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27.03.2014 Ralf Hoff Veranstalter
Jochen Leuf und Band

Child of the Sea EP

​Wie schon die Kollegen von vandermeer (hunderttausend.de berichtete) hat der Trierer Singer-Songwriter Jochen Leuf vergangenes Jahr eine Crowdfunding-Kampagne bei Startnext gegründet, um die Aufnahme und Produktion seiner neuen 6-Track-EP "Child of the Sea" zu finanzieren – auch in diesem Fall mit Erfolg. Die fertige Platte liegt nun vor und wird genauer unter die Lupe genommen. 

 
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Der vielseitige Sänger und Multiinstrumentalist geht laut eigener Aussage gerne auf Reisen und ist "überall da zuhause, wo er eine Gitarre findet", scheint sich aber am liebsten in Küstennähe aufzuhalten – und das spiegelt sich auch in den weitestgehend sehr gemütlichen Stücken seiner EP wieder: Zentrales Thema ist neben dem schon in Titel und Artwork unübersehbarem maritimen Einschlag die Freiheit (wofür ja gerade der grenzenlose Ozean ein zwar generell klischeebehaftetes, aber dennoch passendes und nahe liegendes Symbol darstellt), kombiniert mit der Liebe und allen sonstigen Sonnenseiten des Lebens, zwar durchaus stellenweise melancholisch, aber immer hoffnungsvoll. Absoluter Schwermut klingt anders und so löst das Anhören des Songwriter-Pops auf "Child of the Sea" beim Hörer den unweigerlichen Drang aus, sich mit Cocktail und den Lieblingsmenschen in eine Strandbar zu krümeln, einfach mal abzuschalten und entspannt den Wellen – oder Jochen Leufs Musik – zu lauschen. Was genau können jetzt die Songs?

Der Opener "Jasmin" startet mit verträumtem Akustikgitarren-Fingerpicking und Jochens ruhigem, angenehmen Gesang, bevor später Background-Vocals von Mitstreiterin Hannah Fortenbacher, dezentes Schlagzeug und Akkordeon einsetzen und das Tempo anziehen. Schlagartig werden Assoziationen an die Solo-Ausflüge von Pearl Jam-Galionsfigur Eddie Vedder geweckt, der im Soundtrack des Aussteigerdramas "Into The Wild" und später mit Ukulele bewaffnet von ähnlichen Dingen sang – und hier durchaus als Bruder im Geiste für Jochen verstanden werden darf. Das nachfolgende "Now" knüpft nahtlos an den Sound an, zwar mit ein bisschen mehr Pfeffer, aber dennoch, ohne die chillige Feelgood-Atmosphäre anzukratzen. 

Absoluter Hit von "Child of the Sea" ist jedoch ganz klar das schon vorab veröffentlichte und auf der EP gleich in zwei Versionen zu findende "Free Falling": Im Duett mit seiner weiblichen Mitmusikerin (die hier eine schon beinahe beunruhigende stimmliche Ähnlichkeit zu Ex-Damien-Rice-Sidekick Lisa Hannigan vorweisen kann) und wieder dem Akkordeon entfaltet Jochen Leuf einen grandiosen Ohrwurm über die (laut Annahme des Rezensenten) Irrungen und Wirrungen des Verliebtseins und das Gefühl des freien Fallens, mit weltumarmendem Refrain und großartiger Bridge am Ende. Ein Song, der eingesetzt im richtigen Sommer-Blockbuster Oscars gewinnen könnte – aber auch Fluch und Segen der EP zugleich bedeutet, da sich erstens die Full-Band- und die Akustikversion nur minimal (im Drumming) unterscheiden und "Free Falling" zweitens erhaben über allen anderen Nummern thront und so das restliche Werk leider mühelos ein wenig in den Schatten stellt. 

Generell ist der musikalische Rahmen – und damit steht und fällt das gesamte Genre des Gitarre spielenden Singer-Songwriters – auch bei Jochen Leuf  relativ eng gesteckt. Zwar kommen so zusätzliche Instrumente wie Glockenspiel (z.B. im friedlichen und gut gelaunten Closer "Child of the Sea") deutlich zur Geltung, weitere Höhepunkte im Gesamtsound lassen sich aber nur bedingt finden und hätten die trotzdem sehr gelungene EP noch ein bisschen interessanter gestaltet. Umso erfrischender ist da der Abstecher in Reggae-Gefilde im Song "Traveler", der rhythmisch aus dem ansonsten schon beinahe Easy-Listening-artigen Rest ausbricht, mit Offbeat und Flöte fröhliche Energie versprüht und neben "Free Falling" definitiv bestes Stück der Platte ist. 

Auf "Child of the Sea" sind unterm Strich grandiose Musiker am Werk, die eine einzigartige Atmosphäre kreieren, in die man sich fallen lassen kann, die ohne Ecken und Kanten niemandem zu Nahe kommt oder weh tut und bei denjenigem, der in der geeigneten Stimmung ist, für ein wohliges Gefühl sorgt. Reise-Aficionado Jochen Leuf und seine beiden Crewmitglieder erschaffen den perfekten Radio-Soundtrack für den hoffentlich in Trier bald stattfindenden Sommer – insgesamt stimmig, aus einem Guss und sogar garniert mit dem ein oder anderen ganz großen Moment. 


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