Interviews
29.07.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Ingo Donot

"Rein in den Sandsturm"

​​​Die Donots gelten als "die netteste Band Deutschlands", wobei nett hier ausdrücklich im positiven Sinne verstanden werden muss. Wir haben im Vorfeld ihres Auftritts in Püttlingen beim wunderbaren Rocco Del Schlacko-Festival mit Ingo Donot über ihren Auftritt beim diesjährigen Rock am Ring Festival, die unsägliche Pegida-Bewegung und den Bundesvision Song Contest, an dem die Herren aus Münster in diesem Jahr teilnehmen, gesprochen.​

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hunderttausend.de: Hallo liebe Donots, schön euch wieder hier zu haben. 

Ingo Donot: Hallo, vielen Dank!
 
Ihr habt dieses Jahr in Mendig Rock am Ring eröffnet und mal richtig einen rausgehauen. So viele Menschen waren wohl noch nie mittags um Zwei auf dem Gelände oder? Ich hatte fast die gesamte Zeit Gänsehaut. Wie war es für Euch?
 
Das war eine der unwirklichsten und tollsten Shows in 21 Jahren Donots, im Ernst. Wir sind ja mit Anlauf kopfüber ins kalte Wasser gesprungen und haben uns aktiv für den ersten Slot des Festivals entschieden. Die Damen und Herren Veranstalter haben uns auch zuerst den Vogel gezeigt, als wir meinten: "Ey, dürfen wir vielleicht früher spielen als abgemacht?", waren dann aber auch Feuer und Flamme für die Idee. Wir hatten damit gerechnet, dass das ein echt nettes Opening mit ein paar Special Guests werden würde, aber dass das Ganze so dermaßen knallt und wir 75.000 komplett durchdrehende (und immerhin noch wohlriechende) Festival-People vor der Bühne hatten, war schon der absolute Wahnsinn! So viele Leute waren in der Tat mittags in all den Jahren Rock Am Ring noch nie vor der Bühne – das bestätigten uns auch die Lieberbergs hinterher. Die Gänsehaut haben wir quasi jetzt noch, wenn wir daran zurückdenken. Werden wir wohl nie vergessen, das Spektakel!
 
Jetzt spielt ihr beim Rocco del Schlacko. Freut Ihr Euch auf die "Staubraketen"?
 
Haha, da haben wir ganz schön was losgetreten, als wir damals diese Idee auf den verstaubten Sauwasen hatten! Ich schätze, da wird wahrscheinlich kein Weg dran vorbeigehen, auch nicht in diesem Jahr. Also Sauerstoffmaske aufsetzen und rein in den Sandsturm! Freuen uns aber auch abseits der Staubraketen natürlich tierisch auf eines unserer Lieblingsfestivals der Republik. Wir wurden jedes Mal so herzlich empfangen – und die Shows waren in jedem Jahr echte Highlights für uns!
 
Die Songs Eurer Platte "Karacho" sind textlich oft nah am Zeitgeschehen. Beispielhaft seien "Ich mach nicht mehr mit" oder "Dann Ohne Mich" genannt. Wie erklärt Ihr Euch die aktuellen Entwicklungen, also Pegida und Konsorten, oder das, was in Freital grade passiert?
 
(überlegt) Im Grunde hat es das ja zu jeder Zeit irgendwie gegeben. Das rückt nur hin und wieder – durch solche Klappspaten-Gruppierungen wie Pegida – tagesaktuell mehr in den Fokus der Medien. Unsere Platte ist schon in der Tat die politischste oder sozialkritischste Donots-Platte jemals, aber die Themen sind ja leider alles andere als neu. Wenn du dir Deutschpunk-Klassiker wie "Schweineherbst" von Slime oder "Nicht Zynisch Werden?!" von ...But Alive anhörst, dann wirst du feststellen, dass die Thematik auch vor Jahren schon besungen wurde – und wahrscheinlich immer Grundlage für Songs der Gegenbewegung sein wird. Das ist einerseits natürlich traurig, dass man immer noch darüber singen muss. Andererseits freut es mich natürlich, wenn wir zumindest ein kleines Gegengewicht sein dürfen zu dem Idioten-Überhang derzeit. Und dabei war "Dann Ohne Mich" bereits geschrieben und aufgenommen, bevor Pegida überhaupt in den Medien war. Und die sind ja auch derzeit nur die Spitze des rechtsoffenen Scheißbergs: Ich glaube, die Bauernfängerei, die besagte Gruppierungen betreiben, fällt momentan mal wieder auf sehr fruchtbaren Boden. Und Stammtisch-Polemik und Rechtspopulismus sind nun mal immer was für kleine Geister und Mitläufer. Dass mittlerweile aber in der (un)politischen Mitte nach Stimmen gefischt wird, ist zur Zeit eben der Trend, der nochmal mehr zum Kotzen ist.
 
Ihr seid als Band relativ aktiv bei Facebook. Viele dieser Debatten rund um Geflüchtete laufen mittlerweile ja auch in den sozialen Netzwerken in den Kommentarspalten ab. Wie seht Ihr diese Entwicklung, beteiligt Ihr Euch an diesen Diskussionen noch oder sagt Ihr "Da ist Hopfen und Malz verloren"?
 
Wir beziehen schon eindeutig Stellung über unsere sozialen Netzwerke, was ich auch wichtig finde in diesen Zeiten. Wir haben beispielsweise letzte Woche ein Foto vom Deichbrand-Festival gepostet, wo wir mit einem "Refugees welcome" Banner auf der Bühne zu sehen sind. Dafür haben wir schönerweise viel Zuspruch bekommen, aber natürlich stante pede auch die üblichen Aluhut-Ich-Bin-Ja-Kein-Nazi-Aber-Kommentare, in denen vom "kriminellem Ausländerpack" etc. die Rede ist. Das ärgert einen dann natürlich, war aber im anonymen Web natürlich auch nicht anders zu erwarten. Umfassende Diskussionen führen kannst Du meiner Meinung nach nicht wirklich über solche Plattformen. Das ist vertane Liebesmüh, weil die Idioten eh keine Argumente vorbringen können und nur darauf warten, rumzutrollen. Genau genommen haben diverse Fascho-Gruppierungen in Deutschland sogar extra Leute dafür abgestellt, Hetz-Kommentare unter solche Postings zu packen, um damit eine "Diskussion" zu forcieren oder um einfach rechten Content zu streuen. Das läuft immer gleich ab und nervt gehörig. Aber Statements sollte man sich natürlich trotzdem nicht verkneifen.
 
Kommen wir nochmal zu Eurer Musik: Karacho ist ja auf deutsch, wurde ja zum Release auch oft thematisiert. Wie ist das denn auf den Konzerten, wenn Ihr da zwischen den Sprachen hin und her switchen müsst, war das am Anfang eine Umstellung oder gar kein Problem?
 
Das läuft erstaunlich gut. Wir hängen das aber auch gar nicht so groß an die Sprachen-Glocke. Die Songs in einer Setlist müssen in erster Linie über die Musik funktionieren, egal welche Landessprache die Lyrics haben. Da muss ein guter musikalischer Spannungsbogen her und in der Richtung fügen sich die Karacho-Songs sehr gut in den Rest der alten Donots-Songs ein. Schönerweise merkt man aber wirklich, dass gerade die deutschen Songs wie aus einer Kehle mitgesungen und allem Anschein nach von Kopf und Herz direkt verstanden werden. Das ist ein tolles Gefühl und mehr Lob können wir eigentlich gar nicht bekommen für die Platte!
 
Apropos deutsche Musik: Euer Freund Nicholas Müller hat ein neues Projekt mit "von Brücken" an den Start gebracht. Habt Ihr schon davon gehört? Was sagt Ihr dazu, dass er wieder auf der Bühne stehen wird?
 

Nicki ist ein sehr guter Freund von mir und ich hab in der Tat schon vor ein paar Wochen reinhören dürfen, will hier aber noch gar nichts spoilern. Nur soviel sei gesagt: Nicki und Tobi sind unheimlich talentierte und liebe Menschen und es ist schön, die beiden endlich mal wieder gemeinsam in Aktion zu erleben. Bin gespannt, wie die Platte in der Live-Umsetzung funktionieren wird. Das ist alles sehr ambitioniert!
 
Allgemein hat man den Eindruck, dass Ihr viele Freundschaften zu anderen Bands oder Musikern pflegt. Ist das einfach so eine Sache, die entsteht, weil man sich auf Festivals häufig begegnet, oder geht Ihr auf die Leute zu und seid selbst Fan?
 
Natürlich sind wir selbst immer noch Fans von vielen Bands – und das möchte ich mir auch um jeden Preis bewahren, egal wie lange man Musik macht. Aber das legen wir nicht als Voraussetzung zu Grunde, wenn wir Freundschaften schließen. Es ist doch so: Touren macht einfach am meisten Spaß, wenn man mit guten Leuten unterwegs ist. Und so wie man andere Menschen behandelt, möchte man doch auch selbst behandelt werden, oder? Wir gehen immer sehr offen und respektvoll mit Leuten um und bekommen oft das Kompliment, "Deutschlands netteste Band" zu sein. Ich wundere mich dann meistens ein wenig, weil ich denke: "Hää? Wir sind doch nicht die einzigen, die nett sind?!" Ich hab ehrlich gesagt fast nur super Leute über die Band kennengelernt. Das oft zitierte "Network Of Friends" um den ganzen Globus finde ich eigentlich sogar das beste an dem ganzen Punkrock-Zirkus.
 
Was war musikalisch das Letzte, was Euch so richtig gut gefallen hat (und nicht von Euch war)? Gab es da ein Lied, eine Band oder eine Platte, die Euch umgehauen hat?
 
Meine Lieblingsplatten der letzten Monate waren u.a. die Beach Slang EP, die aktuellen Alben von Love A, Pascow, Flatliners und Adam Angst, die neue Strung Out und immer noch grandios ist die aktuelle Carcass! Was ein Brett!
 
Wie nimmt man eigentlich Musik von anderen Künstlern wahr, wenn man selbst schon über 20 Jahre auf der Bühne steht? Könnt Ihr auf Konzerte gehen, ohne, dass Ihr das musikalisch bewertet, also mit Euch vergleicht?
 
So ganz abstellen kann man die Analyse nicht, aber ich finde das auch wichtig: Ich möchte von Bands umgehauen werden, möchte, dass ich von denen lernen kann, möchte neue Inspiration bekommen und am liebsten immer positiv überrascht werden. Das hält die eigene Band genauso frisch.
 
Gibt es Zeiten bei Euch, in denen ihr überhaupt keinen Bock auf Musik habt und Eure Instrumente an die Seite stellt?
 
Nöö. Punkt.
 
Ihr spielt in diesem Jahr beim Bundesvision Song-Contest von Stefan Raab mit und vertretet dort das Bundesland NRW. Was ist Euer Ziel? Wo wollt Ihr landen?
 
Ach, die Platzierung ist uns ehrlich gesagt schnuppe. Wir treten mit dem Song "Dann Ohne Mich" an, um auch in einem Mainstream-Fernsehformat ein klares Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Ich denke, es werden genug meinungslose Menschen vor der Glotze hocken – und wenn wir auch nur einen Kopf von denen gegen die momentane braune Strömung einschalten können, dann haben wir schon unser Ziel erreicht.
 
Wer sind Eurer Meinung nach Eure größten Konkurrenten? Für Rheinland-Pfalz tritt Mark Forster an und fürs Saarland ja PerDu…
 
Es ist mir fast peinlich, das zu sagen, aber die meisten von denen kennen wir gar nicht. Die finden fast alle nicht in meiner Plattensammlung statt. Und Radio höre ich nicht. Von daher: Ich freu mich auf Freigetränke mit den lieben Kollegen von Gloria, Madsen und den Deichkind-Sologeschichten...
 
Der Song-Contest wurde 2005 ja auch mit dem Ziel gegründet, deutsche Musik wieder populärer zu machen, weshalb mindestens die Hälfte des Textes der Teilnehmer auf deutsch sein musste. Was sagt Ihr allgemein zur deutschen Musikszene? Da hat sich einiges getan in den letzten Jahren, oder?
 
Ich finde, es gibt eine Menge Bands hierzulande, die es lohnt, sich anzuhören. Aber auch hier sei nochmal ausdrücklich gesagt: Ich würde das a) nicht an der Sprache aufhängen und b) findet man die meisten guten Bands eben nicht im Radio, sondern in den JUZes und Clubs in der Nachbarschaft. Subkulturell läuft glücklicherweise immer noch eine ganze Menge. Und genau da findet man die tollsten und spannendsten Bands, weil die eben nicht durchformatiert sind.
 
Abschließend: Was darf man in Ibbenbüren nicht verpassen, wenn man da mal zufällig vorbei fährt?
 
Das JZ Scheune ist ein tolles Jugendkulturzentrum – und der Geburtsort u.a. von unserer Band! Eine wichtige und unterstützenswerte kulturelle Einrichtung! Ansonsten sollte man sämtliche Salatsandwiches der Stadt mal probiert haben. Der Geist von Aladdin, Ibbenbürens bestem oldschool-türkischen Imbiss, ist immer noch zwischen den Tomaten und Gurken zu finden!
 
Vielen Dank für das Gespräch.
 
Merci und bis bald beim Rocco Del Schlacko – oder bei unserer Clubshow in der formidablen Garage in Saarbrücken am 28. Oktober 2015!

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