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22.07.2016 Jimi Berlin Veranstalter
Kornelius Flowers: Vintage Hedonist

Old School, vintage, amtlich

​Seit Martin Schümmelfeder aka Kornelius Flowers 1992 mit seiner Hardpolka-Band The Shanes seine erste Platte aufnahm, ist viel Zeit vergangen, aber der Musiker, der in Auftreten und Aussehen bisweilen an Nick Cave erinnert, ist seiner Vorliebe für eingängige Rocksongs mit Countryattitüde auch auf seinem Soloalbum Vintage Hedonist treu geblieben. 

 
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Um es vorweg zu nehmen: Vintage Hedonist ist ein sehr gutes Album geworden, geradlinig, mit schönen Melodien und von Herzen gerockten Gitarren. Geboten wird stilsicher aufgemöbelter, teilweise poppiger Country-Rock 'n' Roll, aber auch NewWave-Einflüsse und 60s Garage Rock sind herauszuhören.

Einfache Songs also, die meistens nach vorne gehen, mit einigen Midtempo-Nummern dazwischen. Einfache Beats, einfache Lyrics. Man könnte es auch anders herum betrachten. Kein überfrachtetes, artifizielles Gepose mit aufgemaltem Punkrocklogo, sondern eine zeitlose „It's only Rock 'n' Roll, but I like it"- Produktion.

Die Melodien sind eingängig, als hätte man die Songs schon mal gehört. Nicht das schlechteste Konzept für Rock- und Popmusik, die sich seit jeher als eine Art rezipierende Endlosschleife präsentiert. Vielleicht wird man deswegen auch den ein oder anderen Song mal im Mainstream-Radio hören können, ohne sich gleich am Kaffee verschlucken zu müssen wie beim üblichen Soundbreiangebot von Chris de Burgh bis David Guetta.

Mit "Fire In The Air" schaffte es ein Track auf die CD-Beilage der Juli-Ausgabe des Rolling Stone, dessen Redaktion zudem den „Tom Petty aus Trier" zu hören meinte. Nun ja. Wie die anderen Songs des Albums überzeugt der Titel durch eine eingängige Melodie und ein tight gespieltes Arrangement, das mit einem Bob-Dylan-Gedächtnis-Mundharmonika-Solo die Portion Vintage spendiert bekommt, die im Albumtitel beschworen wird. 

Opener des Albums ist eine charmant schnörkellose Coverversion inclusive Handclaps, "ABBA" von James Henderson Charles, die allerdings nichts mit dem schwedischen Popquartett zu tun hat, sondern eine typische Boy-Girl-Story über ein Mädchen namens Abba erzählt.

Weitere Titel wie "Evil Head", "When Will I Be Your Man" oder "I Declare War" sind schöne Geradeaus-Rocker mit genretypischen Gitarrensoli und straighten Drums, während ruhigere Songs wie etwa "Buried As A Child" oder "I Don't Believe In Anything" eher Country und Westcoast-Rock zitieren, ohne an Originalität einzubüßen.

Mit dem Hüsker Dü - Titel "The Girl Who Lives On Heaven Hill" findet sich eine weitere Coverversion, die Kornelius Flowers schon auf der letzten Shanesplatte interpretiert hatte. Indierocklegende und Songwriter Grant Hart war davon so begeistert, dass er die Aufnahme auf seinem eigenem Label herausbringen wollte. Für Vintage Hedonist wurde nun eine härtere Version eingespielt, die sich näher am Original befindet.

Insgesamt ist Vintage Hedonist kein typisches Soloalbum. Zwar stand für Kornelius Flowers grundsätzlich im Vordergrund, alleine über Songs, Sound und Arrangement entscheiden zu können, aber außer der Rhythmusgitarre sollten andere seine Ideen umsetzen und auch beim Songwriting ließ er sich teilweise unterstützen. Mit Bassist Herr Dannehl und Gitarrist Matt Dawson von seiner Hauskapelle The Shanes, sowie Drummer Michael Stein (Final Chapter, Red Circuit) und Pianist Norbert Schmitz präsentiert sich eine cool rockende Albumband, die von Titel zu Titel von anderen Gastmusikern ergänzt wird. Im Line-Up mit Fred Barreto, Hendrik Winkels, Stefan Völpel, Steff Becker, Daniel Selbersuess und vielen anderen findet sich dann ein Who is Who der regionalen Rockmusikszene.

Für den aufgeräumten aber trotzdem druckvollen Sound, der die Platte wie aus einem Guss erscheinen lässt, obwohl sie über einen Zeitraum von etwa anderthalb Jahren eingespielt wurde, sorgte der renommierte Produzent Kurt Ebelhäuser (Blackmail), der auch schon Alben von Pascow, Donots oder Adam Angst aufpolierte.   

Für Freunde von Flamin Groovies, Cynics, Tom Petty, Bob Dylan.

Gelegenheit, die Songs live zu hören bekommt man übrigens schon morgen, am 23. Juli 2016. Dann spielt Kornelius Flowers beim Kulturbeben im Brunnenhof. 

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