Interviews
19.07.2015 Julia Nemesheimer Vincenzo Sarnelli
Interview mit Laas Koehler

"Ich will nur spielen!"

​Die Trierer Künstlerszene hat seit Anfang Juni einen neuen Spielplatz. Vielmehr aber hat Laas Koehler hier seinen ganz persönlichen Raum, den er mit Konzeptkunst, Aktionen und jeder Menge Herzblut füllt. hunderttausend.de hat sich mit ihm unterhalten.  

 
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Was steckt hinter KM9?

Die Idee ist ja eben nicht nur 12 mal im Jahr ne Vernissage hier zu haben und Wein auszuschenken, sondern das hier ist ein großer Raum für viele Ideen. Gerne können Künstler, Musiker oder Autoren hier vorbeikommen und sich mal mit mir unterhalten, wenn das dann auf gegenseitiger Sympathie beruht, kann man sich dann hinsetzen und sich überlegen, ob man zusammen arbeiten möchte. Jetzt könnte man auch zu einem Kunstverein gehen oder sonst wohin, aber die werden dir dann sagen, dass 2016 im Sommer vielleicht noch was frei ist für eine Ausstellung. Aber dieser Raum hier, KM9, ist eben für die kleineren Dinge, die auch von Spontanität leben. Wenn wirklich alles passt, dann kann ich sagen: "Geil, machen wir, haste nächsten Freitag schon was vor?" - und dann läuft das. 

Vieles wird ja im Internet kommuniziert, auch was gerade hier abgeht, aber so insgesamt. Wie stehst du dazu?

​Zum Internet hab ich ja mehr so eine Hassliebe. Es ist natürlich wichtig und spannend, weil man auch schauen kann, was an anderen Orten so abgeht, aber ich treffe die Leute nie. Was bringt es mir denn, wenn 3000 Leute mein Foto auf Instagram liken, aber die 300, die über die Wochen in meine Ausstellung kommen - die mag ich. Von denen unterhält man sich mit 30 so richtig intensiv und so 10 Leute bleiben dann auf einer fast schon freundschaftlichen Ebene erhalten. Da schwingt sehr viel "Think Global, Act Local" mit, in dem, wie ich das Internet nutze. 

Die Finanzierung von Kunst ist ja oft schwierig, grade wenn man als frei schaffender Künstler darauf angewiesen ist. Wie funktioniert das bei dir?

Im Endeffekt bin ich ganz zahm und will nur spielen. Ich mache Angebote, die genutzt werden können, aber nicht müssen. Eine Art Geschenk, das angenommen oder abgelehnt und auch weitergegeben werden. Der Raum soll vor allen Dingen spielerisch betrachtet werden ohne verkrampft zu wirken. Trotz allem geht es aber natürlich auch um Geld, denn die Existenz muss ja auch irgendwie gewahrt werden und die Miete zahlt sich nicht von selbst. Aber das ist prinzipiell ein Problem von Kunst, das viel zu wenig von den Menschen dort hinein investiert wird. Natürlich verkauft man als Künstler immer mal wieder etwas, auf Kunstmärkten beispielsweise, und natürlich hat man nicht immer das Geld, groß zu investieren, aber wenn man die Möglichkeit hat, hier und da mal kleine Beträge zu lassen und den jeweiligen Künstler so zu unterstützen, dann sollte man das tun. Der Wert von Kunst scheint echt sehr gering zu sein: Man bezahlt zwar ohne mit der Wimper zu zucken 5,00 Euro oder mehr im Coffeeshop, aber ist nicht bereit, etwas Beständigeres für 10,00 Euro zu kaufen. So verkaufe ich zum Beispiel auch Postkarten, damit man sich auch mal etwas Kleines als Andenken mitnehmen kann. Museen, Theater und die Kunst funktionieren halt einfach nicht, ohne dass man auch etwas da lässt. Auch hier im Karl-Marx-Viertel ist es es ähnlich und auch wichtig für die Entwicklung: Man kann hier sein Konsumverhalten sehr bewusst steuern, indem man zuerst einmal schaut, was die Läden um einen herum anbieten bevor man sich an den Rechner setzt und alles online bestellt. 

Du machst sehr viel an vielen Stellen der Trierer Kunstszene. Langweilst du dich schnell? brauchst du immer wieder Neues? Und gibts du auch mal Sachen ab?

​Ich bin ja Full-Time-Künstler, daher bin ich nunmal in einigen verschiedenen Projekten tätig, aber ich hab auch wenig Probleme damit, Sachen wieder abzugeben. Den Kunstsalon in der Tufa beispielsweise habe ich damals dort ins Leben gerufen, heute macht Rainer Breuer einen super Job und das auch schon seit einigen Jahren. Aber für mich persönlich hatte es irgendwann seinen Reiz verloren. Aber sonst habe ich einen recht langen Atem. Wenn man mich ein wenig kennt, dann weiß man auch, dass es den ein oder anderen roten Faden gibt, der sich durch meine Arbeiten zieht. Wenn ich mich bei Kunstvereinen engagiere, dann mach ich das aber vor allen Dingen aus Interesse und aus Spaß, weil ich ja schließlich etwas machen kann, was mich ausfüllt und was mich mit Freude erfüllt. Kunst wirkt weniger wie Arbeit für mich insgesamt - es ist einfach meine Leidenschaft, die ich mir zum Beruf gemacht habe, ich kann mich also ziemlich glücklich schätzen mit dem, was ich für Möglichkeiten habe. 

Wie arbeitest du als Künstler?

​Ich bin Konzeptkünstler, der mit Kommunikation und auch mit mir als Person arbeitet, daher ist der ganze Raum ein einziges Kunstwerk. Mein Spielplatz der Kunst, darum ist alles hier drin Kunst. Viele Dinge funktionieren hier drin auch nur in Verbindung mit mir selbst und erst dann, wenn man mal mit mir in Kontakt getreten ist. Ich bin auch ein bisschen hyperaktiv und nehme sehr viel auf. Ich arbeite daher auf vielen verschiedenen Ebenen. So viele Ideen, die ich habe, kann ich gar nicht umsetzen, aber ich schreibe mir das alles auf Zettel, mit einer kleinen Skizze, damit ich mich auch in drei Jahren wieder daran erinnern kann, was ich damit meinte. Durch die Zettel habe ich so viel, selbst wenn ich jetzt eine Blockade hätte, hätte ich genug Material, um bis an mein Lebensende diese Ideen abzuarbeiten. Ich arbeite sehr viel mit dem Bauchgefühl, mich interessiert es nicht, ob das irgendwer vor mir schonmal gemacht hat.  

Hier drin passiert ja einiges: Die Laas-Look-Alike-Wochen, ein Kochabend und vieles mehr. Was findet da statt, warum und wie muss man sich das vorstellen?

​Die Happenings, die hier drin passieren, sind wie Performances: Sie finden statt, aber werden nicht festgehalten. Du hast danach nur deine Erinnerung, aber man kann es nicht wiederholen. Das heißt, entweder man kommt und nimmt eben dies mit oder man bleibt eben weg, hat dann aber was verpasst. Bei Bring your own Art zum Beispiel ging es darum, dass man als Künstler oder als Käufer eine Arbeit mitbringt und man sich dann darüber unterhält, warum man dieses Werk gemacht oder gekauft hat. Zehn Leute waren an dem Abend da und wir haben uns drei Stunden lang unterhalten. Eine Andere Aktion war in Kooperation mit der Aids Hilfe Trier, bei der der ganze Raum verhüllt war und ich danach nicht im Internet offenbart habe, was tatsächlich hier passiert ist. Das ist quasi ein Geheimnis zwischen mir und den Leuten, die hier waren. Da schwingt auch wieder ein bisschen Kritik am Konsum und am Internet mit, denn ich weiß nicht mehr, was ich gestern so im Web getrieben hab, aber so ein Event oder irgendein reales Erlebnis in der echten Welt, das mich bewegt hat, das bleibt auch nach Jahren noch in meinem Gedächtnis. 

Wie nehmen die Trierer dein Angebot hier auf? Was für Leute kommen hier vorbei und sind das oft die selben oder erkennst du ein Muster?

Nach den Wochen, die ich den Raum geöffnet habe, hab ich die Erfahren gemacht, dass die Leute, die vorbeikommen, total offen, begeistert sind und sich freuen, dass hier etwas stattfindet, was sie sonst nirgends finden. Hier kommen jetzt nicht pro Tag 50 Besucher, aber man merkt, dass ein Bedarf da ist und diesen möchte ich abdecken​. Mein Mietvertrag geht auch erstmal nur bis Ende des Jahres, eine Art Probelauf also, damit ich sehen kann, wie es läuft.

Aber die Leute die vorbeikommen sind interessant. Teilweise hab ich das Gefühl, der Raum ist für ein paar Leute wie ein Magnet, der sie immer wieder anzieht. Faszinierend ist auch zu sehen, wer alles noch nicht da war. Und über die Leute, die komplett neu sind und die ich vorher noch nie gesehen habe, freue ich mich natürlich sehr. 

Was ist in der nächsten Zeit denn so geplant?

Demnächst startet das Projekt I AM, das wird ein Museum „Independent Art Museum", eine Wand im KM9, die ich als solches deklariere. Und alle die hier ausstellen, können später in ihre Vita schreiben, dass sie im Museum ausgestellt haben, was in der Kunstszene wirklich einiges hermacht. Die Eröffnung ist am 24. Juli um 19:30 Uhr. Gezeigt werden Instagram-Fotos unter dem Titel „Instagram-Offline" und bringe somit diese Kunstform ins reale Leben. Jede Woche zeige ich dann in Originalgröße, aber gerahmt, acht wechselnde Bilder von unterschiedlichen Menschen. Das wird dann ein größeres Projekt, genauso wie etwas, das ich für das Straßenfest hier im September geplant habe. Aber so kleinere Sachen, die entstehen oft auch spontan und werden bei Facebook angekündigt, darum sollte man dort immer mal wieder reinschauen oder einfach vorbeikommen. 

Du hast eben schon das Karl-Marx-Viertel angesprochen. Wie fühlst du dich hier so, nachdem du jetzt diese neue Nachbarschaft erleben kannst?

Naja, seit dem 1. Juni seh ich mich hier als Mitstreiter. Ich möchte, dass das Viertel sich aufwertet. Jetzt nicht in dem Sinne, dass die Mieten steigen und so was, sondern, dass die Leute hier gerne hinkommen, weil es einfach ein schönes Viertel ist. Zwischendurch denk ich hier echt, ich wäre in Hamburg, St. Pauli, mit dem Supermarkt, Rotlichtszene haben wir hier auch und Kunst ist auch vorhanden. Ich versuche in jedem Fall seitdem verstärkt hier in der Nachbarschaft einzukaufen - wieder dieses "Think Global, Act Lokal". 


Das KM9 ist jeden Dienstag und Donnerstag von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet und heißt jeden Interessierten herzlichst willkommen. Wer ein bisschen Zeit mit bringt, kann sich wunderbar mit Laas über Kunst, die Welt und das Leben unterhalten und sicherlich etwas mitnehmen. Wenn man ihn und diese Idee mag, kann man auch gerne etwas dalassen, das ihn auf irgendeine Art und Weise unterstützt, Möglichkeiten gibt es viele! ​​

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