Stadtgespräch
04.11.2016 Vincenzo Sarnelli  
Die "Rainy Days" in der Philharmonie Luxemburg

Ab in die Wildnis

​In einem Monat, vom 02. bis 11. Dezember 2016, starten die Rainy Days, das berühmteste Festival für neue Musik in der Region. Getreu dem Festival-Motto „Into the wild“ gehen die Macher in diesem Jahr unkonventionelle Wege und betreten sprichwörtlich neue, abenteuerliche Pfade.

 
Image

​Nun, zugegeben: Wildnis und Abteuerlust ist sicher nicht das erste was einem in den Sinn kommt, wenn man an klassische Musik, selbst wenn sie zeitgenössisch ist, denkt. So oder so ähnlich geht es grundsätzlich auch Bernhard Günther, Chefdramaturg und künstlerischer Leiter der „Rainy Days“ seit jeher. Beim letzten Festival, der 46-Jährige wechselt zur neuen Spielzeit nach Wien und wird dort künstlerischer Leiter des Festivals Wien Modern, will Günther deshalb genau diese Konventionen aufbrechen. Zusammen mit seiner Nachfolgerin Lydia Rilling stellte er das Programm der Rainy Days vor. Ihnen ging es dabei sowohl um die musikalische Perspektive, als auch um die Komfortzone eines jeden. Eine Art Aufbruch in Ungewisses, Ungewusstes und vielleicht auch Unfassbares. Into the wild eben. 

Konkret dürfte vor allem „Black Mirror“, welches am am 09. und 10. Dezember, das abenteuerlichstes sein. Das Stück von Schubert wird dabei eben nicht in der Bequemlichkeit der tollen Philharmonie-Sessel stattfinden, sondern draußen in unwegsamem Gelände. Mit dem Bus wird das Publikum zu den „Gantenbeinsmillen“, einem ehemaligen Hotel in der Gemeinde Hesperange, gebracht. Viele Mythen und Gerüchte ranken sich mittlerweile um den “Dead Place“. Und genau diese Stimmung will sich das Team um Bernhard Günther zu Nutze machen. Etwas düster, durchaus schmutzig und kalt könnte es werden, wenn das UIL, "United Instruments of Lucilin“ die Schubertsche Komposition im Rahmen dieser Konzert-Installation spielt. In der Veranstaltungsbeschreibung heißt es: „Bitte beachten Sie, dass diese Veranstaltung im Außenbereich in unwegsamem Gelände und in ungeheizten, schmutzigen Räumlichkeiten sowie im Dunkeln und mit Stroboskopbeleuchtung stattfindet (für Epileptiker ungeeignet). Bitte sehen Sie warme und unempfindliche Kleidung samt Wanderschuhen vor. Menschen mit Angst vor Dunkelheit oder mit Gehbehinderungen raten wir vom Besuch dieser Veranstaltung ab. Teilnahme ab 16 Jahren.“ Die Besucher werden zu Mitwirkenden mitten in einer Ruine. 

Ein weiteres Highlight ist auch das Konzert der Ugda unter Leitung von Daniel Ott und Enrico Stolzenburg die den Bockfelsen bei der Abtei Neumünster in ein klingendes Panorama verwandeln. Die Besucher stehen im Hof der Abtei und das Orchester ist in dieser Lanschaftsperformance verteilt. Das Konzert nennt sich „The Bock, Festung Europa.“ Geschichtsträchtiger Inhalt an einem geschichtsträchtigen Ort. Eine Verbindung, die neben der musikalischen Darbietung und der besonderen Konstellation in der Landschaft, auch über die Wahl des Ortes eine klare Botschaft sendet, aber auch Fragen stellt: „Was ist Europa heute? Eine «Insel der Seligen» oder ein Rettungsboot?“

Doch auch für diejenigen, die im Dezember gerne Musik drinnen im warmen erleben, bieten die Rainy Days musikalische Spitzenklasse. Direkt zum Start bietet das Eröffnungskonzert einen Einblick, was „Into the wild“ bezogen auf die neue Musik bedeuten kann. So führt das Orchestre Philharmonique du Luxembourg „Kraft“ von Magnus Lindberg auf. „Die Antwort der Orchstermusik auf den Punkrock“. Dazu wird Lindberg höchst selbst zugegen sein. Der 58-jährige wurde zu seinem Werk von der Berliner Band Einstürzende Neubauten inspiriert. Die Besonderheit: Die verwendeten Schlaginstrumente im Stück werden auf lokalen Schrottplätzen zusammengesucht. Ein Erlebnis der Spitzenklasse, wenn es dann später zur Aufführung in der Philharmonie kommt. 

Weitere Highlights stellen die Kooperation mit dem Theater Luxemburg beim „Sound Theatre with crocodiles“ am 03. Dezember und am darauffolgenden Tag das London Jazz Composers Orchestra dar. Vor über 40 Jahren wurde diese Bigband rund um den Bassisten Barry Guy gegründet. Sie tritt jedoch sehr selten auf. Das liegt daran, dass Jazz- und Improv-Stars aus London, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den USA beteiligt sind. Es ist also eine Besonderheit, dass Günther und Rilling diese Ausnahme-Band für die Rainy Days gewinnen konnten. Ein „Energiezentrum des Freejazz“. Am 11. Dezember 2016 wird es zum Abschluss der Rainy Days, die noch viele weitere Highlights zu bieten haben, dann eine große Party geben. Als DJ konnte Jorge Sánchez-Chiong gewonnen werden. Ein „Hochgeschwindigkeitsvirtuose an den Turntables“. Der in Venezuela geborene 47-Jährige gilt im Bereich des experimentellen Theaters, der Videokunst, Tanz und Elektronik als Pionier. 

Foto: Raphael Rippinger

Bildgalerie



Karte anzeigen