Interviews
09.04.2016 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Jeff Stinco von Simple Plan im Interview

"Die Fannähe ist unser Markenzeichen"

​​​Simple Plan steht für Pop-Punkrock der 2000er Jahre. Mittlerweile sind die Jungs aus Kanada seit über 15 Jahren unterwegs. Auf ihrer Tour zur neuen Platte "Taking​ One For The Team" besuchen sie am 12. Mai 2015 auch das den Atelier in Luxemburg. Im Vorfeld sprachen wir mit Gitarrist Jeff Stinco (Foto: Ganz rechts) über das neue Album, die Fans und das Älter werden als Punkrock-Star. 

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hunderttausend.de: Hi Jeff, es sind mittlerweile 5 Jahre seid eurer letzten Platte vergangen. Was war los? 

Jeff Stinco: (lacht). Wir sind Perfektionisten und wir wollten sicher gehen, dass wir ein Album raus bringen, dass unseren Erwartungen entspricht. Unglücklicherweise haben wir den Prozess wohl etwas zu ernst genommen und wir haben dann viel zu viel Zeit im Studio verbracht. Es ist aber schon interessant. Wir sind viel durch die Lande getourt mit unserem letzten Album “Get Your Heart On“. Weil wir dann auch noch einen erfolgreichen Song hatten mit “Summer Paradise“, hat das die Tour auch nochmal verlängert. Es hat also auch damit zu tun, mit ner Menge Songwriting und viel zu viel Zeit im Studio. Das passiert halt, wenn man ein paar Jungs, eigentlich Erwachsene, die sich benehmen wie Jungs, zu viel Studiozeit gibt (lacht). 

Euer Album heißt „Take One For The Team“. In welchen Situationen habt ihr euch schon für das Team geopfert? 

Oh Gott, ja, auf jeden Fall. Ich könnte dir jede Menge Stories erzählen!

Dann erzähl uns die Witzigste! 

Zum Beispiel gibt es Bilder zur letzten Platte „Get your heart on“ wo wir so knappe Klamotten tragen. Das war für das „Wham-Tribute“, das wir gemacht haben. Das war total furchtbar. Oder im Video zu “Perfect“, relativ am Anfang unserer Karriere, regnet Wasser auf uns herab. Das war sowas von kalt. Ihr könnt es euch nicht vorstellen. Es war mitten in der Nacht und wir haben uns den Arsch abgefroren. Es gab also ein paar Gelegenheiten wo wir uns fürs Team geopfert haben. 

Titel und Artwork der Platte sind an das Thema Sport angelehnt. Seid ihr große Sportfans? 

Ja, wir sind totale Sportfans. Eishockey ist ein Riesending in Kanada, es ist mehr sowas wie eine Religion hier. Ich selbst spiele gern Fußball und fahre Ski. Ich schaue mir aber nicht so viel Sport im TV an. Wenn ich so drüber nachdenke, dann ist das Gefühl in einer Band zu sein total vergleichbar damit, Mitglied in einem Sportverein zu sein. Man ist viel zusammen unterwegs, man muss immer sein Bestes geben um dem höheren Gut, der Mannschaft, zu dienen. Es geht wenig um Individualität. So ähnlich ist es auch, wenn man Mitglied einer Band ist. 

Im Song „Opinion Overload“ heißt es „I'm doing things exactly like I want to What part of that don't you understand“. Ist das eine Botschaft an Musikkritiker aller Länder? 

(lacht). Seltsamerweise muss ich hier Nein sagen. Klar, passt es, aber eigentlich geht es um Interaktion mit den Fans, zum Beispiel via Social Media. Denn das ist manchmal schon seltsam. Man hat erst soviel erreicht wegen der Fans und schuldet ihnen deshalb viel. Gleichzeitig ist es aber normal geworden heutzutage, dass man in den sozialen Medien alles einfach so sagt, ohne wirklich darüber nachzudenken. Die Fans kritisieren Songs, die sie grade erst gehört haben. Sie geben ihnen gar keine Chance. Als Künstler muss man da manchmal sagen: Es reicht. Diese Songs, das sind wir. Und wir wollen uns als Band treu bleiben. Darum geht es eigentlich.

Du hast eben gesagt, dass ihr sehr lange und viel an den Songs gearbeitet habt. Gibt es denn Songs auf dem Album, die sich massiv verändert haben von der Idee zum fertigen Stück?

Die größte Veränderung hat “I don’t wanna go to bed“ durchgemacht. Man muss natürlich dazu sagen, dass wenn man die ersten Demos aufnimmt, man oft erstmal seiner ersten Inspiration, seinem Instinkt als Musiker folgt. Das führt dazu, dass man zum Beispiel einen Sound kreiert, der nicht wirklich zum Rest der Band passt. Es gibt aber dann Songs, bei denen wir dann wollen, dass sie mehr nach Simple Plan klingen, verstehst du? Das Demo war zunächst sehr elektronisch angehaucht und wir haben es dann erstmal zu einem Band-Lied gemacht mit organischem Sound. Es ist natürlich nach wie vor ziemlich funky, aber dennoch total unterschiedlich zu der Demo, die wir anfangs davon gemacht haben. 

Hat sich die Veränderung auch durch die Zusammenarbeit mit Nelly ergeben?

Wenn man Nelly in einem Song dabei, dann hebt das das Stück schon nochmal auf eine neue Ebene. Der Song wurde dadurch nochmal ein gutes Stück interessanter. Er war am Anfang doch ein bisschen repetitiv. Nelly hat das durchbrochen und den Song deutlich spannender gemacht. 

Simple Plan ist mittlerweile seit über 15 Jahren auf Tour. Und das ohne Auflösung und Reunion-Tour und so. Was ist euer Geheimnis?

Das Geheimnis ist: Streiten. Streiten, was das Zeug hält (lacht). Okay ein bisschen was wahres ist dran. Wir streiten schon zwischendurch. Aber im Ernst, wir sind Highschool-Freunde. Wir schaffen die Probleme die es gibt sehr schnell zur Seite. Wir sind zusammen aufgewachsen und respektieren uns sehr. Wir reden viel miteinander, das liegt uns als frankophonen Menschen wohl im Blut. So sind wir. Wir reden die ganze Zeit (lacht). Also ein Teil ist die Kommunikation. Und wenn man die 5-Jahres-Marke als Band bricht und etwas erreicht hat ist das groß. Wenn man die 10 Jahre voll macht und man hat nach wie vor einen Namen, dann ist das auch besonders. Nach 15 Jahren trägt man auch eine gewisse Verantwortung gegenüber der Band und den Fans und der Geschichte die man hat. Das schweißt zusammen. 

Ihr macht nach wie vor Pop-Punk/Rock. Auf euren Alben finden sich aber immer wieder Einflüsse verschiedenster Genres. Seid ihr jetzt nicht in einem Alter, wo ihr Smooth Jazz oder Folk machen müsstet? 

(lacht). Jetzt, wo du es sagst. Es gibt schon so etwas wie “Musik, die nicht altersgerecht ist“. Ich versteh das. Aber wir sind als Band bekannt für unsere Energie und für unseren melodischen Content. Und wir sind gut in Form und unsere Performance auf der Bühne ist noch zu gut für Smooth Jazz. Solange unsere Fans uns noch so sehen wollen, solange machen wir eben energetischen Punkrock. Aber du hast auch die verschiedenen Genres angesprochen, die wir integrieren. Das kann man auf unserer aktuellen Platte auch ganz gut sehen. Es ist eine gute Mischung aus unserem alten Sound und neuen Einflüssen, die wir haben. Ich finde das großartig. Ich denke das macht Musiker und ihre Musik weiterhin interessant. 

Lasst uns über euer Verhältnis zu euren Fans sprechen. Nach dem Konzert gibt es für die Fans noch die Möglichkeit auf Pizza und ein Meet and Greet mit euch. Seid ihr dann nicht viel zu platt, um noch mit Fans zu quatschen? Woher nehmt ihr eure Motivation nach der Show?

(lacht). Was glaubst du eigentlich wie alt wir sind? Ich bin doch erst 35…. Okay, 37. Es liegt in unserer Verantwortung so gut in Form zu sein, dass wir diese Dinge machen können. Und der Trick ist: Wir feiern nicht mehr so hart wie früher (lacht). Früher war ich zum Beispiel nicht so in Form wie heute, weil wir immer so viel gefeiert haben. Und jetzt feiere ich zwar auch, aber ich picke mir besondere Momente raus. Die sind zwar dann auch ziemlich episch, aber eben nicht mehr so oft. Und auf Tour stehen wir ja auch nicht so früh auf, deshalb geht das schon klar. Wir gehen von der Bühne, machen uns schnell frisch und dann haben wir ne gute Zeit mit unseren Fans. Wir dürfen uns den Rest des Abends mit relativ vielen Mädels unterhalten, das ist ziemlich cool um ehrlich zu sein (lacht). 

Du hast von Verantwortung gegenüber den Fans gesprochen. Ist das dann für euch eher eine Verpflichtung sowas zu machen oder geht es euch mehr um den Spaß dabei?

Es ist ein bisschen von beidem denke ich. Es muss natürlich Spaß machen. Wenn das nicht so wäre, das würden die Leute merken und die wären dann zurecht angepisst. Aber es geht auch darum, dass unsere Band mal sehr klein angefangen hat. Wir haben dann irgendwann Autogramme geben dürfen und haben das dann immer auf dem Weg zum Tourbus gemacht. Die Leute haben es gemocht, dass wir uns Zeit für sie genommen haben und so. Diese Fannähe wurde dann irgendwann auch zu einem unserer Markenzeichen. Fanclub-Mitglieder zum Beispiel haben Zugang zum Soundcheck und wir hängen dann mit denen ab. Dann gibts ja noch den angesprochenen Zugang zu unseren Post-Show-Partys. Wir wollen auch Zeit mit den Leuten verbringen. Danach gehen wir zum Bus und da warten immer noch Fans und wollen Autogramme. Um 2 Uhr Nachts. Und klar, kümmern wir uns darum. Das ist die Verantwortung die wir tragen. Und klar gibt es auch die Abende, wo es nicht so viel Spaß macht. Da sind dann Leute dabei, die anstrengend sind oder so. Aber wir machen das für die Abende, die großartig sind. Wir treffen Leute aus aller Herren Länder. Und manchmal werden aus diesen VIP-Meetings richtige Partys. Jeder Abend ist anders und das macht das Besondere daran aus. 

Ihr seid derzeit auf Tour. Was geht einem eigentlich vorher durch den Kopf wenn man bedenkt, dass ihr in drei Monaten so viele Länder besucht habt und jede Menge Leute kennen gelernt habt. Liegt man da nachts wach und malt sich das alles aus, oder ist das mittlerweile Routine?

Es ist überhaupt keine Routine. Zunächst ist das ja auch alles ein riesiger organisatorischer Aufwand. Ich habe zum Beispiel ein Kind mittlerweile, da ist das schon ein krasses Ding auf Tour zu gehen. Aber wenn man dann erstmal unterwegs ist, dann ist man schon total aufgeregt und freut sich auf die vielen Länder und die verschiedenen Leuten mit ihren unterschiedlichen Perspektiven. Das ist total großartig und ein Privileg, dass wir das machen dürfen. Die einzige Einschränkung ist, dass wir am liebsten im Sommer auf Tour gehen. Da ist das Wetter einfach besser (lacht). 


Vielen Dank für deine Zeit und viel Spaß in Luxemburg. 

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