Stadtgespräch
31.01.2014 Julia Nemesheimer Veranstalter
14. Opening Festival

Ein Blick über den Tellerrand

​Zum vierzehnten Mal heißt es Bühne frei für aktuelle Klangkunst, zeitgenössische Musik und internationale Klänge. Das städtische Festival, welches in der Tuchfabrik und im Angela Merici Gymnasium vom 07. bis 09. Februar 2014 stattfindet, ist mit einem speziellen Schülerprogramm, der Open-Expo-Ausstellung der Hochschule für Musik in Mainz und den insgesamt neun Konzerten für alle Altersklassen gedacht und hofft darauf, nicht nur die übliche Zielgruppe, sondern auch Neulinge anzusprechen.​
 
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​Seit nunmehr vier Jahren haben Bernd Bleffert und Thomas Rath die künstlerische Leitung inne und eine Verdoppelung der Besucherzahlen zeigt, dass sie mit ihrem Konzept nicht falsch liegen. An den drei Tagen laden sie zu Konzerten, die Werke alter und neuer Komponisten teilweise miteinander verbinden und die Künstler präsentieren, welche aus ihren Instrumenten ganz Erstaunliches herausholen.


Da es sehr schwer ist, in der heutigen Zeit Menschen für Neue Musik zu begeistern, sind die Veranstalter umso glücklicher, dass die Stadt und das Land Rheinland-Pfalz das Projekt fördern. "Man könne verstehen, dass viele Leute denken, zeitgenössische Musik wäre zu kopflastig, anstrengend und sehr viel schwieriger zu verstehen als klassische Kompositionen. Doch eben dies sei der falsche Ansatz, der auch mit Hilfe der Darbietungen während diesem Festival aus dem Weg geräumt werden möchte. Denn in erster Linie soll man nicht nur mit dem Kopf hören, sondern sich von der Musik berühren lassen und sich für Neues öffnen", so die künstlerischen Leiter. In diesem Zusammenhang befürchten die Verantwortlichen, nicht nur im Hinblick auf die zeitgenössische Musik, dass der Mensch im Allgemeinen durch den Dauerbeschuss mit leichter Unterhaltung und dem von Kommerz dominierten Leben sehr viel weniger neugierig geworden ist, als er das früher war. Somit hoffen sie, durch das Angebot diese Neugierde zumindest bei einigen wieder zu erwecken und ihnen neue musikalische Perspektiven zu bieten. 


Gerade für Schüler unterschiedlicher Altersgruppen gibt es ein spezielles Workshop-Angebot an den Festivaltagen. Am 7. Februar bietet Lucia Mense aufeinanderfolgend zwei Musikstunden gepaart mit einem Blockflötenkonzert an. "Dschungelfieber" ist speziell für Schüler der ersten bis vierten Klasse konzipiert, während "Counterpoint" für die Oberstufe gedacht ist. Am 8. und 9. Februar können Kinder ab sechs Jahren gemeinsam mit Ute Völker "Kitchenmusic", einen experimentellen Klangworkshop mit Küchengeräten nach Voranmeldung besuchen. 


Den Auftakt jedoch übernimmt die Eröffnung der diesjährigen begleitenden Klangkunstausstellung Open-Expo. Die Realisation übernimmt die Klangkunst-Klasse der Mainzer Musikhochschule unter Leitung von Prof. Peter Kiefer. Die Studierenden haben insgesamt neun Werke entworfen, die aus Installationen, Videos, Klängen und verschiedenen Materialien bestehen und "Klänge" auf ganz unterschiedliche Weise betrachten.


Den konzertanten Beginn des Festivals läutet eines der herausragendsten Werke des westlichen Obertongesangs ein: "Stimmung", von Karlheinz Stockhausen im Jahr 1968 verfasst. Für sechs Sänger komponiert, sitzen diese im Kreis und der Bass beginnt mit einem Grundton. Die anderen stimmen mit ein, am Schluss etabliert sich ein Akkord, bestehend aus dem Grundton und dessen Obertönen – wodurch flirrende Obertonmelodien entstehen. Im Anschluss zeigt Lucia Mense "Wie man Flöten die Töne beibringt". Die in Köln lebende Musikerin kombiniert Blockflöte und Elektronik, Barock und Moderne und präsentiert so ein Instrument, das sonst eher selten zu hören ist. Neben Werken von Johann Sebastian Bach, Steve Reich und Kotoka Suzuki spielt sie auch ein Stück von Fausto Romitelli, bei welchem eine neu entwickelte, riesige Kontrabassblockflöte zum Einsatz kommt. Schließlich klingt der Abend mit"Sonatas und Interludes" von John Cage, der 2012 im Mittelpunkt des Opening-Festivals stand, aus. Roland Techert spielt Cages "Kleinode für ein präpariertes Klavier", komplexe Werke, die das Publikum auf Grund der radikal veränderten Klänge des eigentlich so bekannten Instrumentes immer wieder faszinieren.


Der Samstag beginnt in den Räumen des Angela Merici Gymnasiums. Der KammerchorAnima Mundi mit zwölf Sängern und Sängerinnen trägt A Capella Werke des Mittelalters und der Renaissance aber auch des 20. und 21. Jahrhunderts vor. An diesem Abend präsentieren sie unter der Leitung von Roland Techert Stücke von Don Carlo Gesualdo (1566-1613) und von Giancinto Scelsi (1905-1988). Außerdem führen sie eigens für ihre Gruppe geschriebene Werke von Gerhard Stäbler und Kunsu Shim auf. Im Großen Saal der Tufa geht es weiter mit einem Blasinstrument, das viele eher mit Märschen und Karnevalsumzügen verbinden: Melvyn Poore beweist in eigenen Stücken sowie mit Werken von Nicolaus A. Huber und Hannes Seidl, dass die Tuba ein sehr vielfältig einsetzbares Instrument ist. Zusammen mit Elektronik ergibt sich ein ganz neuer Klangkosmos. Danach geht es auf eine Reise ins fernöstliche Korea.Sunhwa Lee und Insoo Kim präsentieren traditionelle und Neue Musik aus ihrem Heimatland für Zither (Geomungo) und Sanduhrtrommel (Changgu), womit auch in diesem Jahr eine Brücke zur asiatischen Musik geschlagen wird. Einen Abschluss findet der zweite Festivaltag mit dem improvisierten Abschluss "Ad Hoc", der sowohl für die aktiven Teilnehmer als auch für das Publikum bis zur Aufführung selbst eine Überraschung bleibt. 


Der Sonntag startet schon zur Mittagszeit mit "Telemusik" von Stockhausen. Allerdings handelt es sich bei dieser Aufführung um ein Showing aus dem Tanzworkshop, das die professionelle Tänzerin Hannah Ma (Foto) über die vergangenen Wochen mit einer Gruppe Jugendlicher einstudiert hat. Die Teilnehmer haben das Stück, welches durch seine vielen verschiedenen Klänge aus Europa, Asien, Lateinamerika und Afrika eine Art elektronischer Weltmusik darstellen soll, ausgiebig erforscht. Ihre Interpretation aus intuitivem Hören und körperlichem Erfassen präsentieren sie an diesem Mittag zum ersten Mal. Das Festival schließt am Abend mit dem musikalischen Planspiel "Ludus Globuli" von Bernd Bleffert nach einer Vorlage von Nikolaus von Kues ab. Das Stück, welches vergangenen Sommer bereits in Trier zu sehen und zu hören war, fordert durch immer neue Konstellationen, die vorher nicht absehbar sind, von den drei Sängern, dem Laienchor, vier Instrumentalisten und dem Schlagzeuger das höchste Maß an Aufmerksamkeit, Spontaneität und Improvisationsfähigkeit und ist jedes Mal ein neues Klangerlebnis.


Diese in Rheinland-Pfalz einzigartige Veranstaltung für zeitgenössische Musik bietet somit für jeden Geschmack etwas. Wie in jedem Jahr gibt es die Möglichkeit, einen Festivalpass zu erstehen, aber auch Einzelveranstaltungen zu besuchen.​

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