Interviews
02.12.2015 Jörg Halstein Privat
Carnage 23 feiert 25-jähriges DJ-Jubiläum

"Carnage 25"

​​​​​​Dominique Koch, der sich als DJ Carnage 23 nicht nur in Trier als vielgebuchter Plattenkünstler einen Namen gemacht hat, feiert an diesem Wochenende sein 25-jähriges Jubiläum am Pult*. In unserem Interview blickt der Club Toni-Resident auf ein Vierteljahrhundert zurück.

 
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​​hunderttausend.de: Wieso eigentlich “Carnage 23”?

Ursprünglich habe ich mich einfach “Carnage” genannt. Wenn Veranstalter dann nach mir in Google gesucht haben, sind sie meistens auf einen Hardcore-DJ aus Guatemala gestoßen, der seinen Hörern mit 180 BPM auf die Fresse haut. Deshalb hielt ich es für klug, mit dem kleinen Zusatz “23” solchen Verwechslungen aus dem Weg zu gehen und damit Veranstaltern Panik-Attacken zu ersparen. Übrigens spricht man “Carnage” englisch und Dreiundzwanzig deutsch aus, damit sich im Radio niemand an “twäntisssri” verhaspeln muss.

Als ich 1990 zum ersten Mal auf einer amerikanischen Airbase vor Publikum auflegen sollte, wollten die Veranstalter einen DJ-Namen von mir, den ich mir natürlich noch gar nicht zugelegt hatte. Die meinten dann: Du siehst mit Deinen roten Haaren, die ich damals trug, dem Carnage ähnlich, einer Comic-Figur, einem der bösen Gegenspieler von Spider Man. Das war für mich ok. Auch wenn ich erst später kapierte, das Carnage “Gemetzel” heißt - was den einen oder anderen Veranstalter hinsichtlich meines musikalischen Stils nervös machte…

Dein allererster Gig?

Der fand vor genau 25 Jahren bei einer Nikolaus-Party am 5. Dezember 1990 in Traben-Trarbach statt, in der “Löwengrube”, die heute “N8szene” heißt. DJ ViseOne, den hier in Trier ja auch viele kennenlernen konnten, hat mich damals gefragt, ob ich am Anfang der Party ein bisschen auflegen wolle. Also hat meine Mama den 13-Jährigen Nachwuchs-DJ zur “Löwengrube” gefahren, wo ich dann zwei Stunden lang aufgelegt habe.

In der Vorwoche habe ich jeden Tag vier Stunden am Plattenteller geübt, um mein Disko-Funk-Set mit Boney M, Michael Jackson und CC Penniston hinzubekommen. Die ersten Übergänge habe ich aber gnadenlos verhauen, obwohl noch kein Mensch im Laden war. Mir ging so der Stift, ich hätte mir ein Dixie-Klo hinter dem DJ-Pult gewünscht.

Hast Du eine Ahnung, wie viele Gigs Du im letzten Vierteljahrhundert gespielt hast?

Oh je, das ist schwer abzuschätzen. Aktuell dürften es etwa 120 Gigs im Jahr sein, wenn ich einrechne, dass es am Anfang natürlich etwas ruhiger zuging, dürften es mittlerweile insgesamt bestimmt 2.000 Auftritte sein. Boah.

Ab und war ich ja auch im Ausland und habe da mehrere Wochen am Stück aufgelegt, zum Beispiel in Thailand, dort habe ich sechs Wochen lang an jeden einzelnem Tag gespielt, da kommt dann schon was für diese Statistik zusammen ;-)

Deine bemerkenswertesten Erfahrungen?

Das war eine Full Moon Party auf einer kleinen Insel bei Ko Samui in Thailand: Ich habe noch nie gesehen, wie extrem sich Leute wegschießen können, ohne dass einer dabei stirbt. Ich habe wirklich fest damit gerechnet, dass am nächsten Tag mindestens 40 besoffene und bedröhnte Leute im Wasser treiben. Aber alle haben die Nacht überlebt - hieß es.

Meinen ersten richtig großen Gig werde ich natürlich nie vergessen: Als 15-Jähriger durfte ich in der Krefelder “Königsburg” auflegen, in einem ehemaligen Schwimmbad, wo der DJ auf dem Turm steht. Den Laden hatte ich vorher schon mit meinem Onkel besucht, der dort zu der Zeit Resident war.

Dein schlimmster Gig?

Ich war mal nach Holland gebucht, da klappte quasi gar nichts. Im Hotel war keine Reservierung, also habe ich mein Zimmer selbst bezahlt. Auf der Veranstaltung war nichts, aber auch gar nichts los, also gab es keine Gage. Am Ende des Abends war dann auch noch mein Auto weg, geklaut.

Dein bizarrster Gig?

Eine Goa-Party in Belgien. Die haben einen riesigen Elfenwald mit psychedelischen Gemälden aufgebaut. Auf dem House-Floor war kein einziger Gast mehr ansprechbar. Mein Light Jockey hat stundenlang immer wieder auf ein und dieselbe Taste gehauen, die allerdings keinerlei Funktion hatte. Ich schwöre, dass ich der einzige Mensch auf diesem Fest war, der nüchtern war. Ich habe bis morgens um 10 acht statt der vereinbarten vier Stunden gespielt, weil der DJ, der mich ablösen sollte, einfach nicht aufgetaucht ist.

Muss man als hauptberuflicher DJ alles spielen?

Auf dem 65. Geburtstag meiner Patentante, ich hatte gerade meinen regulären Job als Büro- und Kommunikationskaufmann gekündigt, hat meine Mutter quer über den Tisch gerufen: Der Junge ist eine Nutte, den kannst Du stunden- oder tageweise buchen. Meine Tante will mir bis heute Care-Pakete mit Kondomen schicken, weil das in der Familie nie so wirklich aufgeklärt wurde. 

Es hat sehr lang gedauert, bis man in meiner Familie verstanden hat, das man vom DJing tatsächlich leben kann. Dazu muss man aber natürlich auch einigermaßen flexibel sein und auch mal das spielen, was nicht unbedingt zu den eigenen Favorites gehört. Das heißt aber nicht, dass ich Schlager, Discofox oder Metal auflege, das sind einfach Genres, die ich nicht beherrsche. Helene Fischers “Atemlos” lege ich übrigens prinzipiell nicht auf.

Wie hat sich über die letzten Jahre das DJing verändert?

Früher war der DJ schon so etwas wie die Heilige Kuh - der durfte sein Ding machen und die Leute haben das respektiert. Heute werden wir häufig als Juke Box verstanden. Ich weiß nicht, wie oft mir Gäste mittlerweile einfach ein Handy ins Gesicht halten und ihren Musikwunsch mit einem schlichten “Ey” begründen.

Insgesamt ist es auch sehr kurzlebig geworden: ein Hit vom Monatsanfang ist zwei Wochen später aus den Charts und aus den Köpfen der Gäste. Früher, als wir DJs noch mit Vinyl bemustert worden sind, war es nicht unüblich, dass wir Songs schon ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung spielen konnten. Die Leute waren dann schon geil auf die Nummer, lange bevor sie sie kaufen konnten. Heute kriegst Du Promos drei Tage vor der Veröffentlichung.

Bei den Besuchern hat sich meiner Wahrnehmung nach auch einiges verändert, heute will sich ein Drittel der Gäste das Wochenende schön trinken, ein Drittel ist auf der Suche nach dem nächsten Partner und immerhin ein Drittel will noch tanzen. Früher war der Anteil der Feier-Orientierten viel, viel größer und damit die Stimmung natürlich auch eine andere. 

Dazu kommt natürlich auch, dass die Clubs immer stärker normiert sind. 80 Prozent aller Clubs sind kommerziell ausgelegt - und dann läuft überall auch quasi derselbe Sound. Damit sind die DJs auch austauschbar geworden. Für den einzelnen DJ ist es schwierig bis unmöglich geworden, seine eigene Duftnote zu hinterlassen.

Ist es für DJs im digitalen Zeitalter einfacher geworden, neues Material zu recherchieren?

Nicht wirklich. Früher bin ich einmal die Woche in meinen Plattenladen, das “Grammophon” in Wittlich und habe drei, vier Stunden Neuerscheinungen durchgehört. Heute brauche ich viel mehr Zeit, obwohl die Musik natürlich einfacher verfügbar ist. Aber es ist heute viel, viel mehr Material auf dem Markt. Früher habe ich vielleicht 60 bis 80 Platten durchgehört, mittlerweile bin ich bei vielleicht 300 Neuerscheinungen pro Woche angelangt. Und dann kommen noch die zahllosen Charts, Mix-Portale usw. dazu. 

Wie war das mit Deiner DJ-Residentur im “club toni”?

Ralf Laux kannte mich von verschiedenen Gelegenheiten, ich hatte ja auch schon in der Tuchfabrik aufgelegt, also hat mich das Walderdorff’s für einen Gig angefragt. Meine Karriere am Domfreihof wäre aber beinahe daran gescheitert, dass mich unser Türsteher Toni damals erst einmal nicht reinlassen wollte. Das lag vielleicht auch dem pinkfarbenen Irokesen-Schnitt, den ich damals trug ;-)

Ich habe dann vier Jahre lang die Ü30- und Nach der Arbeit-Parties gespielt. Als Ralf den Club im Walderdorff’s als “toni” neu aufgestellt hat, hat er mich gefragt, ob ich nicht auch die Programmplanung und die DJ-Bookungs übernehmen möchte. Seitdem ist der “club toni” zu so etwas wie meinem Baby geworden.

Wird man des DJings nicht irgendwann mal müde?

Klar habe ich auch zwei, drei Tage im Jahr, an denen ich nicht so richtig Bock habe. Ich glaube, das ist in jedem Job so. Mit der Routine, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe, kriege ich es aber immer hin, dass die Gäste trotzdem einen guten Abend haben können. Dann können höchstens enge Freunde mit geschultem Blick erkennen, dass ich bestimmte Gesten etwas weniger enthusiastisch ausführe ;-)

Für mich von Vorteil ist natürlich, dass ich selten zwei Tage hintereinander in ein und demselben Club auflege. Das bringt dann neben der örtlichen auch musikalische Abwechslung mit sich. Perspektivisch versuche ich, mich auf Events zu konzentrieren, die zu mir passen und ansonsten für guten Nachwuchs zu sorgen. Ben Schotmann​ ist so einer, auf den ich ganz große Stücke halte. 
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*Das Jubiläumsfest von Carnage 23​​ findet am 5. Dezember 2015 in der “N8Szene” in Traben-Trarbach statt, am Start sind zahlreiche DJs, die auch in Trier bekannt sind wie bunte Hunde, u. a. VISEOne, Captain Marcy, Robin Junker. Außerdem gibt es einen Karaoke-Floor mit dem deutschen Karaokemeister 2015 Sven Huisman, der übrigens auch aus Trier ist.

Von Trier fährt ein Shuttle-Bus, Infos dazu direkt bei Dominique Koch a. k. a. Carnage 23

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