Stadtgespräch
22.04.2016 hunderttausend.de Veranstalter
"Das Schmackeduzchen" im Kasino Kornmarkt

Politik zwischen Schilfrohren und Gebäck

​​Was ist ein 'Schmackeduzchen'? Das fragt sich auch Claire Waldoff zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als ihr der Komponist Walter Kollo ein Lied über einen liebestollen Erpel und sein Schmackeduzchen vorstellt. ​Das Theaterstück "Das Schmackeduzchen", präsentiert von der Elenovela Filmproduktion, TUFA Tanz und dem Kasino am Kornmarkt, ist eine politische Revue, die an das Leben der deutschen Sängerin und Künstlerin Waldoff angelehnt ist. 

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​Ein ​Schmackeduzchen, so sagt es zumindest das Internet, bezeichnet einen Rohrkolben des Schilfgrases in Ostpreußen und auch im Berliner Großraum war es seinerzeit gebräuchlich. Seinerzeit, das ist rund um das Jahr 1906. Claire Waldorf kommt in die Hauptstadt. Sie will auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Kabarett und Varieté sollen zu ihrer Welt werden. Doch die Frage, die bis heute die Menschen umtreibt, nach Satire, Politik und Zensur macht ihr Debüt beinah zunichte. Das Lied vom Erpel und Schmackeduzchen rettet ihren Auftritt. 

Diese ersten Erfahrungen mit der Zensur und Verfolgung von politischer und gesellschaftlicher Unkonformität, prägen sie, halten sie aber nicht davon ab in ihrer weiteren Karriere unbequeme Themen anzufassen. Sei es durch ihren Lebenswandel oder aber auf der Bühne. Das Publikum liebt sie. Ihre emanzipatorischen Positionen, die ebenfalls bis heute eine Grundlage für viele Ideen und Bewegungen im heutigen Feminismus sind,  gipfeln in Nummern wie "Ach Jott, wat sind die Männer dumm" oder "Raus mit den Männern aus'm Reichstag". ​Claire Waldoff nimmt oft kein Blatt mehr vor den Mund. Emanzipation und Pazifismus in Varieté- und Kabarett-Form verpackt. 

Der aufkommende Faschismus, der eben genau diese Bewegungen mit seiner unsäglichen Ideologie torpediert, stellt Waldoff vor große Probleme. 1936 unterbindet Goebbels persönlich Auftritte von ihr. Der Anfang vom Ende ihrer Karriere. Sie ist nicht bereit als Märtyrerin verfolgt zu werden und vielleicht sogar für ihre Ideale zu sterben und geht von Berlin zurück in die Provinz nach Bayern und lebt dort bis an zu ihrem Tod.  

Ein bewegtes Leben, dass aber "nur Projektionsfläche für das Stück ist", so Regisseur Karsten Müller, "wir wollten bewusst kein sogenanntes Biopic machen." Das Stück greift die Themen auf, die Waldoff schon damals bewusst oder teils unbewusst angestoßen hat. Der Mensch als politisches Wesen, die Frage nach Satire und Zensur, die Frage nach Revolution. Auch wenn Waldoff selbst keine Revolutionärin ist, eckt sie dennoch an. Für Katja Büdinger (Bild), Hauptdarstellerin im Stück, ist dies eine Besonderheit in der Darstellung: "Claire ist facettenreich. Sie vereint viele Emotionen und Meinungen in sich. Viele Dinge beeinflussen ihr Tun und das macht auch unser Stück deutlich." Waldoff solle nicht auf ihre Berliner Schnauze reduziert werden, sondern auch auf ihre feine und zarte Fraulichkeit. Perspektiven sollen an ihre Grenzen und darüber hinaus gebracht werden. So ergeht es zumindest den Schauspielern bei den Proben. So sagt Johannes Metzdorf, der diverse männliche Rollen im Stück übernimmt: "Wir diskutieren viel und projizieren das, was wir im Stück aufarbeiten, auch auf die heutige Zeit. Unglaublich wie aktuell die Debatten weiterhin sind." 

Insgesamt fünf Mal wird das Stück in Trier aufgeführt. Davon zwei Termine in der TUFA Trier und drei im Kasino Kornmarkt. Am 19. Mai 2016 ist Uraufführung, die weiteren Termine am Kornmarkt sind am 22. und 29. Mai​​​​. Dazu hat sich das Kasino übrigens etwas Nettes einfallen lassen: die, doch etwas weit hergeholte, Übersetzung von Schmackeduzchen, zumindest in Trier, zu verändern. Es wird ein Gebäck geben, das extra zu diesem Theaterstück neu erfunden worden ist. Ein leckeres "Schmackeduzchen", als Kontrapunkt zur hochaktuellen, aber intellektuell anspruchsvollen Kost des Stücks. 

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