Interviews
24.05.2015 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
110-Jahre Eintracht Trier

"Auch Zeiten die weh taten, waren gut"

​Am 30. Mai 2015 feiert Eintracht Trier ein rauschendes Fest. Anlass ist das 110-jährige Jubiläum des Regionalligisten. hunderttausend.de hat mit der Club-Legende und dem derzeitigen Co-Trainer Rudi Thömmes über "seinen" Verein, Tradition, Realismus und Fußball gesprochen. 

 
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Wenn Rudi Thömmes über seine Eintracht spricht, dann ist er Realist. Oftmals sind historische Rückblicke voller Fußballromantik und Pathos. Seine Romantik besteht auch aus den Geschichten, wie er z.B. vor dem DFB Pokalhalbfinale gegen Duisburg beim damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl eingeladen war, aus den Tugenden, die er gelebt hat und aus den Emotionen auf der Tribüne. Aber immer wieder kehrt er zurück zur Gegenwart. Und die heißt Regionalliga Süd-West. "Tradition schießt keine Tore, oft gesagt, aber nicht minder wahr", sagt er. Thömmes spricht schnell und auf den Punkt, von "seinem Verein". Ihn einen Mann der vielen Worte zu nennen, wäre übertrieben. Er sagt das, was er sagen will. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Tugend, die es so in der heutigen Zeit, voller Phrasen und rhetorischer Fallstricke für Sportler im Umgang mit Medien, nur noch selten gibt. 

Tradition schießt keine Tore. Dies gilt für viele Mannschaften, die eine große und lange Tradition im deutschen Fußball haben und sich trotz dessen im sportlichen Niemandsland wiederfinden, nicht selten mit finanziellen Schwierigkeiten. Angesprochen auf "Retortenclubs" wie Hoffenheim und Leipzig, antwortet Thömmes so wie man ihn kennt: realistisch. "Die haben halt große Sponsoren, so funktioniert das Geschäft. Ein viel größeres Problem sind die ganzen U-Clubs der Bundesligisten, die dann teilweise aufgestockt werden mit den Aussortierten aus der Bundesliga. Die sollten sie in eine eigene Liga stecken und gut ists." Hadern will er aber nicht. "Wir müssen auf uns schauen."

Auf den Traditionsclub, der dieses Jahr 110 Jahre alt wird. Und schon beim Betreten des Moselstadions wird einem bewusst, was Tradition bedeutet. Pokalschlachten, Auf- und Abstiegsträume und diese dünne Linie zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, die dieser Sport seinen Fans offenbart. All dies bedeutet dieses Rund, welches viel davon schon gesehen hat und die ein oder andere Träne in seinen harten Stadionboden aufgenommen hat, ob aus Freude oder aus Trauer. Thömmes ist in seiner 20-jährigen Geschichte im Verein meistens mit den Freudentränen verbunden: "Die Pokalsiege gegen Dortmund und Schalke und der Aufstieg in die zweite Liga, das ist schon ne Wahnsinnsgeschichte gewesen. Da träumt ja jeder Sportler von." 

​​Ruuuudi, wie ihn die Fans nennen, ist kein Träumer. Zumindest keiner, der nur von der guten Vergangenheit lebt. "Ich kann nichts schlechtes über Trier sagen. Auch die schlechten Zeiten die wir erlebt haben, die, die weh getan haben, waren auf ihre Weise gut. Entweder weil man immer neue Menschen getroffen hat oder weil man als Mannschaft zusammen gerückt ist. Das sind ja auch besondere Momente." Pokalerfolge gegen amtierende Champions League und Europapokal-Sieger sind auch nur so möglich, meint er. "Du musst durch dick und dünn gehen. Da muss einfach alles passen, der eine muss für den anderen laufen, dann geht das." Fußballromantik, so präzise und unpathetisch ausgedrückt, wie es die Realität her gibt. Schnell geht es im Gespräch aber wieder um die Gegenwart. "Heute sind die Spieler mehr auf sich bezogen, weniger Profi. Man muss da schon viel organisieren und viel regeln."

Der Trierer Sport hat es nicht leicht. Besonders dieser Tage. Die Handballerinnen des MJC sind abgestiegen, der Basketballbundesligist der Stadt gar insolvent. Auch die Eintracht hat in ihrer Vergangenheit mit Problemen zu kämpfen. Ein Trainer, der sich mit Fans in der Kneipe rangelt, Insolvenzen und immer wiederkehrende finanzielle Schwierigkeiten. All das gehört zur Tradition dazu, zur 110-jährigen Geschichte. "Die Eintracht, das ist eine Gemeinschaft. Wer hier mal Spieler war, oder irgendwie zum Verein gehört hat, der kommt nicht selten irgendwann wieder zurück, egal was war.", bilanziert Thömmes. Und tatsächlich: Schaut man sich zum Beispiel die Riege der tätigen Trainer in der Moselstadt an, fällt auf, dass diese oft mit Trierer Vergangenheit ausgestattet sind. So auch der derzeitige Übungsleiter Peter Rubeck. "Mit dem hab ich hier zusammengespielt. Das ist schon echt ne klasse Sache, wenn diese Leute dann hier her zurück kommen", sagt Thömmes. 

Trainer Rubeck und Co-Trainer Thömmes waren in der Rückrunde der laufenden Saison relativ erfolgreich. Den Abstieg verhindert, das Derby in Saarbrücken gewonnen und teilweise wirklich gute Leistungen abgeliefert. „Da haben wir uns auf das Besonnen, worum es geht: Kampf, Wille, Einsatz. Die Mannschaft ist zusammen gerückt. Wie damals“. Auch das sagt er ohne Pathos. Aber ein Lob ist es, für das Team der Eintracht, für die die Zeit jetzt erst kommt. "Es sind viele junge Spieler im Team nach dem größeren Umbruch. Wir haben mit wenig Geld das gemacht, was wir konnten. Aber wir sind auf einem guten Weg mit dem Haufen. Und auch mit den neuen, die jetzt kommen. Wir wollen einfach mal eine ruhige Saison spielen." 

Und dann, wenn alles gut läuft, dann will er auch nach oben schielen. "Wir müssen hier nochmal eine Euphorie entfachen. Wir müssen den Leuten zeigen, dass es schön ist, ins Stadion zu kommen​",sagt Ruuudi. Und schaut ins Rund. Realistisch, nicht verträumt. 

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