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20.05.2014 Moritz Riesinger Daniela Rößler
Popcorn

Sex, Gewalt und Tarantino

​​​Nach einer Reihe klassischer Stücke wagt sich die Theatergruppe Trier English Drama mit "Popcorn" an einen zeitgenössischen Stoff. Ben Eltons Komödie, die am vergangenen Montag, 12. Mai 2014, in der Tuchfabrik Premiere feierte, fragt bei klarer Referenz an das amerikanische Action-Kino nach der Verbindung zwischen medialer und realer Gewalt.

 
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​Bruce Delamitri könnte der zufriedenste Mann Hollywoods sein. Bald von seiner nervigen Ehefrau geschieden, hat er für den jüngsten seiner vor Sex- und Gewaltszenen nur so strotzenden Filme gerade den Oscar gewonnen. Diesen Erfolg kann er allerdings kaum auskosten, als er unvorhergesehen mit den anscheinenden Folgen seines Werks konfrontiert wird. Zwei offenbar genauso von seinen Filmen inspirierte wie verrückte Serienkiller bringen erst ihn und wenig später auch seine ganze Familie in ihre Gewalt. Bruce droht Opfer jener Gewalt zu werden, welche er gewöhnlich in seinen Filmen höchst ästhetisch zu inszenieren weiß. 

Der universitäre Ursprung von Trier English Drama spiegelt sich auch nach bald 40 Jahren Existenz noch immer in der großen Anzahl studentischer Darsteller wieder. Ihr Spiel macht vor allem die große Begeisterung für die englische Sprache besonders, die in jeder Szene zu hören ist. Wenn etwa Anna Weinand und Mathias Zimmer als gnadenloses Gangster-Pärchen Scout und Wayne das gesamte Stück im unfeinsten Südstaatenakzent vor sich hin knarzen, ist das zwar für wenig geübte Ohren gelegentlich etwas schwer verständlich, aber nichtsdestotrotz herrlich. Akzenttechnisch stiftet es zwar anfangs etwas Verwirrung, dass mit Adam Pardoe ein hörbar britischer Muttersprachler den amerikanischen Star-Regisseur Bruce Delamitri spielt. Dies ist jedoch längst vergessen, wenn es Pardoe in der zweiten Hälfte des Stücks gelingt, die aberwitzige Frage, ob Bruce eher seine künstlerische Integrität oder seine Familie retten soll glaubwürdig darzustellen.


Die zentrale Frage des Stücks, ob die Macher gewaltverherrlichender Filme auch für reale und möglicherweise von ihren Filme inspirierte Gewalt verantwortlich sind, ist für Regiseurin Elke Nonn recht einfach zu beantworten. Sie versteht "Popcorn" als Anti-Tarantino-Stück. Das überwiegend jugendliche Publikum und vielleicht auch den ein oder anderen Schauspieler kann daher die Textnähe ihrer Inszenierung freuen. Autor Ben Elton, der "Popcorn" 1996 sowohl als Theaterstück als auch als Roman veröffentlichte, geht es zwar ganz fraglos um die Diskussion über genauso hochgelobten wie gewalttätige Filme. Sein Text ist voller Referenzen zu Klassikern des Action-Kinos wie Pulp Fiction, Reservoir Dogs oder Natural Born Killers. Das Stück, immerhin eine Komödie, ist aber nur so vollgepackt mit der Mischung aus Ironie, Sexieness und Brutalität, die auch einem Regisseure wie Tarantino den Erfolg bringt. Darüber hinaus lässt Elton es offen, wer am Ende wirklich schuldig ist. So kann dann auch der Zuschauer selbst entscheiden, ob er den Urheber von brutalen Filmen, die Gewalttäter selbst oder sogar die ganze Gesellschaft, deren Mitglieder sich an die allabendliche Berieselung mit Brutalität gewöhnt haben, für verantwortlich hält. Nur in einem ist der Autor eindeutig: Das ständige abweisen jeglicher Verantwortlichkeit für gesellschaftliche Missstände muss ein Ende finden​

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