichte noch immer nicht am Ziel. Und trauen sich den Mut zum Optimismus: "Don't give up on us." 

Im Song "The Shell" verlassen Affinity Kit die weitestgehend reduzierten Pfade und wagen sich an einen etwas breitwandigeren, eher dem opulenterem Indie-Pop als bloßer Akustikmusik zugewandtem Sound, der ihnen aber auch gut zu Gesicht steht und die Klippe der Überproduktion gekonnt umschifft. Markenzeichen der genretypischen sehr cleanen Produktion, bei der es mitunter schwer fallen mag, echte prägnante Höhepunkte auszumachen, ist die warme, gemütliche Stimme von Jan Kretzer, die zweifelsohne im Vordergrund stehen soll, nicht in der Musik untergeht, aber sich auch nicht widerborstig dem Dienst am Song entgegenstellt. Harmonie ist das Stichwort und "The Twisted Notion" passt hervorragend zu den letzten warmen ​Sonnenstrahlen des Jahres, die durch das bunte Herbstlaub schimmern  - das klingt pathetisch, aber diese Kombination macht durchaus Sinn: Niemand weiß so ganz genau, wo die Reise hingeht, wie hart der kommende Winter sein mag, aber trotz aller Zweifel und gelegentlicher Trauer bleibt ein gewisser Grundoptimismus immer bestehen. 

Wenn man dem Herzensprojekt Affinity Kit und seinen Musikern überhaupt einen Vorwurf machen könnte, dann ist es das Fehlen des ganz großen Aha-Moments: Berührend und angenehm hörbar ist jede der zwölf Nummern, die umarmen und trösten können, wenn man sie lässt, richtig zwingend wird die Platte jedoch selten. Muss sie aber vielleicht auch nicht, denn ​als guter Freund für die gediegenere Zeit des Jahres, in der man sich eventuell nicht unbedingt anbrüllen lassen oder mit die volle Aufmerksamkeit forderndem Math-Core oder Free Jazz beschäftigen möchte, eignet sich "The Twisted Notion" wunderbar. 

Anspieltipps: "The North", "The Shell"

Foto zVg: Affinity Kit

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