Interviews
16.10.2018 hunderttausend.de Julia Nemesheimer
Antje Schomaker

Struktur, Sicherheit und etwas Zufall

​Die Hamburgerin präsentiert morgen im Exhaus ihr Debütalbum Von Helden und Halunken und möchte das Publikum mit deutschsprachigen Indie-Pop überzeugen. hunderttausend.de hat sich vorab mit der Sängerin getroffen und konnte einiges über sie erfahren. ​​​​

A1N4Em1EVyk
Video
​hunderttausend.de: Wie bist du zur Musik gekommen?

Antje Schomaker:​ Ich hab eigentlich schon immer Musik gemacht. Dadurch, dass ich auf einer Waldorf-Schule war und sehr musikaffine Eltern habe, konnte ich mich in dem Bereich schon immer ausleben. Mit 16 habe ich mein erstes Lied geschrieben und mir auch selbst Gitarre spielen beigebracht. Dabei lag mein Fokus nicht von Anfang an darauf, damit irgendwas zu machen, sondern das kam erst mit der Zeit. Da habe ich auch noch Klavierunterricht genommen und war für eine Weile in Irland. Von dort ging es nach Hamburg und da habe ich dann weiter an meiner Musik gearbeitet.

Und da hast du auch studiert…

Ja, ich hab systematische Musikwissenschaften studiert und muss jetzt noch meine Bachelor-Arbeit schreiben seit ein paar Semestern.

Hat dir das Studium für deine Musik denn etwas gebracht?

Ich wollte etwas mit musikalischem Hintergrund studieren, um mir selbst eine Sicherheit zu schaffen und einen Grund zu haben, nach Hamburg zu gehen. Ich verehre die Stadt und ich hatte zwar einen Produzenten, der mich an die Hand genommen hat, aber ich brauchte Strukturen. Entsprechend habe ich gejobbt, war an der Uni und habe meine Musik gemacht.

Inzwischen bist du mit drei Jungs unterwegs, die dich live und unterstützen und wohl auch bei den Aufnahmen dabei sind. Wie habt ihr euch denn kennengelernt?

Ich hab lustigerweise mein komplettes Team immer durch Zufälle kennengelernt. So gehe ich übrigens die meisten Dinge an: Ich suche nichts aktiv. Ich habe immer das Gefühl, dass man damit auf schlechtere Sachen stößt. Daher habe ich auch keine Band gesucht, sondern sie durch einen gemeinsamen Musikerfreund sozusagen auf der Straße kennengelernt. Wir sind aber nicht direkt als Musiker aufeinander gestoßen, sondern sind mal was essen oder trinken gewesen. Das war eher auf freundschaftlicher Ebene, bis einer mal sagte, er müsse jetzt zum Cello-Unterricht. Ich wusste zwar, dass die Gitarre und Schlagzeug spielen, aber in Hamburg ist das jetzt nichts Besonderes. Aber Cello? Das war dann der Anstoß, mal gemeinsam was zu machen. Das Video zu Mein Herz braucht eine Pause haben wir damals einfach veröffentlicht und dadurch kamen wir zusammen. Jetzt sind wir eine Band und es fühlt sich immer sehr gut an.

Siehst du dich dann eher unter dem Label „Band“ oder vielmehr als „Solo-Singer-Songwriter mit Live-Band“?

Ich schreibe ja alle Lieder selbst. Die anderen sind alle Profi-Musiker und die können auch mal nicht. Entsprechend bin ich schon solo unterwegs und engagiere die anderen. Wenn da mal jemand anderes am Schlagzeug sitzt zum Beispiel, dann ist das nicht so eklatant, weil wir in dem Sinne keine feste Besetzung haben.

Fühlt es sich denn anders an, wenn man mit mehr Leuten auf der Bühne steht, wie beim kommenden Konzert in Trier am 17. Oktober, oder alleine beziehungsweise mit einem Musiker wie beim Amphitheaterkonzert im Juli?

Es ist immer eine andere Energie. Solo kann ich ja spielen, was ich will. Da ist man von den Abläufen her recht entspannt. Dafür bin ich aber viel aufgeregter, weil mich im Vorfeld keiner runterholt. Wenn man als Team spielt, kann man sich drauf verlassen, dass die anderen einen mit auffangen. Außerdem muss man nicht alle Instrumente selbst spielen, sondern ich kann auch mal einfach nur singen und tanzen. Insofern ist es ein bisschen cooler, auch wenn es solo eine andere Intimität hat.

Wie schreibst du denn deine Songs?

Das variiert stark. Auf meinem Debütalbum den ersten Song Aller guten Dinge mit einem Freund geschrieben und die restlichen Lieder alle alleine. Entweder in meinem Zimmer, im Café oder im Zug. Ich mag dieses „Dazwischensein“, das hat man gerade auf Reisen wenn man nichts zu tun hat und eben von A nach B unterwegs ist. Außerdem sammele ich leidenschaftlich einzelne Sätze und Aussagen von meinen Bekannten und Freunden (lacht). Oder auch ganze Geschichten. In der Regel kommt aber zunächst der Text und anschließend erst die Musik dazu.

Eben meintest du, dass du immer ein bisschen aufgeregter bist, wenn du Solo unterwegs bist. Hast du denn Rituale, die etwa dich beruhigen können?

Ich bin eigentlich gerne aufgeregt. Ich hatte auch noch nie Angst. Mit Bosse zusammen in der Sporthalle, das war mein erster richtig großer Gig vor 8000 Menschen. Aber da hatte ich einfach nur wirklich Bock mich gleich auf die Bühne zu stellen. Das ist keine Angst, sondern viel Adrenalin, das man in Power umwandeln kann. Früher bin ich vor Konzerten immer meine Texte nochmal durchgegangen. Da hatte ich aber das Gefühl, keine Zeile mehr zu können weil ich so aufgeregt war. Sobald man dann aber auf der Bühne steht und die ersten Akkorde spielt, ist alles wieder da. Rituale in dem Sinn haben wir als Band in Form von Abläufen. Wir kommen an, machen verschiedene Sachen, etwa zum Merchandise-Stand zu gehen und einige Gespräche vorher führen. Auch die Ansagen lege ich nicht im Vorfeld fest.

In den vergangenen Jahren hast du ja schon einige Künstler supportet. Bosse, kürzlich Amy MacDonald. Wie kommst du zu den ganzen Auftritten?

Das war bisher immer sehr unterschiedlich. Bosse war auf einem Festival, auf dem wir beide gespielt haben. Ich hatte ihn dann abseits der Bühne gesehen und wollte jetzt aber nicht so einfach da hinrennen. Dann kam aber er auf mich zu, umarmte mich und meinte: „Hey, ich hab dich gestern gesehn, das war voll gut – magste vielleicht mitkommen auf Tour“. Johannes Oerding kenn' ich schon aus Hamburg und der ist auch gut mit meinem Schlagzeuger befreundet. Amy kam tatsächlich durch mein Booking zustande, die durfte ich letztes Jahr schon solo spielen. Ich fühle mich da immer sehr geehrt, mit so vielen guten Künstlern zusammenarbeiten zu dürfen.

Ich nehme mal an, es ist auch immer unterschiedlich mit den verschiedenen Leuten, was hast du für Erfahrungen gemacht?

Absolut – bei manchen wird man direkt in die Tourfamilie aufgenommen und bei anderen ist man eher so das notwendige Übel, mit dem man kaum kommuniziert. Das finde ich immer sehr schade, aber das scheint zum Musikbusiness dazuzugehören. Ich denke ja, man sollte sich gegenseitig die Hand reichen und unterstützen. Für meine eigenen Tourneen möchte ich, dass sich mein Support wohl fühlt, am liebsten gebe ich Freunden von mir die Chance, mitzukommen oder auch lokalen Bands.  

Und um nochmal auf dein Album zu kommen, bist du denn Heldin oder Halunke?

Ich kann das gar nicht so sagen, aber ich denke, jeder kann beides sein. Man kann ja schon wegen Kleinigkeiten ein Held sein, und sei es nur, weil man auf Plastik verzichtet oder mit anderen Dingen Gutes tut. Aber man kann auch schnell mal Halunke sein, wenn man jemanden nicht so gut behandelt oder auch nur ins Schwimmbad einbricht. Insofern denke ich, dass man beides sein kann und auch sein sollte.

Dazu finde ich es übrigens immer wieder wunderbar, wenn Leute zu mir an den Merchandise-Stand kommen. Da habe ich Halunken-, Helden- und Heldinnen-Armbänder . Ich dachte immer, dass die, auf denen Halunke steht, viel eher weggehen, aber es kommen immer viele Menschen, insbesondere Frauen, zu mir und wollen das Heldin-Band. Oft erzählen sie mir dann auch ihre Geschichte, dass sie zum Beispiel gerade eine schwere Krankheit besiegt haben oder irgendwas durchgestanden. Das finde ich immer schön. Schließlich singe ich auch in meinen Songs „Ich bin der Held meiner eigenen Geschichte“.

Vielen Dank für das Gespräch und ganz viel Spaß und Erfolg bei uns in Trier am 17. Oktober im Exhaus! ​

Bildgalerie



Karte anzeigen