Interviews
25.06.2016 Vincenzo Sarnelli  
KMPFSPRT beim Fallig Open Air und dem Green Juice Festival

"So hört sich KMPFSPRT an"

​Vom 01.  bis zum ​03. Juli geht es am Stausee in Enkirch wieder rund. Das Fallig Open Air geht in eine neue Runde. Auch das Green Juice-Festival in Bonn, welches am 20. August 2016 stattfindet, ist wieder Teil der Festivallandschaft.  Bei beiden Festivals sind auch die Punkrocker von KMPFSPRT aus Köln, die im April ihr neues Album Intervention veröffentlicht haben, dabei. hunderttausend.de sprach mit Bassist Dennis Müller über die Platte, Erwartungen und das Älter werden. 

 
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​hunderttausend.de: Dennis, Euer Album Intervention ist jetzt einen Monat draußen und eine kleine Aufwärmtour liegt schon hinter euch. Wie sieht's aus? Zufrieden? Wie war so das erste Feedback?
 
Dennis Müller: Ja, das waren mehr so zwei Wochenenden, die wir jetzt gespielt haben. Die Konzerte laufen total super. Das Album wird sehr gut angenommen. Wir fanden es auch ganz witzig, dass wir irgendwann sogar eine E-Mail bekamen, dass wir auf Platz 74 der Album-Charts liegen, so für eine Woche, und dann direkt wieder raus geflogen sind (lacht). So dämlich diese Charts ja sind und so wenig uns das interessiert, ist es aber ja doch ein bisschen ein Zeichen, dass es angenommen wird. Das ist schön.
 
Erzähl uns doch mal etwas dazu, wie ihr an die Platte ran gegangen seid. Der Vorgänger Jugend mutiert wurde zurecht gefeiert. War es bei euch so, wie man sagt, dass das zweite Album das Schwerste ist?
 
Wir hatten ja zwischen den beiden Alben zwei Jahre, wir haben uns also Zeit gelassen. Anfang des letzten Jahres haben wir angefangen, wirklich am Album zu schreiben. Vorher ist erst mal unser Schlagzeuger, der Max, aus der Band ausgestiegen und uns war klar, dass wir mit dem neuen Album erst anfangen, wenn wir wieder komplett sind. Als Nico dann eingestiegen ist, haben wir konsequent angefangen daran zu arbeiten. Es hat dann anderthalb Jahre gedauert, es hat sich also etwas in die Länge gezogen, weil wir die Platte auf jeden Fall fertig haben wollten, bevor wir gucken, mit welchem Label man zusammen arbeiten könnte. Der normale Weg ist ja eigentlich ein bisschen anders. Wir haben aber grundsätzlich keinen wirklichen Druck verspürt, wir haben geschrieben wie immer.
 
Habt ihr damals beim Wechsel von Max Schreiber zu Nico van Hamme an Auflösung der Band gedacht und hat der Austausch etwas an der Herangehensweise an eure Musik, oder vielleicht sogar am Sound selbst geändert?
 
Zur ersten Frage: Es stand nie im Raum, dass wir aufhören. Das ist ja auch der Grund, warum wir  damals die Band gegründet haben. Richard, unser Sänger, hat früher in unseren alten Bands immer Gitarre gespielt und dann hatten wir immer das Pech, dass zum Beispiel der Sänger aufgehört hat und es dann mit den Bands nicht weiter ging und so. Er hat dann irgendwann gesagt: „Mir reicht's. Ich mach 'ne Band, in der ich singe und dann kann ich halt weiter machen, wenn jemand daraus aufhört". Für uns stand also nie in Frage, ob wir weiter machen. Das die Wahl auf Nico gefallen ist, war auch relativ schnell klar. Er war schon so etwas wie unser Wunschkandidat. Richard und Nico haben in ihrer ersten Band zusammen gespielt und ich bin da auch irgendwann eingestiegen. Das ist 15 Jahre her, wir kennen uns also schon lange, in- und auswendig. Nico war auch bei unseren alten Bands und bei der Entstehung der Platte Jugend mutiert involviert, weil er einfach ein sehr audiophiler Mensch ist, der sich sehr mit Sound auseinander setzt. Der war immer dabei, wenn es um Dinge wie Mastering oder mixen ging. Er wusste also, wie es bei uns läuft. Was die zweite Frage anbelangt, finde ich schon, dass es einen Unterschied macht, wer da am Schlagzeug sitzt. Beide sind hervorragende Schlagzeuger, aber sehr unterschiedliche. Max hat Schlagzeug an der Uni studiert, ist ein wahnsinniger Techniker und unfassbar guter Schlagzeuger, der das von der Pike auf gelernt hat und krasse Sachen machen kann. Nico ist jemand der viel groovebetonter spielt. Er hat sich das mehr oder weniger selbst beigebracht und bringt deshalb einen ganz eigenen Flow mit, den ich total super finde. Wahrscheinlich merkt man das nach außen nicht so, aber in der Band ist es schon deutlich. Vielleicht auch, weil ich Bassist bin. Man sagt ja immer, die Rythmussektion und so (lacht).
Es macht also für mich schon einen Unterschied, aber Nico macht das auf seine Weise total super. Die perfekte Wahl.
 
Ich fand ja interessant, dass ihr im ersten Song „Soundtrack zum Aufprall" auf der Platte direkt mal raushaut: „Wo es hingeht, weiß keiner genau" und „Ich lauf so schnell und komm doch niemals irgendwo an". Das ist natürlich spannend, dass ihr im Opener zu eurer Platte zugebt, dass ihr nicht wirklich wisst, wo die Reise hingeht…

(lacht) Ich glaube, das ist ein bisschen der Gesamtsituation geschuldet und bezieht sich gar nicht so sehr auf das Album an sich. Es ist ja auch schon auf der Jugend mutiert ein durchgehendes Thema gewesen und auch auf Intervention, dass wir halt keine junge Band mehr sind. Wir haben die 30 überschritten. Teilweise gehen wir schon auf die nächste runde Zahl zu (lacht). Und das ist so ein bisschen ein Abgesang an den anderen Lebensentwurf, der so ist, dass man in unserem Alter genau wissen muss, wo es hingeht und man fest im Sattel sitzt. Wir haben da dann immer noch dieses komische Bandding. Es ist also eher darauf bezogen. Das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Songs. Was sollen wir über irgendwelche Themen singen, die 20-jährige beschäftigen. Das sind wir halt nicht mehr (lacht).
 
Das Coming of Age-Thema ist in der Tat sehr präsent, wenn man eure Musik hört. Erzähl doch mal aus deinem persönlichen Alltag, wie leicht fällt es dir denn, dich der Erwachsenen-Spießigkeit und der dazugehörigen Zwänge zu widersetzen? Wie viel Punkrock seid ihr noch? ​

(lacht) Ja, das ist natürlich so eine Sache. Erstmal, wir verdienen unseren Lebensunterhalt nicht mit der Band. Wir sind auch keine Anfang 20 mehr und wohnen in irgendwelchen Studenten-WGs. Ich bin verheiratet und werde bald Vater. Man muss halt ein bisschen wissen, was man will vom Leben. Man kann auf der einen Seite sagen, dass es einem wichtig ist, einen guten Job zu haben, eine schöne Wohnung und ein Auto und dies und das, dann hat man halt andere Prioritäten. Das haben viele Leute in unserem Alter und das ist vollkommen in Ordnung. Das ist ja zum Beispiel auch ein Grund, warum Max ausgestiegen ist. Er will sich mehr auf seinen Job konzentrieren und mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen und nicht mehr soviel unterwegs sein. Das ist eine Situation, in der wir alle sind. Die Konsequenz ist total verständlich und okay. Die Band nimmt bei uns halt einen großen Platz ein. Nico zum Beispiel hat, als er eingestiegen ist, seinen Job gekündigt und sich einen anderen gesucht, damit er mehr Zeit für die Band hat. Er war aber sowieso nicht so glücklich da, wo er war und wollte einfach was anderes machen. Die Möglichkeit, bei uns einzusteigen, hat ihm dann den endgültigen Anstoß gegeben. Ich bin zum Beispiel freiberuflich unterwegs, kann mir meine Zeit deshalb etwas besser einteilen, verdiene aber mit Ende 30 sicher nicht so viel wie jemand anders mit der gleichen Ausbildung, der einen festen Job und einen klaren Lebensablauf hat. Man muss also Abstriche machen, aber dennoch würde ich für nichts in der Welt aufhören wollen Musik zu machen.

Ist die Band für euch der Urlaub aus dieser Mühle des Alltags?

Ja, auf jeden Fall. Es ist zwar so, dass bei David (Gitarrist Anm. d. Red.) und mir der Beruf auch mit Musik zu tun hat. Deshalb breche ich nicht so zwingend aus, wenn ich mit der Band unterwegs bin. Aber es ist schon so, wenn man sich in den Van setzt und zum Konzert fährt, dass es ein Durchatmen vom Alltag ist. Man kann das andere sehr gut abschotten und sein Ding machen.

Es ist sicher nicht immer leicht, Band und Beruf miteinander zu koordinieren. Besonders spannend ist das bestimmt im Sommer, wenn die Festivalsaison vor der Tür steht und man eigentlich jeden Tag, jede Woche woanders sein könnte. Ist der Sommer eine besonders schwere Zeit, weil man Angebote zum Spielen bekommt, die man dann aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen kann?

Eigentlich ist es sogar anders rum. Die Festivals sind hauptsächlich am Wochenende und das ist deshalb einfacher für uns unterzubringen. Schwierig ist es eher unter der Woche. Richard ist Lehrer und wenn Tourangebote kommen, die nicht in die Ferien in Nordrhein-Westfalen fallen, dann wird es haarig. Ich kann mich erinnern, dass wir vorletztes Jahr eine Tour gefahren sind, wo wir so Sachen gemacht haben wie: Abends in Potsdam gespielt, nachts nach Hause gefahren, Richard ist in die Schule gegangen. Wir haben ihn dann mittags dort abgeholt, sind nach Erfurt gefahren, haben da gespielt, nachts wieder heim und so weiter.

Krass…

Sowas halt. Das ist so ein Ding, ich will uns da jetzt nicht selbst auf die Schulter klopfen, aber daran sieht man, ob man das mit der Band will oder nicht. Ich kann mir sicher besseres vorstellen als Nachts fünf Stunden aus Erfurt nach Hause zu fahren und an einem Dienstagmorgen todmüde ins Bett zu fallen. Das sind halt so Dinge, die man manchmal absagen muss, weil man halt eben einen Job hat. Man muss seine privaten Termine schon der Band unterordnen. Mit 18,19 oder 20 ist das halt ein bisschen einfacher, als mit Mitte 30, wenn man auch einen Partner zuhause sitzen hat, der sich sagt: „Das ist jetzt das vierte Wochenende, an dem ich alleine hier bin". Da braucht man auch jemanden, der das mitmacht (lacht).

Lass uns abschließend nochmal zurück zur Platte kommen. Ich habe eine interessante Review gelesen, in der stand, dass ihr eine "andere Band" seid, als bei Jugend mutiert. Deutlich melodischer, im Gesang vor allem. Wie seht ihr das bandintern?

Richard hat vorher in Bands nie gesungen, sondern nur Gitarre gespielt und bisschen Backup-Vocals gemacht. Er musste das halt auch erst mal lernen. Es war also zunächst ein bisschen einfacher auf der EP oder der ersten Platte durch zu schreien, als tatsächlich zu singen. Da hat sich verdammt viel getan. Er ist selbstbewusster geworden, was das angeht. Das sind schon Veränderungen, die ​entstanden sind. Wir haben uns nicht hingesetzt und bewusst poppigere Songs geschrieben. Wir haben geschrieben wie immer. Ich hab das aber schon ein paar Mal gehört, dass es so wirkt, als sei es anders. Ich kann das schon nachvollziehen, weil Intervention im Vergleich zum Vorgänger einfach auch anders klingt. Jugend mutiert war von der Produktion her auch viel härter. Ich hab zuletzt gehört, dass der Song „Lichter" von der neuen Platte nicht nach uns klingt, wo ich dann einfach sage: Doch! Hör dir doch mal „Atheist" vom Vorgänger an. Da dachten wir auch erst: Der klingt ganz anders, gar nicht nach uns. Der Song fällt total raus aus der Jugend mutiert. Den etwas, na nennen wir es einfach mal, poppigeren Appeal hatten wir meines Erachtens schon immer, der hat sich jetzt vielleicht etwas deutlicher den Weg gebahnt. Eine bewusste Entscheidung war das aber jetzt nicht. Es ist halt so passiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auf einem nächsten Album wieder in eine andere Richtung geht. Auch wenn man das schwer sagen kann. Ich muss aber auch sagen, dass ich teilweise von den Rückmeldungen in die Richtung etwas überrascht war. Man kriegt so eine Entwicklung von zwei Jahren gar nicht so mit, wenn man selbst mittendrin steckt. Für einen selbst fühlen sich die Songs ganz natürlich an. Wenn man als Außenstehender nicht im Prozess involviert ist und nach zwei Jahren das neue Album vorgesetzt bekommt, kann es sicher sein, dass man es als „anders" empfindet. Für mich selbst ist es gar nicht so. Für mich hört sich so halt KMPFSPRT an.

Vielen Dank Dennis von KMPFSPRT. Wir freuen uns auch auf eure Live-Performance beim Fallig Open Air und dem Green Juice Festival.

Wir freuen uns auch!​

Foto: Per Schorn​

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