Stadtgespräch
20.02.2015 hunderttausend.de Veranstalter
Barrierefreies Museum

Geschichte spürbar machen

​Einfach ins Museum gehen und sich die neuste Ausstellung anschauen. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist dies gar nicht oder aber nur unter erschwerten Bedingungen möglich. "Nicht berühren"-Schilder und Glasvitrinen stellen oft unüberwindbare Hürden dar. Ein Pilotprojekt in Kooperation zwischen der Hochschule Trier und dem Stadtmuseum Simeonstift möchte das ändern.

 
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Studierende des Seminars "Crossmedia" im Fach Intermedia Design unter Leitung von Christopher Ledwig haben ein vielschichtiges Angebot entwickelt, um auch sehgeschädigten und blinden Besuchern des Museums einen Eindruck der Exponate vermitteln zu können. Denn es reicht nicht aus, Erklärungen der Exponate in Brailleschrift, also Blindenschrift​, anzubringen. Unabhängig davon, dass laut Schätzungen nur knapp 30 % aller blinden und sehbehinderten Menschen überhaupt die Schrift beherrschen, macht die Möglichkeit der Selbsterfahrung durch Nutzung anderer Sinne wie ertasten oder hören die Exponate erst erlebbar. Um dies zu ermöglichen, haben die Studierenden unterschiedliche Medien verwendet. Dinge aus dem High-Tech Bereich sind dabei ebenso vorhanden, wie ganz simple Elemente. 

So ist zum einen ein maßstabsgetreues Miniatur-Modell der Porta Nigra im modernen 3D-Drucker entstanden, eine kleinere Nachbildung eines Kleides aus dem berühmten Textilkabinetts des Museums wurde noch ganz traditionell von Hand genäht und geschneidert. Auch Töne spielen beim Konzept eine besondere Rolle. So können Blinde und Sehbehinderte einen Reliefnachdruck eines Bildes in die Hand nehmen, auf dem die einzelnen Linien des Bildes ertastbar sind und über Kopfhörer hören sie das Geräusch eines Bleistiftes der über Papier kratzt. Durch Verbindung dieser beiden Sinneswahrnehmungen, entwickeln betroffene Personen einen besseren Eindruck für Geschichte und Entstehung.  

Bei der Konzeption der Ideen wurde das Seminar der Hochschule von blinden Probanden unterstützt. Einer von ihnen ist Karl Kohlhass, der sein Augenlicht als junger Mann durch eine Krankheit verloren hat. Er geht davon aus, dass "aufgrund des demographischen Wandels in den kommenden Jahre die Zahl der Betroffenen drastisch zulegen" wird. Diese Entwicklung ist für Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die vornehmlich visuell geprägt sind eine enorme Herausforderung. 

Umso wichtiger ist es, dass grade Museen, die ihre gesellschaftliche Bedeutung aus der visuellen Veranschaulichung kultureller und geschichtlicher Zusammenhänge ziehen, diese Entwicklung annehmen und ihr ein Konzept entgegen setzen. Einfach ist es jedoch nicht. "Aufgrund vieler unterschiedlicher Bedürfnisse, die aus unterschiedlichen persönlichen Krankheitsbildern und Geschichten der betroffenen Personen entstehen, können wir Barrieren hier nur verringern. Selten ist es so, dass wir sie ganz abbauen können", sagt Seminarleiter Christopher Ledwig, "Wir müssen sogar aufpassen, dass durch unsere Arbeit nicht sogar neue Hindernisse entstehen".

Das Besondere an diesem Projekt ist darüber hinaus, dass es den Entwicklern nicht ausreicht die Exponate erlebbar zu gestalten. Zunächst haben blinde Menschen meist ein ganz  grundsätzlicheres Problem: Die Orientierung in unbekannten Räumen zum Beispiel. Hier möchten die Macher zusätzlich optimieren. Durch den, ebenfalls maßstabsgetreuen, Nachbau der Räumlichkeiten des Museums in kleinen Holzmodellen, wollen die Studierenden die Möglichkeit schaffen einen ersten Überblick über die Begebenheiten zu erlangen. Im Laufe des kommenden Sommersemesters sollen erste Umsetzungen der vorgestellten Ideen im Museum zu erleben sein.

Zunächst werden diese Veränderungen jedoch nur an ausgewählten Exponaten der Dauerausstellung vorgenommen. Ein groß angelegtes Ziel ist es, dass auch Sonderausstellungen so zugänglich gemacht werden könnten. Wie so oft, ist im Vorfeld vor allen Dingen die finanzielle Frage zu klären. "Förderanträge werden gestellt und das Museum wird Teile der Konzepte auf jeden Fall umsetzen", erklärt hierzu Alexandra Orth vom Stadtmuseum. 

Foto: Christopher Ledwig

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