Reviews
28.09.2016 Julia Nemesheimer  
≈ [ungefähr gleich]

Das liebe Geld

​Gestern Abend feierte das Stück „≈ [ungefähr gleich]" von Jonas Hassen Khemiri in der Fassung von Regisseur Stefan Maurer Premiere. Das Théâtre des Capuçins war zwar nicht ausverkauft, doch die anwesenden Gäste erlebten einen kurzweiligen Theaterbesuch. 

 
Image

​Das Bühnenbild ist schlicht und minimalistisch gehalten, Papierbahnen dienen zunächst als Vorhang, nachdem dieser aufgeht, hängen die weißen Streifen im Halbkreis um den bespielbaren Raum und versperren dem Zuschauer die Sicht hinter die Kulissen. Die wenigen Utensilien, die genutzt werden, sind zwei Bürostühle, Stifte, Plastikflaschen und eine Murmel. Getragen wird „≈ [ungefähr gleich]" von sechs Schauspielern, die neben ihren Hauptprotagonisten auch in Nebenrollen schlüpfen und dies mit raschen, einfach gehaltenen Kostümwechseln in wenigen Augenblicken vollziehen.

In dem Stück selbst erlebt der Zuschauer Ausschnitte aus dem Leben fünf unterschiedlicher Menschen, die auf irgendeine Weise alle miteinander verzahnt sind, sei es Peter, der Obdachlose, Andreij, der gerade seinen Abschluss fertig hat und auf Jobsuche ist oder Manni, der „erdnussförmige, ökonomisch inkompetente Lebensabschnittsgefährte" von Martina, die aus gutem Hause stammt, eine Stimme (manifestiert in der sechsten Schauspielerin) hört, sich von ihrer Familie versucht abzunabeln und gleichzeitig mit ihrem verglichen ärmlichen Leben nicht so ganz klar kommt sowie die Frau, die gerade ihren Job verloren hat und erst ganz am Ende auftaucht. Oft wird gewechselt zwischen der Innenansicht des jeweiligen Erzählenden und dem, was in der Realität passiert, eine Art, die Story rüberzubringen, die an die Lektüre eines Buches erinnert.

Wirtschaftsgeschichte spielt eine wichtige Rolle, denn den idealisierten homo oeconomicus gibt es nicht. Stattdessen sieht man hier, wie sich reale Personen vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Ordnungen und Systeme entwickeln.

Dafür erfindet das Drehbuch unter anderem auch das „Van Houten-Theorem", laut dem der Wert der Unterhaltung ermittelt werden solle, ergänzt wird dies durch das „Lorenzo-Gesetz", das die Kosten des Investierenden und den potentiellen Zeitverlust mit einberechnet. All dies zieht sich durch die Einzelschicksale von fünf Protagonisten, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben in dieser Welt voller Kredite, wirtschaftlicher Ungleichheit und Unsicherheiten.

Alle fünf suchen ihr Glück, ihre Freiheit und tun dies auf ganz unterschiedliche Weisen. Mit Pause dauert das Stück gute zweieinhalb Stunden, die jedoch rasant vorbeiziehen, was sicherlich auch den schnellen Szenesprüngen geschuldet ist. Die Schauspieler*innen leben, leiden, toben und empfinden ein Stückchen Glück, dass es eine wahre Freude ist, in die Geschichte abzutauchen. Einzig bei diversen Beschreibungen, wie etwa, dass Peter blonde Haare hätte, der Schauspieler aber dunkle trägt, oder die neue grüne Jacke von Andreijs kleinem Bruder, die stattdessen eine schwarze Adidas-Weste ist, lassen kurz aufhorchen, hier hätte man den Text eventuell anpassen können.

Noch an drei Abenden kann man „≈ [ungefähr gleich]" in Luxemburg sehen, am Mittwoch, den 28. September und nächste Woche am 4. und 5. Oktober, jeweils um 20 Uhr.

Im Vorfeld hat sich hunderttausend.de übrigens mit Stefan Mauerer über seine Arbeit unterhalten. 

Fotos: Bohumil Kostohryz

Bildgalerie



Karte anzeigen