Interviews
24.11.2015 Ralf Hoff  
Nadine Schuster

"Ein großer Abenteuerspielplatz"

​​Die aus Trier stammende Pianistin Nadine Schuster bewegt sich zwischen Kulturen und Zielgruppen. Am Samstag, den 28. November, signiert sie ab 15:00 Uhr ihre aktuelle CD in der Buchhandlung Interbook. hunderttausend.de hat der Künstlerin im Vorfeld einige Fragen gestellt. 

 
Image

​hunderttausend.de: Du bist gebürtig aus Trier, hast aber im Laufe deiner Karriere schon viele verschiedene Stationen gesehen, z.B. China oder Japan. Trotzdem bist Du noch immer hier in der Region tätig. Welche Bedeutung hat diese für Dich? Kehren Künstler immer wieder zu ihren Wurzeln zurück?

Nadine Schuster: Ich bin meiner Heimat immer noch sehr verbunden. Trier, Bitburg oder Luxemburg. Hier gab es musikalisch viele "erste Male": mein erster Klavierunterricht, meine ersten Klavierabende in Bitburg, die ersten Konzerte als Solistin mit Orchester beim Festival in Echternach oder im Theater Trier und viele Menschen, die meinen Weg unterstützt haben und immer noch begleiten. Ich finde es toll, bei einem Heimspiel im Publikum Freunde, Bekannte oder auch meine Familie zu sehen, das hat etwas ganz Persönliches. Von Natur aus bin ich sehr neugierig und springe auch gerne mal ins kalte Wasser. Auftritt in China? Wunderbar! Bei solchen Konzerten und Projekten sind es die neuen Begegnungen und Erfahrungen, die mich reizen. Ich finde die Mischung gut: offen für Neues und verbunden mit den Wurzeln, wo ich herkomme. Diese Verbundenheit schafft Vertrauen. Und das brauche ich, wenn ich mal wieder unbekanntes Terrain bereise, denn auch privat reise ich gerne mal abseits der Touristenpfade, zum Beispiel nach Myanmar, Nepal oder Albanien.

Auf der CD "Meinem Kinde – Wiegenlieder aus aller Welt" gibt es einen multikulturellen Querschnitt durch populäre und weniger bekannte Wiegen- und Kunstlieder aus aller Welt. Wie kam diese Idee zustande?

Wiegenlieder sind oft die erste Begegnung mit Musik, die Babys und Kinder überhaupt haben - überall auf der Welt. Eine Aufnahme mit klassischen Wiegenliedern zu machen und somit Musik aus aller Welt in die Kinder- und Wohnzimmer zu bringen, hat mich fasziniert, zumal die Klassik im Alltag bei vielen oft kaum noch Platz findet. Mit den Sängerinnen Antonia Bourvé und Maria Rebekka Stöhr "funkte" es dann. Unser Ziel war es, Stücke unterschiedlicher Epochen, Länder und Sprachen aufzunehmen, in denen, egal, ob man die Sprache beherrscht oder nicht, immer wieder deutlich wird, um was und um wen es geht: um die Liebe zum Kind.

Welche Erfahrungen konnten Du und Deine Mitmusiker bei der Zusammenstellung sammeln? Funktioniert Musik überall auf der Welt gleich?

Wir haben lange und intensiv recherchiert. Zum einen war uns bei der Zusammenstellung die kulturelle Vielfalt wichtig, zum anderen aber auch, eine ausgewogene Mischung aus Volks- und Kunstliedern zu finden, sodass die CD nicht nur für Kinder an der Wiege, sondern auch für erwachsene Musikliebhaber und Konzertgänger ein spannendes und entspannendes Hörerlebnis ist. Die exotischen Klangfarben beim venezuelanischen Wiegenlied "Arrunango" stehen hier neben dem Klassiker "Guten Abend, gute Nacht", "Tutito hagamas ya" des chilenischen Komponisten Allende neben dem Cowboy-Wiegenlied "The little Horses", die karibischen Rhythmen und Themen im "Cancion de cuna para dormir a un negrito" wechseln sich ab mit charmant-französischer Tonsprache, zum Beispiel im Puppenwiegenlied von Sévérac. Diese Unterschiedlichkeit in Sprache und Musik ist spannend; darin liegt für mich ein ganz großer Reiz.

Als Diplom-Musikpädagogin bist Du neben Deiner Konzerttätigkeit auch im Umgang mit Kindern involviert. Was kann Musik bei Kindern bewirken? Haben Kinder einen anderen Zugang zu (klassischer) Musik als erwachsene Hörer?

Musik ist für Kinder ein großer Abenteuerspielplatz. Es gibt noch keine Schubladen, in die Kinder Klänge einsortieren. So erleben sie die Musik viel unvoreingenommener und auch unmittelbarer. Vor fünf Jahren habe ich das Projekt "Da wirst Du aber Ohren machen" gegründet, mit dem ich Kinder im Rahmen von Projekten und Konzerten, die ich zusammen mit der Erzählerin Alexandra Eyrich gestalte, für die Welt der klassischen Musik begeistern möchte. Ich engagiere mich mit diesem Projekt unter anderem auch ehrenamtlich für Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die ansonsten nicht mit dieser Art von Musik in Berührung kommen. Für viele der kleinen Zuhörer ist das eine ganz neue Welt, die sich da eröffnet. Wenn Kinder sich über Musik ausdrücken, ist das neben Bewegung einer der besten Wege, Emotionen zu verarbeiten. Aber auch für mich als Pianistin sind diese Momente sehr wertvoll: Von den Kindern nämlich gucke ich mir immer wieder auch die Leichtigkeit ab und die Unbefangenheit der Musik gegenüber, die uns Erwachsenen oft verloren geht. Ernste Musik muss nicht ernst sein!

Mit Deinem Ensemble "Mondieu Operettenassekuranz" machst Du etwas ganz Anderes und richtest dich vornehmlich an ein erwachsenes Publikum. Funktioniert dieser Spagat zwischen den Zielgruppen?

Mir macht es Spaß, unterschiedliche Programme für unterschiedliche Zuhörergruppen zu spielen und dabei Neues zu entdecken und auszuprobieren. Ein Spagat wäre es nur in dem Moment, wo ich es zu einem Konflikt machen würde. Als klassisch ausgebildete Pianistin ist die Vielfalt, die ich heute auf der Bühne lebe, sehr erfrischend und die möchte ich mir auch bewahren. In meinem Klavierstudium hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich mein musikalisches Leben und meine Programme zehn Jahre später so abwechslungsreich und auch zum Teil mit schauspielerischen Elementen gestalten würde. An Gastspiele bei den Bayerischen Theatertagen oder im Theater Erfurt hätte ich damals jedenfalls nicht gedacht… Diese Projekte sind eine wunderbare Ergänzung zu meinen klassischen Konzerten und Projekten, thematischen Liederabenden, Kammermusikprojekten oder Solokonzerten mit Orchester.

Du sitzt selbst seit frühester Kindheit am Klavier. Wo wärst Du jetzt, wenn Du nicht bereits in jungen Jahren die Musik für Dich entdeckt hättest? Was bedeuten Dir das Klavier und die Musik an sich?

Das ist schwer zu sagen, wo ich dann wäre; auch, weil ich mir das gar nicht vorstellen kann und will: ein Leben ohne Musik! Die Musik und die Erlebnisse auf und rund um die Bühne haben mich geprägt, von Kindertagen an. Was hätte ich alles verpasst ohne sie… Ein Leben für die Musik, aber auch Musik fürs Leben! 

​Foto: Jessylee

Bildgalerie



Karte anzeigen