Interviews
11.09.2015 Christian Jöricke  
Doppelinterview mit Antilopen Gang und Feine Sahne Fischfilet

"Die Mitte der Gesellschaft ist zum Großteil rechts"

​​​​​Saisonabschluss auf der Sommerbühne: Giulio Galaxis, The Baboon Show, Love A, die Antilopen Gang und Feine Sahne Fischfilet werden am Samstag ab 17 Uhr im Innenhof des Exhauses die Reihe der Freiluftkonzerte mit einer großen Punkrock-Hip-Hop-Sause beenden. Nachdem Vertreter der beiden Headliner sich an dieser Stelle bereits vor allem über ihre Musik geäußert haben, sagen Danger Dan (Antilopen Gang) und Monchi (Feine Sahne Fischfilet) nun in einem Doppelinterview ihre Meinung zur aktuellen Stimmung im Land.

 
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hunderttausend.de: Erst seitdem wieder Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt werden, regt sich größerer Widerstand gegen Rechtsextremismus in der Gesellschaft und selbst die BILD ruft zu Hilfsaktionen für Flüchtlinge auf. Wie beurteilt ihr das, was gerade passiert?
 
Danger Dan: Vielen nehme ich ihr Engagement nicht ab. Wenn Til Schweiger und Sigmar Gabriel ein Foto auf Facebook posten, mit ernster Miene gucken und sagen, sie machten sich Gedanken, wie man mit den ganzen Flüchtlingen umgehen könne, dann muss ich eher kotzen. Man darf nicht vergessen, dass auch Sigmar Gabriel mit der SPD das Grundrecht auf Asyl in Deutschland abgeschafft hat. Ihnen könnte scheißegal sein, was da gerade passiert.
 
Monchi: Ich sehe das anders. Ich glaube nicht, dass es ihnen egal ist. Sie haben nur irgendwelche anderen Gründe. Es geht ihnen nicht darum, dass Flüchtlingsheime brennen oder dass Menschen angezündet werden sollen. Es geht ihnen um das Image Deutschlands. Darum geht es auch der BILD-Zeitung. Wenn auf einmal die Zeitung, die seit Jahrzehnten gegen Flüchtlinge hetzt, Aufkleber produziert mit „Refugees welcome“, dann hat das nichts damit zu tun, dass sie auch nur ansatzweise eine coole Sicht auf die Dinge hat, sondern Angst hat, dass das Image Deutschlands leidet. Mir wird schlecht dabei, wenn solche Leute auf einmal so tun, als ob es ihnen um die Menschen geht.
 
Danger Dan: Ich kann mir sogar vorstellen, dass es in der nächsten H&M-Kollektion „Refugees welcome“-T-Shirts gibt. Das verkauft sich gerade ganz gut.
 
hunderttausend.de: Viele Menschen engagieren sich für Flüchtlinge oder heißen sie an Bahnhöfen mit Applaus und kleinen Geschenken willkommen. Wie schätzt ihr die aktuelle Stimmung in der Gesellschaft ein?
 
Monchi: Es spitzt sich gerade zu. Immer mehr Leute trauen sich, öffentlich gegen Menschen zu hetzen und haben kein Problem damit, mit Nazis auf die Straße zu gehen. Es ist aber ein Fortschritt gegenüber den 90ern, dass sich viele Menschen bis zu einem gewissen Grad für Flüchtlinge positionieren. Ich finde es super, wenn Leute sich ernsthaft engagieren. Es ist aber ein Thema, das die nächsten Jahre präsent zu sein hat. Es gibt gerade so einen Hype, dass Flüchtlinge die besseren Menschen sind. Das sind sie aber nicht. Das sind genauso Arschlöcher, coole Leute und schlechte Leute. Man soll sie einfach wie Menschen behandeln, Punkt. Und wenn ein rassistischer Mob vor einem Flüchtlingsheim steht, soll man sich nicht auf die Polizei verlassen, sondern sich selbst mit vielen Leuten dagegenstellen.
 
Danger Dan: Es wäre gut, wenn sich die Leute nicht nur Gedanken machten, Flüchtlinge zu begrüßen und jedem einen Topfpflanze und eine Orange zu schenken, sondern auch Druck machten, dass endlich legale Fluchtwege nach Deutschland geschaffen werden.
 
hunderttausend.de: Hat sich durch das Engagement von Bürgern und Prominenten für Flüchtlinge etwas an der gesellschaftlichen Lage insgesamt geändert?
 
Monchi: Nur weil sich Menschen gerade für Flüchtlinge engagieren, heißt das nicht, dass der rassistische Mob keine Gewalt ausübt. Gefühlt jeden Tag lese ich von Angriffen auf Flüchtlingsheime. Es läuft nicht alles gut, nur weil plötzlich auf Facebook rumgeteilt wird, dass Leute am Bahnhof Flüchtlinge beklatschen.
Der Nazi-Mob ist aktiv wie eh und je. Was hier gerade in Deutschland stattfindet, ist rechter Terror. Da hat sich nichts verbessert. Ich hoffe, ich habe Unrecht, aber ich denke, dass es in nächster Zeit Tote geben wird.
 
Danger Dan: Diesem Phänomen kann man nicht nur begegnen, in dem man hier und da Spenden sammelt. Das ist gut, aber damit bekommt man Nazis nicht von der Straße. Da bedarf es anderer Methoden.
 
hunderttausend.de: Zum Beispiel?
 
Monchi: Ich sage das ganz öffentlich: Militanz, im Sinne von Notwehr. Wenn der Mob vor dem Heim steht, muss man sich ihm in den Weg stellen. Man muss aus der Geschichte lernen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass es hier solche Strömungen in der Gesellschaft gibt.
 
Danger Dan: (ironisch) Ich glaube ganz fest an die Wirkung von Schweigeminuten und Lichterketten.
 
hunderttausend.de: Hat das Problem mit rechtsextremistischen Verbrechen auch damit zu tun, dass solches Gedankengut bei der Mehrheit der Bevölkerung vorhanden ist?
 
Monchi: Das viel größere Problem als der rechte Mob ist die Mitte der Gesellschaft – die ist einfach zum Großteil rechts. Wenn in Dresden 20.000 Leute Hand in Hand mit Nazis auf die Straße gehen, sind das nicht alles Hardcore-Nazis. Es interessiert mich aber nicht, ob jemand sagt, er sei Nazi oder nicht. Mich interessiert, was er inhaltlich sagt. Nazis führen das aus, womit sie sich bestätigt fühlen.
 
hunderttausend.de: Wann wurdet ihr zuletzt von Rechten bedroht oder angegriffen?
 
Danger Dan: Aus verschiedenen Gründen habe ich Aachen vor einigen Jahren verlassen. Ich kann sagen, dass ich mich seitdem um Einiges wohler fühle. Ich bekomme von Freunden immer noch mit, was da passiert. Es ist etwas abgeflaut, aber es gab mal eine Zeit, in der es wöchentlich Angriffe auf der Straße gab und bewaffnete Nazis Patrouille liefen. In Aachen war es nicht die Staatsanwaltschaft, die dort durchgegriffen hat. Autonome Antifas haben versucht, das Problem zu lösen und sich dabei auch ganz gut positionieren können.
 
Monchi: Den letzten Angriff gab es vor ein paar Wochen, als in Güstrow Flüchtlingskundgebung war. Wenn man sich gegen Nazis engagiert, erlebt man eben solche Situationen.
 
hunderttausend.de: Zeigt ihr Drohungen oder Angriffe an?
 
Monchi: Ich verlasse mich auf mich und meine Leute und nicht auf die Polizei.
 
Danger Dan: Wann immer es die Möglichkeit gab, habe ich versucht, die Polizei und die Staatsanwaltschaft zu integrieren. Allein damit es in Statistiken aufgenommen wird. Ich hoffe auch, dass wenn ganz Deutschland erkennt, dass wir es gerade mit Rechtsterrorismus zu tun haben, genauso mit den Tätern verfahren wird, wie es mit anderen Terroristen auch geschieht. Und das passiert nur, wenn man fleißig anzeigt. Es wäre allerdings zu viel, jede Drohung im Internet gegen mich anzuzeigen.
Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass wenn ich mal die Bullen gerufen habe, sie gar nicht oder zu spät gekommen sind. Es gab eine Situation, wo wir zu viert von 15 Nazis umzingelt wurden. Ich habe die Bullen gerufen, sie sind auch recht schnell gekommen, haben die Situation gesehen und sind weitergefahren, um Verstärkung zu holen. Als alles vorbei war, sind sie mit ein paar Wagen gekommen, und die einzigen Personalien, die sie aufgenommen haben, waren meine. Als ich mich darüber beschwerte, haben sie gedroht, mich mitzunehmen, wenn ich nicht die Klappe halte.
Das ist ein Beispiel dafür, dass es nichts bringt, die Polizei zu rufen. Wären sie nicht in der Nähe gewesen, hätte ich aber wohl die nächsten Wochen im Krankenhaus verbracht.
 
hunderttausend.de: Daniel ist in eine friedlichere Gegend gezogen. Käme das auch für dich in Frage?
 
Monchi: Ich lebe zwar in Mecklenburg-Vorpommern, aber nicht im krassesten Nazidorf, sondern in Rostock. In einer Gegend, wo es sich gut leben lässt und ich mich wohlfühle. Es muss jeder wissen, ob er bleibt oder geht. Ich habe aber größten Respekt vor Leuten, die in den Regionen aktiv sind, wo es wehtut. Es ist wichtig, dass man die Leute supportet, die dorthin gehen, wo die Nazis stark sind.
 
hunderttausend.de: Trier schaffte es vor wenigen Wochen bundesweit in die Medien wegen eines Youtube-Videos der hiesigen NPD. Kennt ihr den Clip?
 
Monchi: Selbstverständlich. Ich war mir unsicher, ob ich da lachen darf, weil die vielleicht einen Schein haben. Im ersten Moment hielt ich das Video für ein Fake.
 
Danger Dan: Ich vermute, dass es kein Fake ist und es die Protagonisten wirklich gibt und die es auch ernst meinen. Es zeigt, dass es schwierig sein könnte, mit solchen Leuten zu diskutieren. Zumindest haben sie keine Idee davon, wie sie nach außen wirken.
 
Monchi: Es ist gefährlich, so ein Video zu verharmlosen. Auch Spinner mit einem geringen IQ können jemanden tottreten.

Foto: Thomas Schermer



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