Interviews
27.08.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Oliver Koletzki im Interview

"Es ist gut unter sich zu sein"

​​​​​Oliver Koletzki ist einer der bekanntesten DJs Deutschlands und vermutlich der bekannteste in seiner Heimat Berlin. Am 06. September wird er zusammen mit Szenegrößen wie andhim und Format:B auf der Bühne beim Lucky Lake Festival im Strandbad in Losheim stehen. hunderttausend.de erreichte Koletzki im Urlaub und sprach mit ihm über Time-Managment, die Techno Hot-Spots dieser Welt und den Weg nach oben. 

 
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hunderttausend.de: Hallo Oliver, Wir erreichen dich grade im Urlaub. Deshalb die erste Frage: Wie gehts dir?

Oliver Koletzki: Na, dementsprechend gut. Ich bin hier mit meiner Freundin an der Ostsee in Aalbeck. Und wir genießen hier gemeinsam die letzten Sommertage.

Du bist als Künstler ja richtig viel unterwegs, grade im Sommer, wenn Festivals anstehen. Was sind so für dich die Electro-Hot-Spots in der Welt, spezielle Parties oder Festivals z.B., wo du sagst, da muss man als Fan dieser Musik einfach mal gewesen sein?​

Ich bin ein Freund der kleinen Festivals, die etwas intimer oder privater sind und nicht ganz so kommerziell. Gerne auch Hippiesk (lacht). Empfehlen kann ich da zum Beispiel das Fusion-Festival. Nur eine Stunde von Berlin entfernt. Das ist zwar etwas größer, aber die haben sich zumindest ihren alternativen Charakter behalten. Es gibt keine Werbung auf dem Festival-Gelände. Es wird kein Fleisch verkauft, sondern nur vegetarisches oder veganes Essen. Es gibt 22 Floors und alles ist so in Wäldchen und auf Wiesen versteckt - sehr zu empfehlen. Ansonsten komme ich ja in der Tat viel rum. Da kann ich das Rainbow Serpent Festival in der Wüste von Melbourne, Australien, empfehlen. Das ist auch so ein Hippie-Festival. Ist natürlich jetzt etwas weiter weg, aber wer mal in Australien ist, sollte dort vorbei schauen. Und natürlich unser Stil vor Talent-Festival. Das veranstalten wir in Rummelsburg, ein kleines Stück außerhalb von Berlin, schon seit viele Jahren. Mit Sandstrand direkt an der Spree.

Wenn man sich deinen Terminkalender anschaut, könnte man meinen, dass Urlaub eigentlich kaum in Frage kommt. Hast du eine bestimmte Technik, wie du zwischen den Gigs fit bleibst und den Akku hoch hälst?

(Überlegt). Ja, grade im Sommer ist das nicht so einfach, da spiele ich eigentlich jedes Wochenende vier oder fünf Gigs - Samstags zwei und Sonntags zwei. Bei mir ist der Montag das, was für andere Leute der Sonntag ist. Da mache ich meistens gar nichts. Ansonsten versuche ich unter der Woche viel Schlaf zu bekommen. Das heißt ich gehe von Montags bis Donnerstags echt um 22 Uhr ins Bett, weil man am Wochenende meistens wenig schläft. Ich trete in irgendeiner Stadt bis um Fünf Uhr Morgens auf, muss aber um Zehn Uhr schon meinen Flieger erwischen um zum nächsten Gig zu kommen.

Time Managment ist dann wahrscheinlich auch das wichtigste

Das ist, in der Tat, das A und O. Das Allerwichtigste.

Musst du dann manchmal auch schlechte Kompromisse eingehen zwischen dem Beruf, der Musik und seiner Freizeit? Hast du dann eigentlich Zeit für dich und deine Liebsten?

Wenn man das so Hardocre durchzieht, dann heißt das auf jeden Fall, dass man sein Leben ein Stück weit opfert für die Musik und das DJ-Dasein. Aber das ist bei vielen selbstständig tätigen Menschen so, dass man viel seiner privaten Zeit für die Arbeit hergibt. Mein Freundeskreis ist sehr verständnisvoll. Die haben sich über die Jahre schon dran gewöhnt, dass sie mich am Wochenende gar nicht sehen. Wenn wir uns also treffen, dann ist das meistens unter der Woche. Alle zwei bis drei Wochen ist bei uns z.B. Männer-Abend. Da treffen wir uns Mittwochs und gehen einen trinken. (lacht). Und man braucht eine verständnisvolle Freundin. Da habe ich großes Glück, dass meine Freundin auch DJ ist. Sie kennt also die Szene und weiß, wie es ist, diesen Job zu machen. Wir arrangieren uns also ganz gut damit.

Lass uns über Musik sprechen. Was war dein letzter Ohrwurm, der kein Electro-Song ist?

Oha. Da muss ich überlegen. Ich höre halt relativ viel Radio. Wie heißt denn dieser Song. (überlegt). Achja! „Take me to Church" von Hozier. Das war ein richtiger wochenlanger Ohrwurm, den ich nicht raus gekriegt habe.

Du beschäftigst dich per se auch viel mit der technischen Seite von Musik, weil du ja auch das Label Stil vor Talent" besitzt und dadurch viel Musik bewerten musst. Kann man das eigentlich auch abschalten und abgehen, wenn du selbst mal ein Konzert besuchst, oder ist man immer so im Bewertungs- und Vergleichsmodus?

Also nüchtern ist das mit dem Abschalten eher schwierig. (lacht). Wenn ich zuhause Musik höre, zum Beispiel Radio, dann laufen bei mir im Hinterkopf immer Gedanken wie „Okay, wie hat der das jetzt produziert, welche Instrumente hat er benutzt". Dann analysiere ich schon relativ viel. Aber wenn ich zum Beispiel Mittwochs mit meinen Kumpels einen trinken gehe und danach in den Club, richtig feiern mit allen auf der Tanzfläche, dann ist das nicht so. Dann ist das einfach, dass man sich gehen lässt und alle Spaß haben.

Insgesamt macht es der technische Fortschritt heute immer einfacher Musik zu machen. In anderen Interviews hast du dich da ja manchmal etwas gespalten dazu geäußert. Im Sinne von, es ist gut, dass junge Menschen zur Musik finden, aber oft sehen sie sich zu vorschnell auf dem Weg nach ganz oben. Was wäre denn für dich der Ideale Mittelweg? Erstmal ein paar Jahre Klinken putzen?

Klinken putzen sicher nicht im Sinne von: Sich die ganze Zeit bewerben und einschleimen, damit man irgendwo bei einem Label angenommen wird. Sondern eher Klinkenputzen bei sich selbst, im Sinne von, dass man in sein eigenes Trainingslager geht und sich längere Zeit mit der Musik und dem, was man macht, befasst. Vielleicht bedeutet das, dass man ein Instrument oder Noten lesen lernt. Sich mit der Software, dem Keyboard und dem Mischpult befasst, welches man angeschafft hat. Da muss man sich reinfuchsen und besser werden. Die ersten Lieder, die man dann fertig hat auch mal vergleichen mit dem, was andere, bekanntere Produzenten so gemacht haben und davon lernen. Man muss sich immer die Fragen stellen: „Was kann ich besser machen?" oder „Wie kann ich meinen eigenen Stil finden?". Und danach kommt dann die Phase, in der man sich bewirbt. Bei Stil vor Talent merke ich schon, dass sich Leute den Magic Musik Maker gekauft haben, sich zwei, drei Wochen hingesetzt haben, das erste Lied zusammen geschustert haben und uns dann sofort ein Demo schicken. Die Leute sind dann auf den schnellen Erfolg aus. Man merkt nicht mal, ob ihnen die Musik Spaß macht. Wir bei Stil vor Talent achten darauf, dass wir Leute aufnehmen, die Musik lieben und das als Handwerk verstehen. Und das kommt meist dann, wenn man sich damit viel befasst.

Grundsätzlich ist bei mir in den letzten Jahren der Eindruck entstanden, dass sich die Musikrichtungen und Stile, sowie die Fanszenen nicht mehr so klar voneinander abgrenzen. Hip-Hopper machen Musik mit Indie-Musikern, Elektro-Acts stellen sich E-Gitarre und zwei Schlagzeuge auf die Bühne oder treten bei großen Rock-Festivals auf. Wie ist dein Eindruck? Ist erlaubt, was Spaß macht, oder glaubst du, dass es sich in Zukunft wieder mehr in Richtung klarer Strukturen entwickeln wird?

Ich habe in dieser Hinsicht, glaube ich, eine kleine Entwicklung durch gemacht. Am Anfang fand ich das gut, als das angefangen hat, dass alle so aus ihren Nischen raus gekommen sind. Man hat gemerkt, dass die Leute Dinge ausprobieren wollten. Aber im Moment habe ich schon manchmal die Sorge, dass sich das alles zu sehr vermischt. Man kann inzwischen Tracks, zu denen die Leute „Deep House" sagen, zum Beispiel von Robin Schulz oder so, von einem waschechten Pop-Song gar nicht mehr unterscheiden. Also da ist ja schon die Gefahr da, dass die Dinge, die dann „Deep House" oder „House" genannt werden, gar nichts mehr mit der entsprechenden House- und Techno-Kultur zu tun haben. Ich bin im Moment also eher wieder für etwas klarere Strukturen. Denn auch das Publikum vermischt sich dann ganz stark. Wenn dann die ganzen Kiddies und die normalen „alle Farben"-Leute auf ne House-Party kommen und ich steh da auf der Bühne, mache meine Musik und dreh meinen Joint und die denken „Oh Gott, was ist denn mit dem Junkie los". (lacht). Was ich damit sagen will ist, dass diese klaren Strukturen und dass man in seiner Szene unter sich ist einfach auch nicht schlecht ist.

Hast du denn in der Hinsicht Erfahrungen gemacht, dass Leute auf dich zu gekommen sind und gesagt haben: Ich hab mir unter der Veranstaltung eigentlich was ganz anderes vorgestellt?"

(überlegt). Man kann das ja auch manchmal in den Kommentaren zum Beispiel bei Facebook lesen. Letztens zum Beispiel hab ich von der Fusion gelesen. Da waren Kids zum ersten Mal auf dem Festival, das es so schon länger gibt, die nur die sehr poppige Art unserer Musik kennen. Die schreiben dann auf Facebook: „Woaaah, was war das denn für ein krasses Festival. Überall total harte Boom Boom- Musik." (lacht). Da muss man denen schon sagen, dass das was im Radio läuft überhaupt nicht das ist, was man erwarten kann. Das ist das, was ich meine.

Nun bist du wieder in der Region unterwegs und trittst beim Lucky Lake Festival auf. Die Location lädt mit angrenzendem Stausee ja auch ziemlich zum Chillen ein. Stellt man sich als Künstler auch auf solche Dinge ein und holt extra Kracher raus, um die Leute von den Liegestühlen zu locken oder nimmt man die Atmosphäre mit und ummalt das Ganze mit entspannter Musik?

Ich stelle mich schon auf die Begebenheiten ein. Ich hoffe zwar nicht, dass ich da hinkomme und alle liegen in Liegestühlen da. Wäre aber auch mal ne Herausforderung. (lacht) Grundsätzlich ist es so, dass ich so seit einem dreiviertel Jahr wieder etwas härter spiele - nicht mehr ganz so melodiös, sondern ein bisschen mehr Techno, etwas schneller. Aber ich bin auch ein toleranter und flexibler Typ. Wenn ich also irgendwo hinkomme und es ist praller Sonnenschein und alle laufen in Badehose und Bikini durch die Gegend, dann passt düstere, harte Musik einfach nicht. Dann hol ich auch mal wieder ein House-Set rein und fange melodischer und langsamerer an, um die Leute so ein bisschen hin zu führen. Ich entscheide das also relativ spontan und vor Ort. Das ist auch total wichtig, dass DJs das heutzutage so machen und nicht einfach nur stumpf ihr Programm runter ziehen.

 Vielen Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir noch einen schönen Urlaub und wir freuen uns auf den 06. September!

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