Interviews
03.06.2014 Moritz Riesinger Veranstalter
Karl M. Sibelius

"Provinz ist nur im Kopf"

​​​​​​​​​​Ab der Spielzeit 2015/2016 steht Karl M. Sibelius dem Theater Trier als neuer Intendant vor. Im Interview mit hunderttausend.de hat er verraten,  warum es für ihn kein Provinztheater gibt und inwiefern der Erhalt des Mehrspartenhauses von der Trierer Kulturpolitik abhängt.​
 
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​hunderttausend.de: Was verbinden Sie mit Trier?

Karl M. Sibelius: Bis vor wenigen Monaten habe ich wirklich überhaupt nichts über Trier gewusst. Das einzige, was man als Theater-Mensch über Trier kannte, war, dass es massive Probleme mit der Finanzierung gibt. Ansonsten assoziierte ich Trier eigentlich immer mit einer grauenhaft hässlichen Stadt irgendwo im Nirgendwo und bewarb mich eigentlich recht halbherzig aus einer Laune heraus. Als ich dann das erste Mal her kam, war ich positiv überrascht, schließlich ist Trier ja eine super Stadt.

Vor ihrer Bewerbung waren Sie also auch noch nie im Theater Trier?

Nein, aber ich kenne den derzeitigen Intendanten seit 20 Jahren. Er hat damals bei einem Stück als Regisseur gearbeitet, in dem ich als Schauspieler mitspielte. Seine Arbeit als Intendant ist mir nur peripher bekannt.

Im Rahmen ihres Weggangs vom Theater an der Rott war kürzlich auch von einem gewissen Knirschen zu lesen. Was ist Ihre Sicht der Dinge?

Es ist so: Ich persönlich wurde bereits vor Ort massiv angegriffen. Das habe ich auch immer thematisiert und das ist der Grund, warum ich weggehe. Natürlich gab es dann aber auch "Geknirsche", weil mein Vertrag bis 2019 läuft, allerdings mit der Option, dass ich jedes Jahr kündigen kann. Es wäre schlimm, wenn man sagen würde: "Ist doch super, dass der geht."

Böse Zungen könnten behaupten, dass es Sie von der einen provinziellen Randlage aus Deutschlands Süden in eine andere provinzielle Randlage im Westen verschlägt…

Wenn man Erfolg hat - und den habe ich, schließlich habe ich ein Provinztheater in Bayern zum innovativsten Theater abseits der Zentren gemacht - gibt es keine Provinz. Provinz ist nur im Kopf. Ich schaue nicht, ob ich in ein Provinztheater gehe, sondern ich schaue, ob es herausfordernde Arbeiten für mich gibt. Im künstlerischen, aber auch im Management-Bereich gibt es in Trier tolle Aufgaben. Deshalb tue ich mir auch das mit diesem großen Umzug überhaupt an - mit Kind und Kegel sowie Hund und weiß Gott noch was alles. Die Herausforderungen sind super und das ist es, was mich reizt.

Das Theater an der Rott hat unter Ihnen einen beeindruckenden Wandel durchlaufen. Wie ist es ihnen beispielsweise gelungen, den Altersdurchschnitt der Besucher auf unter 43 Jahre zu drücken?

Was man machen muss, hängt immer von der Stadt ab, in die man kommt. Die guten Sachen, die es gibt, muss man ja nicht verändern. Am Theater an der Rott war es  aber eben so, dass das Publikum überaltert war. Dann muss zusehen, wie man jüngere Menschen ins Theater locken kann. Das war eigentlich auch nicht schwer. Ich denke, die ticken ähnlich wie ich und wollen auch das sehen, was mich interessiert. Wir haben einfach den Spielplan aufgemischt und ganz vielfältige Sachen angeboten. Vor allem Dinge, die für die Region passen. Der Anspruch ist, Theater für die Region zu machen, das aber auch immer überregional ausstrahlt.
 
Ihre Anfangszeit in Eggenfeld wird gerne mit dem Satz "Wir werden durch ein Tal der Tränen gehen" zitiert. Gilt dies auch für Trier?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Etwa davon, ob die Politik auch bereit ist, dieses Mehrspartentheater zu unterstützen. Ich bin ein totaler Verfechter des Vierspartenhauses, aber nur wenn man es sich leisten kann. Natürlich kann man überall noch ein paar Tausend Euro einsparen, aber wenn man das Theater in dieser Form weiter erhalten möchte, dann muss man zum Beispiel die Subventionen inflationsmäßig erhöhen. Das wissen die Politiker aber auch. Ich persönlich möchte Trier weg von einer finanziellen hin zu einer künstlerischen Debatte führen. Wenn die Qualität stimmt, dann erübrigt sich vielleicht auch die Frage mit der Finanzierung. Man ist bereit, für tolle Sachen auch ein bisschen mehr zu zahlen.

Im gerade zu Ende gegangenen Kommunalwahlkampf plakatierte eine Partei "134 Euro Subvention pro Theaterkarte sind zu viel." Wie sehen Sie das?

Ich sehe das differenziert. Das ist einfach eine populistische Aussage, die völlig unreflektiert ist und auch nicht hinterfragt, wohin diese Steuergelder ansonsten fließen. Da kann man ganz leicht antworten: "Dann geht doch ins Theater und holt euch die Steuergelder zurück!" Ich muss aber auch sagen, dass am Theater an der Rott, dass nicht viel kleiner ist als das Theater Trier und auch alle Sparten auf höchstem Niveau anbietet, jede Theaterkarte mit 41 Euro gestützt hat. Dafür muss die Politik bereit sein, mir Eingriffe zu erlauben. Denn dafür muss man wirklich in Frage stellen, wie viele Menschen so ein Theater braucht. Dann müsste man eigentlich sagen: Wir fangen bei Null an und bauen auf.

Der größte Unterschied zwischen den beiden Häusern  scheint zu sein, dass es in Eggenfeld kein festes Ensemble gibt. Wird sich Trier auch in diese Richtung entwickeln?

Nein, solange die Politik bereit ist, diese ideale Form des Theaters zu finanzieren. Das ist das Theater, wofür ich und viele andere immer gekämpft haben. Nur wenn eine Stadt kein Geld hat, muss ich mir als Manager eines Hauses Lösungsvorschläge überlegen. Ein Schauspielensemble kann man sich immer leisten und in Trier wird es unter meiner Leitung immer eines geben. Es wird auch immer ein Balletensemble geben. Die großen Kosten sind das Orchester und der Chor. Die leisten auch wahnsinnig viel, verbrauchen aber zusammen ein Viertel des Gesamtbudgets. Einzugreifen macht nur dort  Sinn, ist aber auch so gut wie unmöglich. Aus dieser vertrackten Situation finde ich nur heraus, wenn ich die volle Rückendeckung der Politik habe. Aber eigentlich ist diese Diskussion auch verfehlt, da ich zunächst fest davon ausgehe, dass wir das Vierspartenhaus in der Form weiterführen. 

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