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24.04.2013 16vor.de Marco Piecuch
Der Fluch Falco

"Out of the Dark"

​Am vergangengen samstagabend, den 20.04.2013 wurde "Falco - The spirit never dies" im Theater Trier uraufgeführt. Das Publikum, das die Darsteller und Verantwortlichen im Anschluss minutenlang feierte, sah lustvoll auftretende Tänzer in fantastischen Kostümen, eine eindringliche Inszenierung von Amy Share-Kissiov und mit Alexander Kerbst und David Scherzer ein auf der Bühne perfekt harmonierendes Sänger/Tänzer-Duo.​​

 
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Trier. Es beginnt mit dem Ende: Zu "Out of the Dark", einem Hit, dessen Erfolg der Interpret nicht mehr erlebte, hört man Unfallgeräusche. Im nächsten Bild sieht man Falco auf einer an eine Wolke gemahnende Kanzel, darunter erweisen ihm Trauergäste die letzte Ehre – "It's all over now, Baby Blue, was vorbei ist, ist vorbei". 

Rückblick: Der kleine Hans besucht mit seiner Mutter einen Ball. Der Junge ist fasziniert von den Kostümen, dem Tanz und der Musik. Schnitt. Hans ist erwachsen, nach Walzer entdeckt er Rock – Bowie rückt an die Stelle von Strauss. Er wird Bassist der Anarchoband "Drahdiwaberl" und ist fasziniert von der Freizügigkeit – die auf der Bühne erfreulich ästhetisch dargestellt wird – und der Verehrung, die ihm Groupies entgegenbringen. Es kommt zur ersten verhängnisvollen Begegnung mit Jack Daniels, der hier tatsächlich eine Person ist. Hans Hölzel verwandelt sich langsam in Falco. 

Welche Folgen dies für Hölzel hat, zeigt die für die Inszenierung und die Choreografie verantwortliche Amy Share-Kissiov unmissverständlich mit biblischen und literarischen Motiven. Die Unterzeichnung des Plattenvertrages ist ein Pakt mit dem Teufel, "Dance Mephisto, dance". Der junge Wiener bekommt einen Apfel gereicht – er zögert lange, ob er hineinbeißen soll. 

Durch "Der Kommissar" wird Falco mit 24 Jahren zum Star. Es ist die Tür zu Partys, Drogen und wildem Sex. Einsam an der Bar sehnt sich Hölzel aber nach wahrer Liebe. Der Alkohol (Jack) macht dies zunichte. Der erste Erfolg bedeutet den ersten Absturz. 

Vier Jahre später landet "Rock me Amadeus" nicht nur in Deutschland und Österreich auf Platz eins, sondern auch in Großbritannien und den USA. Was das für Hölzel bedeutet, versinnbildlicht eine gigantische Amerika-Fahne, die ihn unter sich begräbt. Von dieser Last und diesem Druck sollte er sich nicht mehr befreien können.

Die Folgen der Popularität zehren an ihm. Erschöpft sitzt er in Japan auf seinem Koffer, ehe ihn aufdringliche Journalisten in die Flucht schlagen. Das Einzige, was Hölzel und seine Kunstfigur Falco noch verbindet, ist der gemeinsame Gegner: der Alkohol. Der Kampf – auch hier wieder konkret dargestellt – ist aussichtslos. Hölzel bricht zusammen. Doch die Show muss weitergehen: "No time for revolution" mahnt Falco. Für Hölzel gibt es keinen Weg mehr zurück. Es sind die ergreifendsten Szenen des Stückes. Amy Share-Kissiov und dem Dramaturgen Peter Oppermann ist eine insgesamt sehr bewegende Biografie gelungen. Differenziert und mit klaren Bildern zeigt sie den Menschen hinter Falco. Nach dem Stück hat man das Gefühl, den Künstler gut zu kennen und zu wissen, wie es in seinem Inneren aussah. Es wird deutlich, dass es einen Unterschied zwischen dem sensiblen Menschen Hans Hölzel und seiner extrovertierten, hedonistischen Kunstfigur Falco gab. Natürlich bietet es sich an, dies auch durch zwei Personen darzustellen. Mit Alexander Kerbst und David Scherzer, der in diesem Stück in Trier zum letzten Mal als Tänzer auf der Bühne steht (wie er dem Theater erhalten bleibt, war dem Tanztheaterleiter Sven Grützmacher nicht zu entlocken) sind die Rollen ausgezeichnet besetzt. Nicht nur, weil Kerbst gesanglich und gestisch Falco authentisch verkörpert, und Scherzer nuancenreich und mit viel Empathie Hölzel spielt und tanzt, sondern auch, weil beide fantastisch harmonieren. 

Sehr überzeugend sind auch Reveriano Camil, der mit seiner Aufmachung an Danny Trejo in "Desperado" erinnert und teuflisch gut den verführerischen, zerstörerischen Jack verkörpert, Cécile Rouverot als Jeanny, die engelsgleich die Liebe symbolisiert, und René Klötzer als nicht ganz unemotionalen, aber letztlich von finanziellen Interessen beherrschten Manager. 

Hervorragende Arbeit hat auch Olga von Wahl bei der Ausstattung geleistet. Das Tanzensemble, das sichtlich Spaß am Video-Clip-Dancing hat, orientiert sich nicht nur tänzerisch an den Trends der jeweiligen Zeit (zum Beispiel Breakdance bei "Der Kommissar" und Techno-Tanz bei "Mutter, der Mann mit dem Koks ist da"), sondern auch optisch – von der festlichen Opernballgarderobe über 80er-Retro-Klamotten bis zum Club-Outfit bekommt das Publikum eine Vielzahl ansprechender Kostüme zu sehen. Die Kulisse ist mit einer Spiegelwand und den bereits erwähnten Requisiten bedeutungsreich gestaltet. 

Bei der Auswahl der Stücke scheint vor allem darauf geachtet worden zu sein, dass sie entweder für einen einschneidenden Lebensabschnitt stehen oder eine bestimmte Lebensphase beschreiben – einen reinen Best-of-Abend darf man also nicht erwarten. Einziges Manko dieses packenden Falco-Portraits, das das Zeug zum Exportschlager hat, ist die Lautstärke der Gesangsstimme. Bei kraftvollen Nummern wie "Egoist", "Rock me Amadeus" oder "Jeanny" hätte man gerne den Regler von Kerbsts Mikrofon ein gutes Stück nach oben gedreht (jf).​

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