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30.11.2016 Vincenzo Sarnelli Vincenzo Sarnelli
Brian Fallon & The Crowes in der Garage

A Wonderful Life

​Am gestrigen Dienstag, den 29. November 2016, beehrte Brian Fallon, seines Zeichens Sänger von The Gaslight Anthem, der derzeit auf Solopfaden wandelt, die Garage in Saarbrücken. Mit im Gepäck hatte er seine Band The Crowes und zwei Support-Acts, Dead Swords und Chris Farren, dazu gefühlvolle Balladen und witzige Geschichten. 

 
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"Ich widme dieses Lied den hässlichen Menschen. Also auch mir", sagt Brian Fallon auf der Bühne mit einem verschmitztem Lächeln. Wie er auf das Thema gekommen ist, weiß er selbst nicht so genau. Die Garage Saarbrücken ist für einen regulären Dienstag-Abend gut gefüllt. Viele sind gekommen mit "The Gaslight-Anthem"-T-Shirts. Aber auch einige mit Springsteen-Aufdruck sind zu sehen. Irgendwie ist der Boss allgegenwärtig, wenn Brian Fallon irgendwo auftritt. Vielleicht, weil sich der Musikstil ähnelt, aber vielleicht auch, weil beide eine Gabe der Ausstrahlung teilen, die einen Frontmann einer Band eben ausmacht. Fallon ist einer, der die leisen Töne beherrscht, aber auch mal auf die Pauke haut und dann mit seinem einzigartigen New Jersey-Slang Anekdoten erzählt, Geschichten erfindet, Dinge in sich hinein murmelt. 

So erzählt er, dass er sich die Pop-Sängerin Adele sehr gut als Fußball-Hooligan vorstellen könne. Sie sei in ihren Songs immer so zart und wenn man sie dann reden hört, dann ist ihre Stimme tiefer als seine. Fallon lacht. Seine Zwischenansagen, die auch gerne mal zehn Minuten dauern können, worauf er das Publikum im Vorfeld netterweise hinweist, sodass "die Leute sich währenddessen ohne Probleme schnell noch ein Bier an der Bar holen können", sind legendär. Die Selbstironie nicht vergessend, fügt er deshalb hinzu: "Mit Alkohol ist auch die Musik leichter zu ertragen", und dreht sich feixend zu seinen Musikerkollegen um. Diese sind übrigens größtenteils alte Bekannte. So spielen die Gitarristen Alex Rosamilia und Ian Perkis mit Fallon zusammen bei The Gaslight Anthem (TGA). Der dritte an der, manchmal gar 12-seitigen, E- oder Akusik-Gitarre ist Jared Hart. Sänger der Punkband The Scandals und auch erfolgreicher Solo-Künstler, der bereits im Vorprogramm von Gaslight Anthem aufgetreten ist. Also irgendwie alles Verbündete und Verbundene mit der Band, die Brian Fallon berühmt gemacht hat, im doppelten Sinne. 

Als dieser sich entschied, selbige Kombo auf Eis zu legen und mit "Painkillers" ein Solo-Album zu veröffentlichen, antwortete er auf Pressefragen, dass er etwas machen wolle, was nur "seins" ist. Dass dies aber nicht zwingend auf das überbordende Ego des 36-Jährigen zurückzuführen ist, merkt man bereits in der ersten Hälfte des Konzerts. Denn es geht wesentlich sanfter, ruhiger, leiser zu als bei The Gaslight Anthem. Fallon, der auch schon ein Side-Project mit nahezu den gleichen Künstlern, die jetzt mit ihm auf der Bühne stehen, namens The Horrible Crowes hatte, wollte ein Forum finden für diese Seite seines musikalischen Schaffens. Die Seite, die nicht das Pogen und Tanzen bedient, sondern das schwofen, träumen, nachdenken, rotweintrinken. Alles mit dem berühmten amerikanischen New-Jersey-Charme, der so zwischen Cowboy und Großstadt schwebt. Ein Fest. 

Doch irgendwie packt es einen dann doch. Das "Gaslight Anthem"-Gefühl. Und man erwartet, fast schon EDM-mäßig, eine Art Drop, nach dem es dann so richtig los geht und die Gitarren zimmern und die Drums treiben und man sich mir nichts dir nichts in den Pogo-Kessel schmeißt und schreit: "And all my friends say heeeeeey, turn the record over" ("45" von TGA). Doch das bleibt aus. Einzig bei den letzten beiden Stücken "Behold the Hurricane" und "Wonderful Life" kommt ein bisschen was von der Stimmung auf, die man innerlich irgendwie die gesamte Zeit erwartet. 

Schmälert dies das musikalische Erlebnis? Keinesfalls. Brian Fallon ist und bleibt einer der besten amerikanischen Singer-Songwriter-Barden unserer Zeit. Texte, die zwischen verklausuliert, verkopft, glasklar, pathetisch und bodenständig hin und her wandern, als wäre es nichts, und Zwischenansagen, die locker als Stand-Up-Impro durchgingen - Brian Fallon & The Crowes-Konzerte machen Spaß, auch wenn der Drop und das große Geschepper heute mal ausbleiben. Man wird ja auch nicht jünger, irgendwie. Oder um es im Fallonschen Sinne zu sagen: "Don't you want a life like we saw on the picture show? So come on, give me something, come on, keep me up all night, You say, my baby, all this time in between drives me crazy, I want a life on fire, going mad with desire, I don't wanna survive, I want a wonderful life". 

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