Stadtgespräch
24.04.2014 Jörg Halstein Veranstalter
Philharmonie Luxemburg

Orchestraler durch 2014/2015

​Auch im neunten Jahr fährt die Philharmonie zu Luxemburg ein für die Region spektakuläres Saison-Programm auf: Doch bei allen großen Namen stellt der neue Generaldirektor Gehmacher die Weiterentwicklung der nunmehr "eigenen" Symphoniker betont heraus.
 
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​Ausgerechnet die Ministerin für Kultur hatte kurzfristig abgesagt: Madame Nagel weilte bei dringenden Budget-Verhandlungen der neuen luxemburgischen Regierung. Es ist stark anzunehmen, dass Philharmonie-Präsident Pierre Ahlborn und Generaldirektor Stephan Gehmacher "ihrer" Ministerin besonderes Verhandlungsgeschick wünschen, schließlich war die Philharmonie dem Staat 2013 satte 20 Millionen Euro wert - bei einem Gesamtetat von 26 Millionen Euro eine nicht ganz unwesentliche Zuwendung.

Ungeachtet der möglicherweise nicht mehr ganz so rosigen wirtschaftlichen Zukunft schaut die Philharmonie auf eine positive Entwicklung zurück: Mit über 161.000 Besuchern habe man 2013 den zweitbesten Wert seit der Gründung 2005 erzielt. Nur im Jahr 2007 - damals war Luxemburg europäische Kulturhauptstadt - kamen etwa 7.000 Besucher mehr. Auch bei der Zahl der eigenen Veranstaltungen schrieb die Philharmonie im zurückliegenden Jahr einen Rekord: 272 - hinzu kommen noch 80 Veranstaltungen der OPL sowie 73 anderer Veranstalter - insgesamt also 425.

Stephan Gehmacher, seit September 2013 als Generaldirektor im Amt, hatte sich bei seinem Amtsantritt zum Ziel gesetzt, die bereits Anfang 2012 vollzogene Fusion von Philharmonie und dem luxemburgischen Philharmonie-Orchester (OPL) müsse nun "mit Leben gefüllt werden". Da wundert es nicht, dass der vormalige Manager der Symphoniker des Bayerischen Rundfunks der Präsentation seines ersten Saison-Programms 2014/15 zahlreiche OPL-Konzerte unter seine insgesamt 13 persönlichen Empfehlungen (siehe unten) packte. Dass sich das OPL nun auch in der Saisonbroschüre der Philharmonie findet (und nicht mehr in einem eigenen Druckerzeugnis) - ein weiteres Signal dafür, dass hier etwas zusammenwachsen soll.

Für den Philharmonie-Präsidenten Ahlborn geht es aber in Sachen Orchester weit über eine interne Fusionsangelegenheit hinaus: Er möchte, dass das OPL auch außerhalb der luxemburgischen Grenzen wahrgenommen wird, als "Botschafter Luxemburgs". Er sei sich sicher: "Die Qualität ist da, um den nächsten Schritt zu nehmen". Schon im November kann sich das luxemburgische Philharmonieorchester beweisen, wenn es auf eine 7-tägige Deutschland-Tournee geht (mit fünf Konzerten in Hannover, Köln, Regensburg, Friedrichshafen und München).

Jetzt muss die Philharmonie nur noch einen Nachfolger für ihren Chef-Dirigenten Emmanuel Krivine finden, der zum Ende der Saison 2014/15 das Haus am Kirchberg verlässt. Gehmacher sei aber sicher, "noch vor dem Sommer einen Namen nennen zu können".

Die Empfehlungen des Generaldirektors:

* Am 19. September 2014 eröffnet das OPL die neue Saison mit einem Konzert im großen Saal. Den Taktstock schwingt zum Auftakt seiner letzten Saison derMusikdirektor Krivine höchstselbst. Er wird sich wenige Monate später, am 5. Juni 2015, wiederum am Dirigentenpult von der Philharmonie verabschieden und lässt es sich nicht nehmen, mit "Also sprach Zarathustra" Farewell zu sagen.

* Ein ganzer Tag im Zeichen des Orchesters - mit zahlreichen Einblicken hinter die Kulissen. "Orchestramania" war beim Debüt 2013 ein derartiger Publikumserfolg, dass die Veranstaltung am 27. September 2014 erneut auf dem Programm steht.

* Kammermusikalischer Höhepunkt der unkonventionellen Art ist für den 15. Oktober angekündigt: "quartet-lab" bringt u. a. mit Patricia Kopatchinskaja und Pieter Wispelwey Streichmusiker gemneinsam auf die Bühne, die eigentlich als exzellente Solisten gelten. Die internationale Presse überschlägt sich jedenfalls mit begeisterten Kritiken.

* Am 4. November besuchen Les Arts Florissants erstmals die Philharmonie. Das vor 35 Jahren von William Christie gegründete Ensemble gilt als Autorität für französische Barock-Musik und bietet anlässlich des 250. Todestages von Rameau ein Ballet-Konzert: "Rameau, maître à danser".

* Eine Woche später ist das OPL unter der Leitung des erst 25-jährigen AmerikanersJoshua Weilerstein zu hören (am 11. November), bevor das Orchester über Eindhoven auf die bereits erwähnte Deutschland-Tournee geht. 

* Am 24. November besucht Herbie Hancock Luxemburg. Muss man mehr dazu sagen? 

* Erster großer Höhepunkt im neuen Jahr: Am 12. Januar 2015 spielt das London Symphony Orchestra unter dem großen Simon Rattle ein erst spät wieder entdecktes (oder vielmehr: rehabilitiertes) Schlüsselwerk von Robert Schumann: "Das Paradies und die Peri". 

* Die erfolgreiche neue Reihe "Aventure+", die sich als das "junge Format des OPL" versteht, wartet in dieser Saison mit vier (statt nur drei) Konzerten auf. Am 16. Januar 2015 steht das zweite Konzert der Reihe ganz im Zeichen Luxemburgs, z. B. mit Hy-Khang Dangs Orchestervariationen über zwei Luxemburger Volkslieder. 

* Dass die Philharmonie über eine Orgel verfügt, dürfte dem einen oder anderen bekannt sein. Am 5. Februar 2015 besteht eine von insgesamt drei Gelegenheiten, sie im Laufe eines Konzerts zu hören: Thierry Escaich spielt, begleitet von der französischen Jazz-Ikone Richard Galliano (am Akkordeon natürlich): "Bach dans tout ses états". 

* Die in Rumänien geborene Luxemburgerin und Wahl-Kölnerin Larisa Faber, neu an der Philharmonie, wird als Schauspielerin in den musikalisch begleiteten Jugendaufführungen (z. B. am 7. und 8. Februar 2015, "Fréjoer/Printemps/Spring") mitwirken. Weil sie ihrer Biographie eine beeindruckende Vielsprachigkeit zu verdanken hat (ihre Schauspielausbildung genoss sie in England), reift die Idee des neuen Generaldirektors, künftig auch englischsprachige Jugendaufführungen ins Programm zu nehmen, aktuell deutlich schneller. 

* Am 13. April beginnt der dreitägige Beethoven-Zyklus mit dem niederländischenRoyal Concertgebouw Orchestra unter der Leitung von Iván Fischer. Wer ausgerechnet dann keine Zeit hat, kann diesen Zyklus bei lediglich zwei weiteren Gelegenheiten sehen. In Seoul und in Tokio. Die Reisekosten könnten abweichen.

* Am 30. April 2015 ist Gregory Porter in der Philharmonie zu Gast, der womöglich bemerkenswertes Jazz-Sänger, den die USA in den letzten Jahren hervorgebracht haben. Der Mann mit der warmen Soulstimme (sowie dem Bart und der ungewöhnlichen Kopfbedeckung) hüpft aber nicht so einfach für ein flottes Konzert vorbei, sondern wird gemeinsam mit dem OPL, das eigene Arrangements für ihn bereit hält, vor dem abendlichen Vergnügen ordentlich schuften.

* Das große Philadelphia Orchestra, vor drei Jahren noch kurz vor der Pleite, lebt wieder. Dank Zuwendungen der William Penn-Stiftung in Millionenhöhe - und dank seines neues Leiters, dem kanadischen Dirigenten Yannick Nézet-Séguin. Am 21. und 22. Mai 2015 gastieren die Nordamerikaner in Luxemburg, einmal gibt's Muhly, Schostakowitsch und Rachmaninov, tags drauf Brahms, Beethoven und Strauss. ​

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