Interviews
31.07.2015 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Clueso

"Das groovt sich schon ein"

​​Heute Abend, am 31. Juli steht der deutsche Indiemusiker Clueso auf der Bühne im wunderbaren Ambiente des Château de Beaufort​. hunderttausend.de sprach im Vorfeld mit ihm über seine Rap-Vergangenheit, über seinen "Dude" Helge Schneider und das Ankommen.  

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hunderttausend.de: Clueso, du hast „Stadtrandlichter“ in Eigenregie aufgenommen. Hast du mehr Druck gespürt, weil du nun allein verantwortlich für den Sound warst?

Clueso: Nicht, als ich fertig war. Während des Entstehungsprozesses schon eher. Wenn man sich etwas selbst neu erarbeitet, dann läuft viel über Selektion. Diese Unwissenheit, das Selektieren das verunsichert einen, in Mom​enten wo der Druck steigt, schon. Aber als das Album raus kam, hatte ich jetzt kein Problem damit, keinen zu haben auf den ich es schieben kann (lacht). Und so ganz alleine habe ich es ja auch nicht gemacht, es waren viele Leute beteiligt. 

Du hast mal gesagt, dass du der Hip-Hop Szene etwas entwachsen bist. Dennoch ist das auch immer ein Teil von dir. Bei Rock am Ring z.B. hast du ja ein ziemlich cooles Hip-Hop-Medley raus gehauen. Schlagen da zwei Herzen in deiner Brust, also im Sinne von, dass das zwei unterschiedliche Cluesos sind, der Hip Hopper und der Pop- bzw. Indiemusiker?

Im Prinzip geht es darum, dass wir das machen worauf wir Lust haben. Wir brauchen keine Angst davor zu haben auf der Bühne zu rappen, weil das zu unserer Vergangenheit dazu gehört. Wir sind also nicht irgendein Act, der zwischendurch mal rappt. Sondern wir haben das jahrelang so betrieben. Dazu wohne ich in einer WG, wo immer mal wieder Leute zu Besuch sind und wir oft rappen. Es schlagen also schon zwei Herzen in meiner Brust. Aber ich fühle mich in meiner Sängerrolle oder Sängerhaut wohler. Das ist schon mehr meins. Wobei ich sagen muss, dass ich auch geil rappe. (lacht)

Wie sehen das deine neueren, jüngeren Fans? Kennen die eigentlich deine Hip-Hop Vergangenheit noch? Wie begegnen sie dem, wenn sie es dann spätestens auf Konzerten z.B. kennen lernen?

Die einzige Resonanz die man so kriegt, ist die vor Ort. Und die ist ganz geil. Die Leute stehen halt auf Grooves und das ist ja schon so ein Party-Moment zwischen den anderen Songs. Die Resonanz, dass jetzt jemand überrascht ist, kriege ich nicht mit. Man kriegt ja heutzutage auch, sobald man sich für einen Künstler interessiert, alle Informationen via Internet. Wo er herkommt, was der für Musik gemacht hat. Das sollte also für niemanden eine große Überraschung sein.  Die Leute wünschen sich eher, dass ich mal wieder was Hip-Hop-mäßiges mache. In dieser Richtung wird auch was passieren, aber in welcher Form und wann steht nicht fest. Das nächste Projekt, dass erstmal ansteht ist ein akustisches Album, das ich grade vorbereite.

Ein Album, dass du geschrieben hast, während du auf Reisen warst…

Genau. Das werde ich im Oktober voll angehen.Mal schauen wie es läuft... Aber es gibt auf meiner Festplatte auch einige Rap-Songs, die dort nicht vergammeln dürfen (lacht).

Du hast grade, mal wieder, muss man ja sagen, mit Udo Lindenberg auf der Bühne gestanden. Ich habe bei Facebook ein Bild gesehen mit dir, Max Herre, OTTO WALKES und the One and Only Helge Schneider. Erzähl uns, wie ist Helge so drauf im Backstage?

(lacht) Es ist der Wahnsinn. Der Typ ist wieselflink. Seine Augen bewegen sich total schnell. Auf der After-Show-Party ist Helge auf die Tanzfläche und hat Tanz-Mooves hingelegt, dass sich alle kaputt gelacht haben. Natürlich ist er auch immer umringt von Ladies. Er ist ein ziemlicher Charmeur. Ansonsten ist er ein sehr intelligenter Mann, der auch in seiner Freizeit sehr witzig ist. Aber er ist dann nicht so Helge-mäßig drauf, wie 00Schneider oder so. Sondern einfach wie ein Kumpel. Ich bin ein Riesen Fan von ihm.  

Ist das für dich mittlerweile normal geworden, wenn du da eingeladen wirst, mit der Creme de la Creme der deutschen Musik- und Entertainmentszene chillst, oder stehst du manchmal in der Ecke und musst dich kneifen.

Natürlich muss ich das. Was halt passiert ist, dass man die Menschen anders kennen lernt, als nur durch die Medien. Max Herre zum Beispiel. Als Kind und Jugendlicher war ich Fan von seiner Musik. Der Max Herre, den ich kenn, mit dem ich befreundet bin ist halt ein anderer, als der Mann auf dem Plattencover. Das heißt nicht, dass der von irgendeiner Idee abweicht, aber es ist halt irgendwie ne andere Zeitrechnung. Man lernt einfach den Menschen kennen. Deshalb muss man sich einerseits manchmal kneifen, wenn man mit Dudes wie Helge Schneider rumhängt, andererseits nach dem vierten Mal treffen und einem halbwegs normalen Gespräch ist es auch cool und nicht mehr so seltsam, wie am Anfang (lacht). Wobei, jetzt war es schon irgendwie spannend. Da steht man schon da in der Ecke und denkt: „Krass, jetzt steht rechts von dir Otto, links Helge und da vorne lungert Udo auf der Couch“. Das ist schon lustig. 

Findest du eigentlich noch zu dir selbst, zwischen den ganzen Konzerten, mit dem Veranstalter reden, Pressetermine, jeden Tag woanders sein und so weiter?

(überlegt) Joa. Ich muss das manchmal ein bisschen provozieren. Das ist nicht so einfach. Weil die wenige freie Zeit die da ist, natürlich vom engeren Kreis auch genutzt werden will. Heute zum Beispiel spiele ich auf einem Festival und morgen ist ein Tag frei. Die meisten von uns fahren zurück. Ich glaube, ich hänge noch einen Tag im Hotel ab. Das brauche ich auch. Es stimmt aber, dass es manchmal nicht so einfach ist. Wenn man nach Hause kommt, braucht man auch ne Woche in Trainingshose eh man erstmal wieder grade läuft. 

Ich habe gelesen, dass du dir dann zur Entspannung Serien anschaust. Was steht bei dir grade hoch im Kurs?

Sehr schwierig, ich hab eigentlich schon alles weg. Grade schaue ich die neue Staffel True Detectives. Da bin ich aber noch ein bisschen kritisch, weil die erste Staffel so wahnsinnig gut war. Die Serie hat nicht so viel Tempo, dafür viel Dialog, das ist natürlich Geschmacksache. Ansonsten schnupper ich bei Freunden rum und frage was die so gucken. Da wurde mir zuletzt Low Winter Sun empfohlen, da muss ich mal reingucken. Die soll wohl von den Machern von Breaking Bad und The Walking Dead sein. Die großen Serien habe ich aber alle schon gesehen. 

Im gleichen Interview, wo ich das mit den Serien gelesen habe, heißt es, dass du dir ein Harald Juhnke Zitat übers Bett gehangen hast. Welches und… WARUM? 

Es hängt nicht wirklich über dem Bett, sondern in der WG. Es ist das Zitat: „Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“ (lacht) Ich kann das gut nachvollziehen irgendwie. Es hat natürlich einen Beigeschmack, wenn das jemand sagt, der lange alkoholabhängig war. Das hat ein anderes Gewicht. Grundsätzlich ist einfach gemeint, dass man weg ist vom großen Terror um einen herum. Keine Termine, leicht einen sitzen. Das neue Motto (lacht).

Du machst mittlerweile seit 20 Jahren in größeren Kontexten Musik, also seit 1995. Gibt es Dinge die du anders machen würdest, rückblickend?

(überlegt) Grade gestern habe ich noch ein Gespräch darüber geführt, mit jemandem, mit dem ich an einem Song textete. Wir kamen zu dem Schluss, dass es Menschen gibt, die mit unseren schlechten Nachrichten, die wir so bekommen haben, sofort tauschen würden. Ohne zu zögern. Wenn man also alles in Relation setzt, dann ist es überragend gelaufen. Sicher gibt es Dinge, die ich anders machen würde. Vielleicht mehr über Kommunikation zu wissen und anwenden zu können. Es hätte gut getan, da schon früher mehr drüber gewusst zu haben. Es hatte aber so wie es war keine gravierenden Folgen. Ansonsten? (überlegt) Eigentlich ist alles was passiert ist, auch im Endeffekt wieder geil gewesen. Die Fehler, die man gemacht hat, brauchte es irgendwie. Aber auch mit 20 Jahren die ich jetzt Musik mache, wundere ich mich manchmal immer noch, wie naiv man sein kann mit allem (lacht). Aber das tut einem auch gut, wie wenig Ahnung man hat, wenn man neue Dinge macht. 

Ist vermutlich jetzt schwierig zu beantworten, aber gibt es Momente die Spuren hinterlassen haben? Sowohl positive als auch negative?

Ja, auf jeden Fall die Konzerte wo Leute ne relativ lange Wegstrecke auf sich genommen haben um Einen live zu sehen. Das sind Momente die man nicht vergisst. „Ach, krass. Sind Leute echt hunderte Kilometer gefahren um sich ein Konzert reinzuziehen.“ Dann Support von Leuten wie den Fantastischen Vier, Blumentopf oder Herbert Grönemeyer zu sein, der es uns ermöglicht hat mal vor richtig ​vielen Menschen zu spielen. Mit Udo Lindenberg, dass ist Wahnsinn und noch wahnsinniger wie es gelaufen ist. Das man ihn kennen lernen durfte ist das Eine. Das man zusammen eine Single draußen hatte, die seine erfolgreichste Single ever war, dass ist echt Wahnsinn (lacht). Es fühlt sich immer anders an, wenn man viel selber macht. Man arbeitet alle halbe Jahre wieder irgendwo hin. Ich bin da nicht der Typ, der sich das dann so rückblickend anschaut. Ich genieße dann eher das, wo ich grade bin. 

Du bist 35 Jahre alt. Deine Songs handeln viel von Aufbrüchen und Sehnsüchten. Irgendwie klingt das oft nach „Sachen packen und wegfahren“. Kommt der Mensch Thomas Hübner bzw. der Künstler Clueso nie an? Und wenn doch, wo? 

Ich hab das ehrlich gesagt ein bisschen aufgegeben, das Gefühl im Leben, dass man irgendwo ankommt. Ich glaube, dass man Bedürfnisse hat in jeder Dekade seines Lebens und dementsprechend sucht man sich Orte an denen man sich erkannt fühlt. Wenn ich mit meinem Opa abhänge, was viel war in letzter Zeit, erzählt er mir eigentlich das Gleiche. Nur, dass er seitdem er Junggeselle ist, in der gleichen Wohnung wohnt. Aber er sagt klar, dass er sein Leben, so wie er es geführt hat, überall hätte führen können. Oder zumindest wechselhaft. Dafür war aber die DDR ein bisschen im Weg. Aber er sagt so richtig angekommen, fühlt er sich auch heute nicht. Das fand ich irgendwie schön (lacht). Diese Fernweh- und Heimweh-Situation haben Musiker, oder Leute die etwas von sich dalassen wollen einfach. Ich mache mir deshalb keine Sorgen​. Das groovt sich schon irgendwie ein. 

Vielen Dank für das Gespräch und viel Spaß beim Konzert heute Abend.​​

​Foto: Christoph Köstlin​

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