Interviews
23.08.2015 Vincenzo Sarnelli  
Auf ein Glas mit.... Marco van den Berg

Genau das Richtige

Nein, leicht hat er es nicht, der neue Trainer des Trierer Basketballclubs, der sich Gladiators Trier nennt. Nach der Insolvenz der TBB Trier, muss aus dem Stand, quasi von Null ein neuer Club aufgebaut werden. hunderttausend.de traf sich im Rahmen der Reihe "Auf ein Glas mit..." mit Marco van den Berg um diese Mammutaufgabe zu besprechen. Es wurde ein Gespräch über Basketball, Schicksal und Respekt.

 
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Wenn Marco van den Berg über Basketball spricht, leuchten seine Augen. Er benutzt Worte wie "wunderschön" und "wunderbar" und es ist nicht der mangelnden Sprachkenntnisse geschuldet. Der Niederländer spricht hervorragend deutsch und meint was er sagt. Zumindest kauft man es ihm ab. Er ist kommunikativ und offen, auch gegenüber der Presse (Bild). Man könnte fast schon sagen, dass er maximal transparent ist. Zumindest redet er nicht um den heißen Brei herum - das, was er sagen will, sagt er, das was er nicht sagen will, sagt er nicht. Deshalb hat er auch mit unseren Assoziationsfragen kein Problem und antwortet schnell:

hunderttausend.de: Was ist das Erste, was Sie morgens tun?
Ich begrüße meine Hunde.

Lieber digital oder analog?
Analog.

Zug oder Fahrrad?
Fahrrad

Sie stecken in einem Aufzug fest. Lieber mit Rudi Völler oder Frank Rijkaard?
(lacht) Ist mir egal mit wem. 

Wofür geben Sie zuviel Geld aus?
(überlegt) Zuviel hieße ja im Prinzip "unnötig". Deshalb: Für Nichts.

Wofür kann man nicht genug Geld ausgeben?​​
Kleine Geschenke für die Menschen, die man liebt.

Wir werden dramatisch. Morgen geht die Welt unter. Was machen Sie heute Abend?
Ich mache einen tollen Abend mit meiner Familie und gutem Essen.

Was gibts dazu zu trinken?
Guten italienische Wein. (lacht)

Marco van den Berg ist ein Familienmensch. Es ist ihm eine gewisse Demut anzumerken, wenn er von seinen Liebsten spricht. Bei seiner ersten Station im deutschen Basketball in Bayreuth wurde das irgendwann zur Zerreisprobe. Das Pendeln zwischen den Niederlanden und seinem Arbeitsort wurde als Problem ausgemacht und van den Berg ging zurück in sein Heimatland. Für Trier sieht er kein Problem. "Ich habe das mit meiner Familie lange besprochen. Diese Aufgabe hier ist eine, die ich machen muss. Ich will wieder am Rand stehen und die Emotionen spüren. Das hier ist das genau Richtige."
Man könnte denken, dass diese Sätze Floskeln wären, wenn man sich die Vorraussetzungen anschaut, unter der van den Berg seine ersten Monate als ProA-Trainer verbringen muss. Einen Basketballclub neu aus der Asche zu heben, ist eine Aufgabe, die viel Zeit und Energie frisst. Alles muss neu bedacht, geplant und besprochen werden. Auch muss viel zerbrochenes Porzellan im Umfeld wieder aufgesammelt, Vertrauen zu Sponsoren und Fans wieder hergestellt werden, nachdem die TBB Trier Insolvenz anmelden musste. Van den Berg sieht die Problematik, grenzt sich von ihr aber genauso schnell wieder ab. "Wir sind nicht verantwortlich für alte Fehler. Unsere Aufgabe ist es, auf die Menschen zuzugehen und ihnen das Feuer zurück zu geben." Der 50-jährige scheint dafür der richtige Mann zu sein. Die Auffassung seines Sports lässt etwas zu, von dem es im Trierer Basketball in letzter Zeit eher wenig hatte: Positivismus. van den Berg lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Ort, diese Zeit und dieser Sport die besten Vorraussetzungen sind um etwas zu schaffen, ein Ziel zu erreichen. Und er hat den eindeutigen Plan. 

Marco van den Berg ist als Kind zum Basketball gekommen, weil das eine Sportart war, die kaum jemand praktiziert hat. In den Niederlanden sind Fussball oder Eisschnelllauf beliebt. Van den Berg wollte mehr als das, er hatte diese Gleichmacherei satt und wurde schon beim ersten Besuch eines Basketball-Trainings mit diesem Virus infiziert. Dieser Virus des o​rangenen Balles und dem 3,05 Meter hohen Korbes. Hinzu kommt wie so oft ein Trainer, der die Begeisterung und das Talent des jungen van den Berg erkennt und es fördert. Es braucht diese besonderen Momente, das gewisse Etwas, was die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammen geführt. Das Feuer war entfacht. Es ist das Feuer, dass in den Augen van den Bergs brennt, wenn er über "seinen" Sport spricht. Mit 18 spielte er in der holländischen dritten Liga, Mit 20 dann der Aufstieg in die Erste. Alles schien bereit für eine gute Basketballkarriere. Doch wie so oft, hatte das Schicksal etwas anderes vor. Eine Knieverletzung zwang den damals 22-jährigen zum Verzicht. Van den Berg haderte nicht lange, suchte nach Alternativen, als sein damaliger Erstliga-Coach im anbot, Assistent in seinem Trainerteam zu werden. Mit 22 Jahren. In der höchsten niederländischen Basketballliga. Eine Entscheidung, die man mutig nennen könnte, aber ob des Talents van den Bergs "sein" Spiel zu lesen, zu analysieren, eine, die mehr als verständlich war. "Am Anfang stand ich da, mit Jungs die teilweise älter waren als ich. Und ich sollte denen jetzt was beibringen? Das Training gestalten?" Van den Berg übernahm diese Verantwortung und machte aus seiner Situation eine Tugend. Viel konnte er aufgrund seiner Erfahrungen mit alten Trainern mitnehmen und so den Spielern vermitteln, dass sein Wissen über "sein" Spiel ausreichte. Und die Spieler verstanden. 

"Man muss den Sportlern vermitteln, dass dieser Sport etwas wunderbares ist und unser Beruf der Beste auf der Welt. Dafür braucht man Respekt und Demut. Das ist eine Grundvorraussetzung, um besser zu werden." Worte, die in Zeiten einer Marketingmaschinerie wie der NBA fast schon Idealistisch klingen. "Sie sagen Idealismus. Ich sage, dass schon Michael Jordan verstanden hat, dass man ein Spiel nicht alleine gewinnen kann. Vielleicht entscheiden, aber nicht gewinnen." Van den Berg hält nicht viel vom amerikanischen Basketball-Zirkus. Sein Blick geht eher nach Europa, in die Euro-League. "Hören Sie sich mal an wie Vasilios Spanoulis​ (Griechischer Basketballer, Anm. d. Red.) auf einer Pressekonferenz spricht. Das ist ein Basketballer, der Respekt hat. Vor dem Sport und seinem Werdegang." Basketball spielen nicht zum Zwecke der eigenen Profilierung. Sondern als Inspiration für sich und andere. Dem Sport dienen, nicht als Untertan, sondern als Persönlichkeit und Teil von einem großen Ganzen sein. Van den Bergs Verständnis von Basketball kommt n​​ur mit großen Worten aus. Er kann aber auch konkret: "Cleveland Cavaliers in den NBA-F​inals. Die haben 23 mal gedribbelt dann Lebron James den Ball gepasst und der musste dann einen schwierigen Wurf nehmen. So gewinnt man keine Finals." Der Basketball-Lehrer weiß, dass die NBA die beste Liga der Welt ist. Aber er glaubt nicht daran, dass es reicht, diese einfach zu kopieren. Er will seine eigene Kultur, die von der Jugend lebt und vom Manschaftsgeist. Vom Zusammenhalt und Respekt untereinander. Vom großen Ganzen, statt vom großen Star. Es ist diese Herausforderung mit diesem Weg nach oben zu kommen. 

Van den Bergs Idee von Basketball ist eine der Schule der 90er Jahre. Frei nach dem Motto: "Offense gewinnt Spiele, Defense gewinnt Titel" verlangt er von seiner Mannschaft nicht weniger als die Aufopferung für die Verteidigung und im Rebound. Grade die Kleinigkeiten machen oft den Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage aus. Einen Schritt zu wenig, einmal gepennt und das Spiel geht verloren. Diese Philosophie hat er auch dem Nachwuchs in Groningen beigebracht. Bis zum Engagement in Trier hat er dort in einer Jugend-Akademie Kids das Spiel näher gebracht. "Wir haben uns zusammen ein Euro-League-Spiel angeschaut. Und während die Kinder eher auf spektakuläre Dunkings geschaut haben, habe ich ihnen gezeigt, was gutes Passspiel ist."

Bezogen auf Trier, ist es wohl wieder einer dieser Momente wo der richtige Mann am richtigen Platz ist. Der Kader der Gladiators ist jung. Sehr jung. Der älteste Spieler ist 25 Jahre alt. Seine Ziele sind ambitioniert. "Wir wollen die beste Verteidigung der Liga stellen. Wir wollen die meisten Rebounds holen. Wir wollen den Ball die meiste Arbeit machen lassen, ihn nicht lange in einer Hand halten. Wir wollen guten Basketball spielen. Darauf können Sie mich festnageln." Alte Gesichter aus der letzten Saison sind in Trier im neuen Kader nicht vorhanden. Er besteht zu großen Teilen aus Jungs die hungrig sind, weil sie vor dem nächsten Schritt in ihrer Karriere stehen, oder nach Verletzungen etwas zurück gefallen waren und jetzt wieder neu angreifen wollen. Van den Berg sieht in all dem keinen Nachteil, vor allem auch weil Trier ein Traditionsstandort ist bei dem Basketball gelebt und geliebt wird. Auf die Frage, was Tradition eigentlich heute noch zählt, gibt er eine Antwort die jedem Ultra Tränen der Rührung in die Augen treiben müsste: "Ohne Tradition gibt es keine Kultur. Ohne Kultur gibt es keine Entwicklung. Ohne Entwicklung gibt es kein Gesicht. Und ohne Gesicht gibt es keine Emotionen. So einfach ist das." Auch hier ist es ihm wichtig, dies nicht bloß im Raum stehen zu lassen. "Schauen Sie sich Wimbledon an. Warum ist das Turnier so besonders? Jeder Ego-Zocker steht da plötzlich in weißen Sachen und isst Erdbeeren mit Schlagsahne. Tradition vermittelt Werte. Das muss man transportieren und zum Vorbild werden: Für Kinder, aber auch für den Sport selbst. Sehen Sie die Menschen in der Geschäftsstelle. Die haben in zwei Monaten einen Basketball-Club mit Etat aus dem Boden gehoben. Wir spielen in der zweithöchsten Spielklasse. Soviel Liebe und so viel Aufopferung. Das ist der Wahnsinn. Das ist ein gesunder Boden, auf dem unser Plan reifen kann."
Van den Berg ist Idealist und Positivist. Im besten Sinne. Er mag es wenn es einen guten Plan gibt. Und er ist sich sicher, einen zu haben: "Das Ziel eines jeden Leistungssportler muss es sein die Nummer Eins zu werden. Die Richtung muss nach oben gehen. Bei einem Berg kommt immer der Aufstieg bevor man die Aussicht genießen kann. Klar kann man unten am Fuß des Berges bleiben. Aber dann kann man niemals in die Ferne schauen." Seine bildhafte Sprache benutzt van den Berg immer dann, wenn er etwas erklären will, anschaulich machen will, was er meint. 

In vielen Hinsichten ist der Coach auch Realist. Denn für ihn ist Realismus mit dem zu arbeiten, was die Begebenheiten hergeben. Das ändert aber nichts daran, dass man das, was wird, beeinflussen kann. Mit Begeisterung und Hingabe. Und dem gewissen Feuer, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.​

Foto: Stefan Kölbel

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