Interviews
10.08.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Interview mit Christoph Sell von Feine Sahne Fischfilet

"Kinder sind wahre Anarchisten"

​Die Band Feine Sahne Fischfilet ist dieser Tage ein gefragter Interviewpartner. Nicht nur, weil sie musikalisch mit ihrem letzten Album "Bleiben oder Gehen" sehr erfolgreich waren, sondern auch wegen ihres antirassistischen Engagements. Wir haben im Vorfeld des Love Gets Dangerous Open Air am 12. September 2015 im Exhaus mit Sänger und Gitarrist Christoph Sell, sowohl über die musikalische, als auch die politische Seite der Band gesprochen. 

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hunderttausend.de: Hallo Christoph von Feine Sahne Fischfilet. Man hat ja manchmal den Eindruck, dass Ihr selbst und eure Musik zwischen eurem Aktivismus und den Schlagzeilen rund um die Verfassungsschutzberichte etwas untergehen. Deshalb mal zum Einstieg: Wie gehts euch eigentlich so?

Christoph Sell: Hallo! Uns geht's ziemlich gut gerade. Wir stecken mitten im Festivalsommer, jedes Wochenende haben wir schöne und mitreißende Momente auf und neben der Bühne. Es macht gerade sehr viel Spaß unterwegs zu sein. Wir haben ja unsere "Bleiben oder Gehen" - Clubtour sozusagen in unserem Rücken, welche für uns sehr erfolgreich war und uns zusätzlich viel Kraft gegeben hat. Die Festivals setzen dem allen noch einen Drauf. Zudem durften wir Die Toten Hosen und die Beatsteaks supporten. Beides sind Bands, die uns viel bedeuten und die wir immer gefeiert und gehört haben. Dann auf einmal sich mit ihnen als Support eine Bühne teilen zu dürfen ist kaum in Worte zu fassen. Irgendwie werden gerade Träume war, die man als kleiner zwölfjähriger Punkrocker hatte. Wahnsinn!

Ich habe über euch gelesen, dass Ihr eure Musik früher nicht als Kunst verstanden habt, sondern als Werkzeug oder Ausdruck eurer Wut. Konnte früher aus eurer Sicht Kunst nicht auch wütend und kritisch sein?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass wir uns zu der Zeit tief in der Subkultur des Punkrock verwurzelt sahen und unsere politische Aktivität und Message in den Vordergrund stellen wollten. Unmissverständlich. Die Aussage ist sozusagen so eine Art gestreckter Mittelfinger. Wir sind zwar heute noch ähnlich verwurzelt in der Subkultur, aber gehen da differenzierter heran und deuten den Kunstbegriff anders. Kunst ist für mich immer politisch. Es geht gar nicht unpolitisch. Dementsprechend versuchen wir uns musikalisch und künstlerisch bestmöglich auszuleben und das Politische mit der künstlerischen Energie zu vereinen. In diesem Sinne und in dieser Kombination ist der künstlerische Prozess für mich pure Freiheit.  Wut wird immer mit einfließen. Wut über die herrschenden Verhältnisse und politischen Situationen wird immer ein präsentes Gefühl sein. Ohne diese Wut wären wir nicht Feine Sahne Fischfilet.

Euer neues Album "Bleiben oder Gehen" hat es bis auf Platz 21 der deutschen Album-Charts geschafft. Wie seht Ihr diesen schmalen Grad zwischen Underground und Mainstream? Gibt es den überhaupt?

Wir geben nicht viel auf diesen Chartzirkus und allgemein ist die Kommerzialisierung sehr gefährlich für Kunst und Musik, aber wenn man sich und seinen Ideen treu bleibt, kann man diesen schmalen Grat zwischen "Underground" und "Mainstream" gehen. Es freut uns aber natürlich auch, dass wir es soweit  in die Charts geschafft haben, weil es uns zeigt, dass die Leute sich für unser Album interessieren und dadurch unsere Arbeit wert geschätzt wird. Viele Bands zielen ja darauf ab unbedingt in die Charts zu kommen und richten ihre Verkäufe darauf aus. Das machen wir nicht und daher ist es für uns umso beachtlicher, dass wir soweit in die Charts gekommen sind. Ich sehe diesen sogenannten Mainstream eher als eine Chance, weil man als politische Band dadurch viele Menschen erreichen kann, die sich sonst für einen gar nicht interessieren würden. Politisch und musikalisch ist man dadurch viel wirksamer. Es macht für mich viel mehr Sinn vor vielen verschiedenen Menschen zu spielen, die sich nicht bei jeder Sache einig sind. Dadurch können wir als Band unglaublich viel erreichen und in die Mitte der Gesellschaft hineinwirken. Dennoch finde ich Konzerte im kleinen AZ auch wichtig. Solche Krafttankstellen für Jugendliche und die linke Szene sind sehr wertvoll für alle Beteiligten. Man muss es halt schaffen als politische Punkrockband in beiden "Sparten" aktiv zu sein. Das ist auch nicht schwierig in dem Sinne. Das passiert einfach so. Man macht halt das auf was man Lust hat und da ist halt vieles Verschiedenes dabei.

Ein weltberühmtes Beispiel für eine politisch wirksame Band im "Mainstream" ist ja Rage Against The Machine. Ich würde mich niemals mit dieser Band vergleichen, weil sie einfach musikalisch zu einzigartig ist. Man kann niemanden mit RATM vergleichen. Alleine wegen der Rhythmusgruppe aus Drums und Bass. Die sind einfach unnahbar. Zu Recht. Aber sie sind ein gutes Beispiel dafür, was man alles erreichen kann wenn man unglaublich gute Musik mit radikalen politischen Messages verbindet. Mich haben sie jedenfalls schon sehr früh stark inspiriert.

Wir sind in Trier ja auch eher eine ländliche Region, hier kommen die Leute oft nur zum Studieren her und gehen wieder. Was braucht es denn, aus eurer Sicht, damit man sich heimisch fühlt, damit man an einem Fleck eben einfach mal bleibt?

Ach ja. Das ist ja wirklich ähnlich wie bei uns. Ich glaube Freunde sind sehr wichtig und eine gute lebenswerte Umgebung im Alltag. Kultur ist mega wichtig. Eine linke Gegenkultur, die relativ dynamisch funktioniert, ist für mich sehr ausschlaggebend. Man muss natürlich die Stadt oder die Gegend auch so mögen, sonst bringts nichts. In diesen Gegenden muss man halt vieles selber machen, aber man kann dadurch sich auch viel besser hörbar machen, als in überreizten Großstädten. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Letztendlich ist es Ansichtssache und eine individuelle Entscheidung. Der Eine mag es in großen Städten, wo unglaublich viel passiert und der Andere mag es eher beschaulicher und ruhiger. Oft wird man aber auch zum Wegzug gezwungen, wegen fehlender Arbeit auf dem Land oder weil einfach alle Freunde schon längst das Weite gesucht haben und in der Unendlichkeit der Möglichkeiten in Großstädten ihr Zuhause gefunden haben. Ich freue mich auch für Leute die wegziehen, wenn sie eine Veränderung benötigen, um ihr Leben lebenswerter zu gestalten. Ich will, dass man glücklich wird und sich stets weiterentwickelt. Das kann in Kleinstädten oder auf dem Land manchmal schwierig werden, wenn man keine geile Community um sich herum hat. Wenn man diese aber hat, wie z.B. in Kollektiven und Kommunen auf dem Land, dann kann es mega toll sein.

Ist der Titel eures Albums auch Ausdruck eurer eigenen inneren Zerrissenheit?

Selbstverständlich ist das so. Das "Bleiben" und das "Gehen" gehören gleichwertig zum Leben dazu. Feine Sahne Fischfilet steht für beide Wörter und liefert in ihren Texten für beides Argumente. Es bleibt eine individuelle und freie Entscheidung jedes Einzelnen. Es bezieht sich auch nicht nur aufs weg ziehen und hier bleiben. Es geht um viele Weggabelungen im Leben. Liebe, Verlust, Veränderungen, Politisches und vieles mehr. Wir wollten mit diesem Album auch keine Antwort auf die Frage liefern, sondern eher die Komplexität dieser simplen Frage verdeutlichen. Aber natürlich denken das viele und versuchen sich es leicht zu machen. Das funktioniert aber nicht. Das Leben bleibt kompliziert und das ist auch gut so!

Ihr habt in diesem Jahr bei Rock am Ring, hier in der Nähe, in Mendig gespielt. Erzählt mal, wie war es auf der großen Bühne?

Bis jetzt fand ich alle Frage von dir ja echt ganz gut, aber das ist so eine Frage, die ich total seltsam finde. Natürlich war es großartig auf der großen Bühne! Genauso ist es großartig auf den kleinen Bühnen. Ich bin sogar auf kleinen noch etwas aufgeregter als auf den großen Bühnen, weil alles viel näher dran ist und jeder einem auf die Finger gucken kann. Wir lieben das, was wir machen, ob auf großen oder kleinen Bühnen. Es ist jedes Mal ein Vergnügen der Extraklasse. Irgendwie nicht wirklich zu beschreiben. Pures Adrenalin wird freigesetzt. Immer und immer wieder.

Ihr habt aufgrund eures explizit antifaschistischen Engagements schon viel erlebt. Unter anderem wurdet und werdet ihr von Nazis attackiert und angefeindet. Nach außen zeigt ihr euch auf der Bühne ziemlich unbeeindruckt. Geht Ihr manchmal trotzdem mit mulmigem Gefühl auf die Bühne oder sagt Ihr euch "Jetzt erst recht"?

Das wir von solchen Problemen unbeeindruckt erscheinen, liegt zum einen daran, dass wir uns an den Wahnsinn, an diese Realität, schon längst gewöhnt haben. Das ist eigentlich nicht gut, aber man lernt mit Extremsituationen umzugehen. Ich bin sowieso Optimist. Es dauert also, bis ich mal komplett schwarz sehe. "Jetzt erst recht" ist ein Motto, das wir uns immer wieder, wenn es zu negativen Ereignissen kommt, sagen. Das Nicht-Aufgeben und unsere Überzeugung, für das Richtige einzustehen, hält uns vital. Wir haben schon so viel erreichen können. Das lassen wir uns von niemanden kaputt machen, egal ob jetzt von staatlicher Seite in Form von Repressionen oder am Besten noch von irgendwelchen Naziwürsten. Das Leben ist schön und wir haben ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Es geht halt für die Freiheit und für das Leben. Dennoch gibt es immer mal wieder auch mulmige Gefühle und auch Ängste, aber das gehört dazu und wir wissen, dass wir nicht alleine sind. Das ist ein wichtiger Faktor. Wir gehen schon sehr ehrlich mit unseren Gefühlen um. Gerade wenn es uns auch mal nicht gut geht. Darin liegt auch unsere Stärke.

Wie viel Angst haben eure Eltern um euch? Gibt es da auch manchmal mahnende Worte?

Eltern haben, glaube ich, immer Angst um ihre Kinder. Das ist so ein typisches Elternding. Die müssen sich öfters einfach mal Sorgen machen. Das ist gesund, aber eigentlich vertrauen sie uns sehr und wissen das wir unsere Sache gut machen. Der gesunde Stolz überblendet die Ängste, denke ich mal. Insgesamt ist alles aber sehr entspannt und sie freuen sich alle sehr über unsere Machenschaften. (lacht)

Grade im Moment tobt die Debatte um geflüchtete Menschen. Der Mob tobt vor den "Asylbewerberheimen" und auf Facebook. Grade in den sozialen Netzwerken sieht man viel Menschenverachtendes. Wie begegnet ihr den Kommentarspalten? Ignoriert Ihr das oder diskutiert Ihr mit?

Ich glaube, wenn ich mir diese widerliche Scheiße in den Kommentarspalten oft durchlesen würde, dann würde mir irgendwann der Kopf platzen. Soviel Dummheit kann man sich nicht zuführen. Ich jedenfalls nicht. Ich lese mir das also kaum durch und schreibe auch nicht mit. Facebook ist für mich nur wichtig um abschätzen zu können was gerade abgeht, aber für alles andere ist es einfach nur schrecklich, wie ich finde. Aber es wird massiv genutzt und deswegen muss man, wenn man auf dem Laufenden bleiben will, es immer schön im Auge behalten. Unser Band-Facebook-Profil wird ja gut genutzt und es erreicht viele Leute. Durch gute politische und gerade antirassistische Postings bringen wir uns in die Debatte ein auf Facebook. Es ist Wahnsinn, wie sehr der rechte Mob gerade wieder tobt. Es gibt einfach so viele Rassisten. Unglaublich. Da wird einem schlecht. Kurzzeitig verliert man dann den Glauben an das Gute, aber wenn man dann sieht wie viele Menschen sich für Geflüchtete einsetzen, dann gibt das wieder Kraft. Gerade jetzt ist es unglaublich wichtig als Band klar Stellung zu beziehen. Der Rassismus der Mitte bleibt aber ein gesellschaftliches europaweites Problem. Die Masse an rassistischen Bürgern ist immens groß. Das ist Deutschland. Das ist Europa.

Woher kommt eurer Ansicht nach diese Entwicklung? Derzeit muss man fast den Eindruck haben, dass die Menschen gespalten sind in "Gutmenschen" und "Wutbürger".

Momentan gibt es einfach wahnsinnig viele Menschen die aus ihrer Heimat fliehen müssen aufgrund von Kriegen wie z.B. in Syrien. Die Flüchtlingsströme sind natürlich keine neue Sache. Seit Jahrzehnten sterben tausende Menschen an den Grenzen Europas, aber seit dem arabischen Frühling haben sich die Grenzen etwas beweglicher gemacht und die Menschen können besser aus nordafrikanischen Länder wie Tunesien oder Lybien nach Europa kommen. Das ist gut. Gaddafi, Mursi und Co. haben in den vergangenen Jahren immer dafür gesorgt, dass die Flucht erschwert wird. Jetzt ist seit einiger Zeit der Bann gebrochen. Deswegen wird Europa ja auch so nervös. Die Überfahrt ist lebensgefährlich für die Flüchtlinge und durch die Schlepper problematisch, aber da wo Flucht zum Verbrechen gemacht wird, wird Schlepperei notwendig. Die Situation ist einfach katastrophal. Die sollen die Leute mit sicheren Fähren rüber holen. Scheiß rechtes Europa! ​Die Flüchtlingsfrage ist auch eine Systemfrage. Kontinente und Länder, die aufgrund des Kapitalismus, der daraus folgenden Ausbeutung und durch den Kolonialismus, verarmt sind, haben immer wieder mit Kriegen, Hungersnöten und Krankheiten zu kämpfen. Die Industriestaaten haben eine große Mitschuld an dieser Situation. Diese Welt funktioniert nur so, weil wir im Reichtum schwimmen und andere in der Armut ertrinken. Anstatt Reichtum global gerecht zu verteilen, wird er für nur wenige erbeutet. Es ist doch seltsam, dass Länder mit den reichsten Bodenschätzen heutzutage sehr arm sind. Das sind die Früchte des Kolonialismus und des Imperialismus. Selbstverständlich wollen die Menschen in Kriegsgebieten auch nur in Frieden und Freiheit leben. Das suchen sie hier im reichen Europa. Ich plädiere dafür das alle hier herkommen sollen, die Hilfe benötigen und wenn dadurch alles zusammenbricht, weil das kleine feine Europa überfüllt ist, dann ist das nur gerecht. Dieses System hat nichts anderes verdient als den totalen Kollaps. Die Ungerechtigkeit und das Leid ist jeden Tag sichtbar in den Nachrichten. Diese Welt wird sowieso untergehen und ich erhoffe mir das wenigstens bis zum totalen Kollaps möglichst viele Geflüchtete den Reichtum mit erleben dürfen. Die europäischen Staaten versuchen ihr System zu retten und fahren eine schreckliche rassistische Flüchtlingspolitik, indem sie die Leute im Dreck leben lassen und immer mehr Menschen wieder abschieben. Stell dir vor, du bist über 7 Jahre unterwegs auf der Suche nach Frieden und dann kommst du in irgendein Abschiebelager nach Ostdeutschland. Ich kann verstehen, dass du dann irgendwann nicht mehr kannst. Und dann siehst du, wie der Staat und der rassistische Mob sich die Hände reichen. Unglaublich, aber das ist unsere Realität. Es sind ähnliche Zeiten, wie Anfang der 90er Jahre. Es gibt gewisse Unterschiede, aber im Allgemeinen ist es ziemlich ähnlich. Der rassistische Mob tobt auf der Straße, der Staat schiebt Geflüchtete ab und das Asylrecht wird weiter verschärft. Wie gesagt, dass Einzige was mich wirklich glücklich macht, ist der Umstand, dass auch ganz viele Menschen helfen wollen und es viel Solidarität für die Geflüchteten gibt. Das ist wichtig und das verhindert hoffentlich letztendlich, dass Menschen sterben müssen, wie Anfang der 90er Jahre. Es brennen aber auch schon wieder Heime und es gibt viele Übergiffe auf Geflüchtete bundesweit. Wir müssen gerade sehr aufpassen und wachsam sein. Es gilt, sich diesem widerlichen Rassisten-Mob entgegenzustellen. Das ist unsere Pflicht gegenüber allen Geflüchteten.

Im Dezember letzten Jahres seid ihr nach Kobane gereist, eine Stadt, die im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den IS oft in der Presse war, und habt dort Kleidung und Medikamente ausgeliefert. Erzählt uns doch mal von euren Erlebnissen.

Wir wirken als Band bei der Initiative "MV für Kobane" mit. Gerade Monchi macht in der Initiative sehr viel und fährt regelmäßig mit nach Suruc, in die türkische Grenzstadt zu Kobane. Es konnten schon mehrere LKW's mit vielen wertvollen Hilfsgütern sicher nach Kobane gebracht werden. Es ist einfach unglaublich, wie stark die Leute dort sind. In Kobane gibt es ein riesiges Flüchtlingslager, weil die Stadt eigentlich fast komplett zerstört ist. Die Menschen haben sich in dem Lager neu basisdemokratisch organisiert. Da wird unglaubliches geleistet, obwohl die Zeiten dort gerade so gefährlich sind. Rojava ist ein Gebiet, welches in den letzten Jahren sehr viele Utopien umsetzen konnte. Ich glaube, dass es kein vergleichbares Gebiet auf der Welt gibt, wo so viel Emanzipatorisches in die Realität umgesetzt wird momentan. Es besteht immer die Gefahr, dass der IS wieder angreift von Syrien aus und dass die türkische Armee von der türkischen Seite aus wieder kurdische Dörfer und Infrastruktur der kurdischen Community angreift. Ich glaube, seitdem Vertreter von "MV für Kobane" Zeugen des schlimmen Attentats in der Stadt Suruc auf überwiegend junge Helfer wurden, ist klar, dass dort einfach Krieg herrscht und wir umso mehr helfen müssen, damit die kurdischen Gebiete und Rojava irgendwann wirklich in Freiheit und Frieden leben können. Kurdistan ist dem türkischen Diktator Erdogan und dem IS schon immer ein Dorn im Auge. Die Kurden wollen basisdemokratisch und emanzipatorisch leben und zudem ein Recht auf ihre Kultur haben. Es war klar, dass irgendwann wieder türkische Bomben auf kurdische Gebiete fallen. Der IS und Erdogan sind sich gar nicht so unterschiedlich. In der Türkei weiß doch jeder, dass die Regierung mit dem IS zusammenarbeitet. Darf bloß niemand so frei sagen. Erdogan will die Linke in der Türkei mundtod machen und steckt tausende HDP Anhänger in den Knast. Als Antwort auf die Wahlerfolge der HDP. Zudem will er die Türkei islamisieren und dadurch fundamentalisieren. Der IS will den islamischen Staat. Da gibt es selbstverständlich Gemeinsamkeiten. In den letzten Jahren gab es die Hoffnung, dass die Kurden doch endlich ihre Freiheit und ihren Frieden bekommen. Man darf einfach nicht an das Gute glauben. Man wird dann nur enttäuscht. Jetzt werden die Kurden wieder bombardiert und angegriffen. Es ist unglaublich und es macht mich so wütend. Die Weltgemeinschaft schaut zu und die Nato deckelt ihren Bündnispartner, die Türkei. Genossen, gute Menschen, die für ein gutes und gerechtes Leben einstehen, sind eingeschlossen von türkischen, rechten Militärs und mörderischen Fundamentalisten.

Lasst uns nochmal über eure Musik sprechen. Mir imponiert euer Song "Für diese eine Nacht", in welchem ihr im Refrain singt: "Komm schon für diese eine Nacht, als wenn nur dies uns glücklich macht". Im Video spielen euch Kinder. Wünscht ihr euch manchmal wieder zurück in die unbeschwerte Zeit der Kindheit? Wann hattet Ihr das letzte Mal so eine unbeschwerte Zeit? Vielleicht eine durchzechte Party-Nacht oder so?

Schön, dass dir der Song gefällt. Ich wünsche mir eigentlich nicht diese Zeit zurück. Sie war schön, aber ich mag die Zeit jetzt auch sehr. Kinder sind aber der Hammer. Das sind wahre Anarchisten. Die verstellen sich nicht. Die sind halt nicht so versaut, wie ältere Menschen, die die hässlichen Seite unserer Gesellschaft schon gut verinnerlicht haben. Ich gehe da etwas anders heran. Ich möchte immer die Kindheit in mir tragen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, das Kind in sich nicht zu verlieren. Ich will einfach nicht richtig erwachsen werden. Leider bin ich es schon ein wenig, aber kindliche Energie ist enorm wertvoll. Die sollte man versuchen zu konservieren. Manche schaffen das bis an ihr Lebensende. So etwas imponiert mir sehr. Es gibt viele Momente und Zeiten die ähnlich unbeschwert sind. Ich erinnere mich gerne an die Fusion, wo ich mit Freunden einfach eine wahnsinnig gute Zeit hatte. Das war unglaublich, wie unbeschwert wir da gefeiert haben. Wir haben uns da einfach das Paradies gemacht. Der schönste Zeitpunkt des Jahres ist für mich seit vielen Jahren immer die Zeit auf der Fusion.

Weiter heißt es im Song "Was bleibt, wenn immer nur die Guten gehen?". Ja, was bleibt denn abschließend noch übrig?

Wenn wirklich wirklich alle Guten gehen, wie es die Zeile etwas überspitzt aussagt. Nicht viel. Trostlosigkeit, Einsamkeit und eine lebensverneinende Gegend für junge Menschen mit Kreativität und Lebensdrang. Aber es gehen ja nicht alle Guten. Es gibt ja auch genug Menschen, die es reizt in Gegenden immer wieder was aufzubauen, in denen sonst nicht viel geht. Ist ja auch geil! Viele Leute kommen zudem immer wieder. Es liegt an uns, ein gesundes Gleichgewicht zu schaffen, welches es für die Gegend verträglich macht, wenn Leute weggehen und dennoch immer wieder neue Impulse dazu bringt. Gerade in Unistädten kommen ja auch immer neue Leute dazu. Die Gegend und die Kultur bleibt nicht stehen.

 Vielen Dank für eure Zeit und viel Erfolg bei eurem Auftritt in Trier.

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