Interviews
12.05.2016 teatrier teatrier
"Die Ausflüge des Herrn Brouček" im Theater Trier

"Broucek ist ein ehrlicher Mensch"

​​​In Trier ist Leoš Janáčeks brillante Gesellschaftssatire zum ersten Mal (und noch bis zum 22. Mai 2016) zu erleben. Wir haben mit Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic über ihr aktuelles Projekt, ehrliche Menschen, Knackwurst und das "Käferchen" gesprochen

 
Image

Matej Brouček sitzt am liebsten in seiner Stammkneipe, trinkt Bier und isst Knackwurst. Meist hilft das gegen den Alltagsfrust, doch diesmal trägt ihn sein Rausch davon und setzt ihn zunächst auf dem Mond, dann im tschechischen Mittelalter der Hussiten-Kriege ab. Wie Offenbachs Hoffmann begegnet der klassische Antiheld mit trivialem Gemüt an beiden Orten den Menschen aus seinem Alltag.

DIE AUSFLÜGE DES HERRN BROUCEK ist ein eher unbekanntes Stück des tschechischen Komponisten Leoš Janáček. Was kann das Publikum von diesem Werk erwarten?

Ich bin sehr glücklich, dieses Werk inszenieren zu können. Es handelt sich um ein politisches Stück, genauer gesagt eine Polit-Satire. Bei den Konzeptionsgesprächen haben wir so viele Parallelen mit heutigen gesellschaftspolitischen Themen festgestellt, dass wir überlegten, diese zum Bestandteil der Inszenierung zu machen. Davon sind wir abgerückt, die Aktualität des Stückes wird trotzdem deutlich werden. Außerdem war es mir wichtig, eine Übersetzung für die Oper zu finden, die dem tschechischen Original sehr nahe ist und diese nicht vorsorglich interpretiert. Der Text der Übertitel sollte nah am Original bleiben.

Was für ein Mensch ist die Hauptfigur des Mathias Brouček?

Brouček ist ein ehrlicher Mensch. Er möchte sein Leben genießen und am liebsten in Ruhe gelassen werden. Seine Werte verteidigt er im Sinne eines Spießers. Dennoch wünscht er sich eine bessere Welt. Er lässt sich dabei nicht von Ideologien steuern, sondern zieht sein Ding durch. Leos Janacek hatte eigentlich die Figur als verachtungswürdig angelegt, dies ist aus unserer Sicht ins Gegenteil verkehrt. 

Brouček unternimmt zwei Reisen, die eine zum Mond und die andere ins 15. Jahrhundert. Wie unterscheiden sich beide Gesellschaftsformen?

Die Mondgesellschaft ist eine fortschrittliche, die aber absonderliche Lebensweisen hat. Sie ist eine friedliche, aber gleichgeschaltete Gesellschaft. So wird dort etwa nicht gegessen, sondern Blütenduft geschnuppert. Darüber hinaus fehlt jegliche Sinnlichkeit. Man kann das mit den heutigen Selbstoptimierern vergleichen, die etwa ein extremes Gesundheitsbewusstsein pflegen. Wer gegen die Grundwerte der Mondgesellschaft verstößt, wird ausgeschlossen. Im Falle von Brouček genügt es da schon, wenn er in seine Knackwurst beißt. Verglichen mit den Mondbewohnern kommt Brouček hier als einziger „Normaler“ vor. 

Was gilt verglichen damit für die Hussiten des 15. Jahrhunderts?

Im Böhmen des 15. Jahrhunderts findet Brouček eine ganz andere Welt vor. Die Hussiten sind viel handfester. Sie verfolgen ihre Ziele, wollen Ergebnisse sehen und nicht reden. Sie führen den Kampf, den die Mondmenschen bereits überwunden haben. Brouček wird hier zur komischen Figur, da er als Zeitreisender das Ergebnis der bevorstehenden Schlacht schon kennt und deshalb schon gar nicht an dieser teilnehmen will. Auch sein moderner tschechischer Akzent sorgt dafür, dass er schnell des Spionierens bezichtigt wird und so in Schwierigkeiten gerät.

Was ist das verbindende Element der drei „Zeitebenen“?

Brouček findet sich in kafkaesken Traumsituationen wieder. Nicht umsonst bedeutet Brouček auf Deutsch auch „Käferchen“. Die ihm nahestehenden Personen tauchen in unterschiedlichen Rollen in den anderen Zeitebenen wieder auf, was Brouček auch bewusst ist. Er selbst hingegen bleibt immer der gleiche. Seine Standhaftigkeit macht auch hier seinen Reiz und seinen Charme aus.

Die nächsten Aufführungen im Großen Haus des Theaters Trier: Samstag, 14. Mai, Freitag, 20. Mai und Sonntag, 22. Mai, jeweils 19:30 Uhr.​

Bildgalerie



Karte anzeigen