Interviews
29.09.2016 Vincenzo Sarnelli Veranstalter
Josh McKenzie von Apologies, I Have None

"It hurts, but it's worth it"

​"Pharmacie" heißt die neue Platte von Apologies, I Have None, mit der sie in Kürze auf große Europa-Tournee gehen. Am 11. Oktober machen sie auch Halt im Exhaus, Trier. Wir sprachen vorher mit Sänger Josh McKenzie (Bild: rechts) über das neue Album, die Abgrenzung zum Vorgänger "London" und wie beides beim Konzert zusammen geht.

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hunderttausend.de: Josh, lass uns über euer Album “Pharmacie“ sprechen. Es ist jetzt seit zwei Wochen draußen. Wie waren die Rückmeldungen zum Album? Wie ist es euch seitdem ergangen? 

Josh McKenzie: Wir sind alle ziemlich positiv überrascht und erfreut über die ganzen positiven Rückmeldungen die wir bekommen haben. Ich glaube, grundsätzlich mögen die Leute das Album. Das ist immer gut, wenn du eine neue Platte machst. Wir haben seit dem Release noch nicht so viel Live gespielt. Deshalb freuen wir uns auf die Europa-Tour, die jetzt ansteht. Insgesamt gesehen, sind wir mit der Platte und der Resonanz ziemlich happy.
 

Bei eurer EP "Black Everything“, die ihr zuletzt veröffentlicht hattet, war der Name Programm. Es war wesentlich düsterer und nachdenklicher als “London“, der Vorgänger. Ich dachte nicht, dass ihr das überbieten könnt, aber "Pharmacie“ diskutiert ja Themen, die noch tiefgehender, noch massiver sind. Was war eure Inspiration für das Album?

Grundsätzlich schreibt man Songs, die von Dingen handeln, über die man nachdenkt oder die man sieht. Dinge die im Leben passieren. Ich mag Songs, die nicht nur irgendwelche Geschichten erzählen, sondern zu einem gewissen Grad auf Erfahrungen oder Vorkommnissen beruhen. Die Inspiration zur neuen Platte hat sich also nicht besonders geändert im Vergleich zu den anderen Alben, die wir gemacht haben.  Vielleicht war ich dieses Mal etwas fokussierter. Bei “London“ haben Dan (Bond, ehemaliges Mitglied der Band A.d.R.) und ich uns das Songwriting geteilt. Dieses Mal war ich auf mich gestellt. Ich konnte mich also wesentlich dichter an meinen Gedanken entlang hangeln. Das könnte also einen gewissen Effekt gehabt haben. Aber grundsätzlich haben wir nicht so viel anders gemacht als sonst.
 
Man kann aber sagen, dass sich der Sound von eurer neuen Platte von dem auf “London“ schon unterscheidet, oder?
 
Auf jeden Fall. Da gibt es schon eine größere Veränderung. Aber wir haben uns jetzt nicht hingesetzt und gesagt: „Wir schreiben jetzt eine Platte, die ganz anders ist als die letzte.“ Wir haben alles so gemacht wie vorher. Aber ich kann das schon nachvollziehen. Für Außenstehende ist das sicher nochmal anders als für uns. Wir haben die Songs geschrieben, gespielt und hier und da wieder verändert. Der Prozess hat ja ein paar Jahre gedauert. Deshalb ist das für uns eher eine ganz natürliche Entwicklung, im Vergleich zu demjenigen, der die neuen Songs jetzt das erste Mal hört. Es fühlt sich für uns einfach nicht so sehr nach einem Riesensprung an, weil wir die Songs, wie sie sind, schon lange in unseren Köpfen hatten.
 
Glaubst du denn, dass der Prozess des Musikschreibens immer so eine Entwicklung, eine Veränderung mit sich bringt? Und würdest du sagen, dass in dieser Entwicklung auch immer die Gefahr besteht, dass eine Band ihren Kern, der sie ausmacht, verliert?
 
Das sind zwei verschiedene Dinge. Zunächst: Neue Platten müssen nicht immer eine Entwicklung sein. Ich bin zum Beispiel großer Alkaline Trio-Fan. Und ich glaube nicht, dass die sich total entwickelt haben von Album zu Album. Vielleicht bist du da auch anderer Meinung, aber ich glaube, das ist eine Band, bei der man total weiß, was man bekommt. Und ich mag das sehr. Veränderung oder Entwicklung ist also kein Muss. Aber bei uns scheint es so zu sein, auch wenn ich nicht wirklich weiß, warum. Wir spielen manchmal einfach ein bisschen herum und dann kommen da andere Sachen bei heraus, auch wenn wir es gar nicht so sehr darauf anlegen. Wir machen also eher Platten, die eine gewisse Entwicklung in sich tragen.
Zum anderen Teil deiner Frage: Es gibt sicherlich dieses Risiko, dass Menschen sich entfremden von dem, was wir machen. Und es gibt sicher auch Leute, die "London“ mochten und denen die neuen Sachen eher nicht gefallen. Menschen, die, wie ich bei Alkaline Trio, gerne wissen wollen, was sie bekommen. Aber grundsätzlich darf man sich nicht bloß daran orientieren, was jeder mag. Sonst wird das einfach nur ein Abklatsch von dem, was man eigentlich machen wollte und könnte. Das Risiko ist also wesentlich größer, wenn man seinen Sound einfach nur nach den Leuten richtet.
 
Im Song “Clarity of Morning“ heißt es: „I walk much slower now I’ve got no direction“. Dieser Satz hat mich echt zum Nachdenken gebracht. Geht es dabei eher um persönliche Gedanken oder hattest du das große Ganze, die Welt, die in sich so viel schneller geworden ist, im Sinn?
 
Definitiv persönliche Dinge. Vor ein paar Jahren habe ich mich völlig richtungslos, ziellos gefühlt. Mein Leben hat stagniert und es gab nicht wirklich Gründe irgendwas zu tun. Heute ist das anders. Und darum gehts also in diesem Teil.
 
In einem weiteren Song, “Anything Chemical“, zitierst du aus „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr Hyde“ von Robert Louis Stevenson. Würdest du also empfehlen, das Buch zu lesen, bevor man sich "Pharmacie“ anhört?
 
Ich würde grundsätzlich jedem empfehlen, es zu lesen. Zum Verständnis von "Pharmacie“ ist es jetzt vielleicht nicht nötig. Diese Zeile ist mir jedes Mal direkt ins Auge gesprungen, als ich das Buch gelesen habe. Ich mag das Buch sehr und jeder sollte es lesen. Hast du es gelesen?
 
Hab ich, aber nur auf Deutsch. Und angeblich soll die Übersetzung nicht besonders gut sein.
 
Lies es in Englisch! Auf jeden Fall! (lacht)
 
Okay, mach ich! Ich habe auf eurer Homepage ein Zitat von Sam Russo gelesen, dass ich sehr interessant fand. Er sagt über euer Album, dass es „weh tut, aber es wert ist“. Ist das ein Satz, der für dich auch auf das Schreiben der Songs zutreffen könnte?
 
Auf jeden Fall. Ich hab zwar bisher nicht so darüber nachgedacht, aber definitiv. Ich finde Songwriting allgemein echt schwer. Man hat immer so eine Idee, was man gerne machen will und dann muss man da etwas Schlüssiges und Zusammenhängendes draus machen. Das ist echt anstrengend und dauert eine gewisse Zeit. Manche sagen, ich wäre echt langsam da drin. Ich würde deine Frage also auf jeden Fall bejahen (lacht). Es ist schwer, aber langfristig ist es das total wert. Sonst würde ich es vermutlich auch nicht machen.
 
Er hat auch gesagt: „Wenn “London“ der Sommer von Apologies, I Have None und "Black Everything“ der Herbst war, dann ist “Pharmacie“ der lange, kalte Winter“. Es ist natürlich nicht besonders fair über das nächste Album zu sprechen, wenn das letzte grade erst ein paar Wochen raus ist. Aber müsste dann der Nachfolger in dieser Logik nicht der Frühling werden?
 
In dieser Logik, ja (lacht). Aber ich bin mir nicht sicher, ob das passiert. Ich weiß es nicht. Vielleicht sollten wir Sam bitten, uns beim Schreiben zu helfen.
 
Glaubst du denn, er hat Recht damit? Ich fand "Black Everything“ eigentlich wesentlich düsterer als "Pharmacie“ jetzt.
 
Ich weiß es nicht. Ich würde es vielleicht nicht so kategorisieren. Ich sehe sein Argument, aber ich glaube nicht, dass sich jedes Album so streng zuordnen lässt. In jedem Album steckt ein bisschen Licht und ein bisschen Schatten, selbst in “London“. Wir würden das also nicht so stark voneinander abgrenzen. Und ich stimme dir schon zu, dass Teile von "Black Everything“ sicher schwerer und massiver sind als "Pharmacie“. Die Platte jetzt ist eher eine Mischung aus allem, was wir seit "London“ gemacht haben.
 
Interessant wird es, wie ihr auf Tour die beiden Sounds und die Stimmungen von "London“ und "Pharmacie“ auf eurer Setlist zusammenbringt. Gab es da große Diskussionen bei euch?
 
Wir diskutieren schon über unsere Setlist, bis zu einem gewissen Grad, aber grundsätzlich spielen wir die Songs, die wir spielen wollen. Ich meine, ich muss meine Band ja nicht spielen sehen, deshalb weiß ich nicht, ob der Mix für Außenstehende gelungen ist, aber wir machen uns nicht so besonders große Sorgen darüber, ob der Sound und die Stimmungen der beiden Alben zusammenpassen. Live ist es ja eh immer nochmal was Anderes als auf Platte. Da gleichen sich die Songs alleine schon wegen der Atmosphäre und der Technik mehr an. Vielleicht kannst du das beurteilen, wenn du uns in Trier siehst. Du kannst uns ja dann sagen: „Okay, das hat nicht funktioniert“ (lacht).
 
Ach, das glaube ich nicht. Wir werden es auf jeden Fall erleben, wenn ihr in Trier spielt. Josh, vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Spaß auf eurer Europa-Tour.
 

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