Interviews
29.05.2015 Ralf Hoff  
[dunkelbunt] auf dem Kulturbeben Open Air

Weltmusik aus dem Wiener Wohnzimmer

​​Das Kulturbeben Open Air im Brunnenhof geht nach 2011 und 2012 am Samstag, den 06. Juni 2015, in seine dritte Runde. Highlight des musikalischen Programms ist der international erfolgreiche Act [dunkelbunt], bürgerlich Ulf Lindemann. hunderttausend.de hat mit ihm über (fröhliche) Musik, Wien und Sommerfestivals gesprochen. ​

 
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Der "Electroswing"-Künstler ist das I-Tüpfelchen eines bunten Line-Ups auf der Brunnenhofbühne, wo er neben lokalen Szenegrößen wie The Shanes und Trierer Newcomern auftreten wird. [dunkelbunt] ist gebürtiger Hamburger und lebt seit 2011 in Wien, von wo aus er als Musiker, DJ, Musikproduzent und Bandleader arbeitet – und das am liebsten weltweit. So ist es nicht verwunderlich, dass hunderttausend.de ihn im Zug irgendwo im polnischen Nirgendwo auf dem Weg nach Warschau erwischt, während er mit Teilen seiner Live-Band allerlei Schabernack mit dem polnischen Zugpersonal treibt, aber dennoch Zeit findet, ein paar Fragen zu beantworten. 

Generell ist es das Interkulturelle, Multinationale, was einen Großteil seines Schaffens bestimmt – was nicht zuletzt am Einfluss seiner Wahlheimat, der österreichischen Hauptstadt, liegt. Einerseits war es das familiäre Umfeld Wiens – tatsächlich ist die Familie seiner Mutter schon vorher dorthin gezogen –, andererseits die große Szene für elektronische Musik, in die Ulf Anfang der 2000er "abgedriftet" war, und das diesbezüglich besondere Flair der Stadt, was sich auf seine Musik auswirkte. Darüber hinaus aber herrscht dort sowieso eine große musikalische Vielfalt vor: von Jazz und Klassik bis hin zu Elektro und allem dazwischen. 

In Wien kam [dunkelbunt] dann auch mit Musik aus dem Balkan, "Gypsy-Musik", wie er sie nennt, in Berührung – und mit dem 9/8-Takt, der, anders als der typisch österreichische 3/4-Takt, einen große Faszination auf ihn ausübte. Einheimische sowie Gäste ebneten vor zwanzig Jahren in Wien den Weg für osteuropäische Folklore in der Musik – dieser Sound begeisterte ihn und spiegelt sich auch im musikalischen Schaffen Lindemanns wieder. Ansonsten sei aber "musikalische Bildung" von ungemeiner Wichtigkeit, sich mit "allem" auseinander zu setzen, gerade auch in Zeiten des Internets. "In meinem Wiener Wohnzimmer habe ich superviel Musik gefunden, die ich damals in den Plattenläden nie entdeckt hätte". 

So kommt es zu einem akustischen Konglomerat vieler verschiedener Einflüsse, welches [dunkelbunt] auf die Bühnen bringt – ob im Club oder den nun anstehenden Open-Air-Festivals. Das draußen Spielen im Sommer ist dann auch eine seiner großen Leidenschaften, an der frischen Luft habe alles seinen ganz eigenen "Flavor". Trotzdem haben es ihm auch Club-Konzerte angetan, die der ausgebildete Pianist bereits aus seiner Anfangsphase in verrauchten Jazz-Spelunken gewohnt ist. Die Vielfalt an unterschiedlichen Auftritten und Publikumsmengen, ob 50 oder 15.000, macht den Reiz aus und von beidem lässt sich etwas Spezielles mitnehmen – das Eine ohne das Andere wäre langweilig. Die ganz großen Festivals jedoch, mit mehr als zwei oder drei Bühnen, findet Lindemann "nicht so bereichernd": Mit einer so großen Vielfalt an gleichzeitig auftretenden Künstlern und dem Smartphone in der Hand wisse der Zuhörer nicht mehr, worauf er sich konzentrieren sollte. 

Angesprochen auf Trier erinnert Ulf Lindemann sich zunächst an seinen noch nicht so lange zurückliegenden letzten Besuch inklusive guten Weins in der Innenstadt und dann an "coole, musikalische Pfadfinder" [sic], die er einmal kennen lernen durfte und die in Trier lebten. Außerdem habe er das Veranstalterteam des Kulturbeben Open Airs noch in bester Erinnerung. 

Musik macht Ulf Lindemann nicht unbedingt, um den Menschen eine Message rüber zu bringen, aber um ihnen "etwas Schönes zu schenken", Inspiration und Harmonie, Lebensfreude und Tanz. Traurige Musik muss auch sein, aber eigentlich steht er ja doch "eher auf der lustigen Seite" – wie die polnischen Schaffner gerade am eigenen Leib erfahren müssen, während die Musiker versuchen, ihnen ihre eigenen Fahrkarten wieder zurück zu verkaufen. Da sich aber jedes Album von dem vorhergehenden unterscheiden sollte und noch viele weitere in Planung sind, klappt es vielleicht auch irgendwann mit der traurigen Musik. 

Foto: Julia Wesely

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