Interviews
17.09.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Frittenbude im Mergener Hof

"Es ist nicht die Zeit für fröhliche Lieder"

​"Küken des Orion" heißt die neue Platte von der Elektro-Band Frittenbude. Auf dem Cover ist ein Lama. Diese Art von Kryptik ist ein Markenzeichen der Jungs aus Bayern, die mittlerweile nach Berlin gezogen sind. Zum Konzert am 05. Oktober im Mergener Hof sprach hunderttausend.de mit Sänger Johannes Rögner (Bild: Mitte)​ über die neue Platte, Dirk von Lowtzow und dem neuen Band-Gefühl mit zwei zusätzlichen Live-Musikern. 

 
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hunderttausend.de: Ihr habt euch mit dem neuen Album Küken des Orion" gut zwei Jahre Zeit gelassen. Bei den letzten Alben habt ihr immer einen Zwei-Jahres-Rythmus drin gehabt. Woran lags? ​

Johannes Rögner: Bei den vorherigen drei Alben hatten wir uns eine Deadline gesetzt. Wir haben uns für jedes Album immer nur eine bestimmte Zeit genommen. Beim Ersten waren es drei Monate, beim Zweiten ein halbes Jahr und beim Dritten war es dann ein Jahr. Aber irgendwie war das immer zu wenig Zeit, wir hätten immer noch gerne ein paar Dinge verändert. Deshalb haben wir uns beim vierten Album gedacht, dass wir uns erst mal keine Deadline oder eine ganz grobe zu setzen. Geplant war also eigentlich, das Album 2014 raus zu bringen, aber das haben wir nicht hinbekommen.

Das Album wirkt insgesamt melancholischer, nachdenklicher. Liegt das daran, dass ihr länger Zeit hattet und ihr dann mehr beeinflusst wurdet durch Dinge, die um euch herum passiert sind? Oder ist das eure Stimmung derzeit?

Das ist immer unsere Stimmung, die sich in den Alben widerspiegelt. Wir haben zwar offiziell länger an dem Album gearbeitet, aber die Dinge, die wir dort verarbeiten, passieren ja ständig um uns herum. Ich schreibe jeden Tag irgendwas auf. Das ist also unser Leben, dass man da hört. Es ist grade auch nicht die Zeit für fröhliche Alben. Es wäre komisch, wenn wir in so einer Zeit ein durchweg fröhliches Album rausgebracht hätten und proklamieren würden, dass alles in Ordnung und toll ist. Das wären nicht wir gewesen und auch nicht richtig und echt.

Wie groß ist dann die Gratwanderung für euch, wenn ihr private Dinge, Gefühle und Gedanken in diesen Songs verarbeitet? Fällt euch das schwer? Oder muss das so sein, dass die Texte und die Musik immer auch ein Stück von euch ist?

Es geht auf jeden Fall gar nicht anders. Aber dabei gibt es auch klare Grenzen, vor allem für die Texte, die ich schreibe. Da sage ich dann schon mal, dass Dinge zu persönlich sind. Ein Song zum Beispiel, den ich vor zwei Jahren geschrieben habe, ist nicht auf dem Alben gelandet. Das bin gar nicht mehr ich. Ich denke heute ganz anders. Oder „Was am Ende sein wird", der Song mit Dirk von Lowtzow, der ist auch sehr persönlich und wäre ebenfalls fast nicht auf dem Album gelandet. Nach langen Gesprächen haben wir dann entschieden, dass er drauf kommt, aber keine Single sein wird und wir auch kein Video darüber drehen.

Ich war begeistert, dass ihr auf dem Album ein Feature mit Dirk von Lowtzow, Sänger der Band Tocotronic, und vermutlich einer der besten Songwriter Deutschlands, habt. Wie ist die Zusammenarbeit entstanden und ist das auch ein bisschen Anerkennung, dass jemand, der offenbar "ein bisschen was" von Musik versteht, gerne mit euch zusammen arbeiten will?

Es ist natürlich eine große Freude und es war eine große Ehre, dass er den Track mit uns gemacht hat. Wir hatten ja von Tocotronic mal einen Remix gemacht. Da ist der erste Kontakt entstanden. Wir haben danach mal auf einem Festival in Wiesbaden zusammen gespielt, da war aber nicht viel Zeit zum Reden. Dann wurde der Kontakt von Rasmus Engler, der mit Jan Müller von Tocotronic zusammen bei Das Bierbeben spielt, hergestellt. Ich hab Dirk dann gefragt, ob er mit uns zusammen arbeiten will. Er hat geantwortet, dass er das gerne macht, wenn Tocotronic die Arbeiten an ihrem Album abgeschlossen haben. Als er schließlich vorbeikam, haben wir uns drei, vier Stunden über alles Mögliche unterhalten. Wir haben da viele Parallelen festgestellt, was auch traurig wäre, wenn es nicht so gewesen wäre. Es wurde effektiv dann eine halbe Stunde gearbeitet. Dirk hat seinen Part aufgenommen und es hat einfach auf Anhieb alles gepasst.

Die Texte eurer Songs sind relativ verschachtelt und regen zum Nachdenken an. Es geht oft um Aufbruch, aber ein bisschen auch um Zuhause sein, Heim kommen. Ist das so eine innere Zerrissenheit in euch? Dass ihr, wenn ihr unterwegs seid, lieber Heim kommen würdet, und wenn ihr zuhause seid, eher ausbrechen wollt?

Es ist immer die stete Suche. Solange man unterwegs ist, möchte man zu einem bestimmten Ort hin. Und wenn man dann dort ist, will man wieder woanders sein. Es ist also eine Rastlosigkeit und Ruhelosigkeit. Das gilt aber für uns drei. Wir wollen gar nicht wirklich fertig sein und ankommen. Weil das bedeuten würde, dass man alles erreicht hat. Dann wäre der Weg ja irgendwie zu Ende und ich bin irgendwo. Es ist also schon eine ständige Suche ohne Stillstand. 

Ihr seid ja jetzt auch zu fünft unterwegs auf der Bühne. Mit neuem Drummer und einem Keyboarder. Was hat sich dabei geändert, natürlich soundmäßig, aber auch im Tourbus? Streitet ihr jetzt noch mehr, welche Musik gespielt wird?

(lacht). Das Album haben wir ja noch zu dritt gemacht. Wie sich das jetzt entwickelt, dass wird sich zeigen. Aber die Jungs sind auf der Bühne eine Bereicherung. Wir können noch mehr aus den Songstrukturen ausbrechen als früher. Der Computer ist zwar noch da, aber er ist nicht mehr viertes, sondern sechstes Bandmitglied. Moritz ist ein Jazz-Drummer und Philipp hat jahrelang in einer Band mit Martin zusammengespielt. Wir kennen uns schon lange. Das bringt also schon mal für uns auf der Bühne mehr Spaß. Das sind total lustige, liebe Menschen. Irgendwie wird es auf Tour dadurch eher harmonischer und es wird sich weniger gestritten. Wir drei bekommen uns nämlich schon mal gerne in die Haare, das ist auch verständlich, wenn man 10 Jahre aufeinander hockt. Das ist wie eine Ehe, eine Ehe zu dritt.
Die einzigen Bedenken, die ich hatte, waren, dass es live nicht mehr so drückt, dass das Stampfende nicht mehr da ist. Die anderen haben erst mal eine Woche ohne mich die Instrumentals geprobt. Ich kam dann rein und ab dem ersten Song hat es mir total gefallen und mich begeistert. Es war ein Wunsch von uns, dass wir uns auf der Bühne vergrößern, um mehr Dinge machen zu können. Auszubrechen aus der eigenen Struktur. Schon beim ersten Konzert in Rostock haben wir improvisiert und Spaß gehabt. Eigentlich unglaublich. Früher war es schon toll, aber das ist ein weiterer Schritt nach oben.

Du hast es erwähnt: Ihr feiert als Band im nächsten Jahr zehnjähriges Jubiläum. Graut es euch schon davor, dass ihr in allen Interviews dann den Blick zurück werfen müsst?

(Überlegt kurz). Eigentlich nicht. Wir schreiben ja immer unsere „Schandenfibel". Das sind nicht ganz ernst gemeinte Berichte und Rückblicke auf unsere Tour-Wochenenden. Und die habe ich in der letzten Zeit mal durchgesehen, um das alles Revue passieren zu lassen. Und das ist total lustig. Ich freue mich also da drauf. Wir haben auch ein bisschen was vor nächstes Jahr. Erst mal noch die Tour zu Ende und Festivals spielen und gegen Ende des Jahres wird auch was passieren zum Jubiläum, da freue ich mich auch sehr drauf. Aber es ist echt verrückt, dass das jetzt schon zehn Jahre sind. Kommt mir vor wie…(überlegt kurz) maximal fünf.

Nochmal kurz zurück zur Musik. Man sagt euch gerne nach, dass ihr mit jedem Album etwas erwachsener geworden seid. Ihr sträubt euch etwas dagegen. Ist das einfach nur Koketterie oder ist euch der innere Peter Pan" wirklich wichtig?

Also es ist uns sehr sehr wichtig gegen Captain Hook und gegen die Windmühlen zu kämpfen. Alles, was wir sagen, kommt irgendwie von innen heraus. Das ist nie bemessen oder so. Uns als Frittenbude kommt es manchmal so vor, als hätten die Journalisten die zwei Alben zwischen Nachtigall und Küken des Orion einfach ignoriert. Die verbinden uns mit „Elektrofikke" und mit „Was ist nur mit dir passiert". Für die ist das ein Wahnsinnssprung zur heutigen Platte. Aber wir hatten ja mit „Mindestens in tausend Jahren" und „Ob es reicht sie zu finden" schon tiefgründige Songs auf der zweiten Platte. Wir fühlen uns deshalb eher immer etwas missverstanden, wenn man uns das so andichtet.

Danke für das Gespräch und viel Spaß bei Eurem Gig in Trier. 

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